Hannah-Arendt-Preis: So verteidigt Gessen die umstrittenen Aussagen
Gessen verglich in einem Essay Gaza mit einem jüdischen Ghetto in Europa. Der Bremer Senat hatte sich deswegen aus der Preisverleihung zurückgezogen.
Neben dem Senat hatten sich die Heinrich-Böll-Stiftungen in Bremen und Berlin für eine Absage der Preisvergabe ausgesprochen, ebenso wie die Deutsch-Israelische Gesellschaft in Bremen. Der Trägerverein hält dagegen an der Vergabe des Hannah-Arendt-Preises fest, Eva Senghaas-Knobloch aus dem Vorstand verteidigte Gessens Äußerungen.
Masha Gessen sprach in einem Interview mit buten un binnen von Ironie. Legte man die Logik des Senats und der Stiftungen zugrunde, dann würde Hannah Arendt den Preis, der ihr gewidmet sei, nicht erhalten. Er soll Menschen ehren, die in der Tradition Arendts zu öffentlichem politischem Denken und Handeln beitragen.
"Ich meine das absolut in dieser Weise"
Gessen verteidigte den Ghetto-Vergleich. Gessen habe das genau so gemeint. "Für mich ist das der wichtigste Satz in dem Essay und der Grund, warum ich es geschrieben habe". Gessen sehe eine moralische Verpflichtung, den Holocaust mit aktuellen Ereignissen zu vergleichen. Das müsse getan werden, um zu verhindern, dass sich derartige Verbrechen wiederholen.
"Ich wollte, dass dieser Vergleich für Aufsehen sorgt, aber ich weiß, dass er nicht perfekt ist." Man könne nichts eins-zu-eins vergleichen. Aber man könne daraus lernen, worin sich Ereignisse ähneln und worin nicht – und daraus andere Fragen mit Blick auf aktuelle Ereignisse ableiten.
Verein habe Kommunikation verweigert
Auch die Heinrich-Böll-Stiftung hat ihrerseits ihr Vorgehen verteidigt. "Die Absage des Festaktes für Masha Gessen war eine gemeinsame Entscheidung aller drei preisstiftenden Institutionen", teilte die den Grünen nahestehende Organisation mit. Versuche, die gemeinsame Veranstaltung von Bremer Senat, den Böll-Stiftungen des Landes und Bundes als preisstiftende Institutionen und Hannah-Arendt-Verein zu retten, liefen demnach ins Leere.
"Leider hat der Hannah-Arendt-Verein seit dem Erscheinen von Gessens Artikel die Kommunikation mit uns verweigert", hieß es. So sei keine Verständigung über eine mögliche Modifizierung des Festaktes möglich gewesen. "Gleichwohl suchen wir als Böll-Stiftungen weiterhin die kontroverse Debatte mit Masha Gessen und haben Masha Gessen dazu auch bereits eingeladen", hieß es weiter.
Preisverleihung seit 1995
Hannah Arendt wurde 1906 in Hannover geboren. Als Jüdin floh sie vor den Nazis zunächst nach Paris und erhielt später die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Die politische Theoretikerin beschäftigte sich unter anderem mit Demokratie, Diktatur und Gewalt. Der nach ihr benannte Preis wird seit 1995 verliehen.
Quellen: buten un binnen und dpa.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Dezember 2023, 19:30 Uhr