85 Euro pro Quadratmeter: Sind Bremer Flüchtlingsunterkünfte zu teuer?
Der Senat mietet in Bremen mehrere Immobilien an, um Geflüchtete darin unterzubringen. Die CDU wirft der Regierung vor, sich bei den Mietpreisen über den Tisch ziehen zu lassen.
Bremen sucht händeringend nach Immobilien, um Geflüchtete unterzubringen. Nicht wenige Gebäudebesitzer nutzen die Notlage aus und verlangen Mietpreise, die um ein Vielfaches über dem marktüblichen Niveau liegen. Die CDU kritisiert, dass der Senat sich über den Tisch ziehen lasse.
Besonders hoch fällt die Miete im Townside Hostel im Ostertor aus. Das Sozialressort hat die beiden Altbremer Häuser angemietet, um dort junge Geflüchtete unterzubringen. Selbst in solch begehrten Lagen kann ein Vermieter für Wohnraum schwerlich mehr als 20 Euro pro Quadratmeter erzielen. Die Townside-Hostel-Betreiber lassen sich allerdings stolze 85 Euro bezahlen – macht 60.000 Euro Miete im Monat.
Hostel-Betreiber weisen Kritik am Mietpreis zurück
"Wir halten es für eine Katastrophe, dass der Senat sich solche Verträge aus den Rippen leiern lässt", sagt der Vorsitzende des Haushalts- und Finanzausschusses der Bremischen Bürgerschaft, Jens Eckhoff (CDU). Natürlich gebe es eine Notsituation, aber die rechtfertige nicht jeden Preis. Das Sozialressort hält dagegen, dass viele Mietverträge bisheriger Unterkünfte in diesen Monaten ausliefen und der Handlungsdruck deshalb besonders hoch sei.
Ein pikantes Detail im Falle des Townside Hostels: Größter Anteilseigner der Betreibergesellschaft ist das Lagerhaus, ein mit Steuergeldern subventioniertes Kulturzentrum. Das Lagerhaus erhielt allein im vergangenen Jahr über eine halbe Million Euro Förderung vom Senator für Kultur. "Das ist ein skandalöser Vorgang", findet Eckhoff. Zum Einen sei es fragwürdig, warum sich staatlich geförderte Institutionen in Bremen derart bereichern könnten, dass sich überhaupt erst ein Hostel leisten können. Besonders verwerflich sei es aber, dass diese Herberge dann zu derart unseriösen Konditionen vermietet werde.
Das Hostel-Management verweist in einem Telefonat darauf, dass es sich um eine Warmmiete inklusive aller Nebenkosten handle. Außerdem müsse man Teile des Hauses regelmäßig reinigen, einen Hausmeister stellen und habe einige Umbaumaßnahmen vorgenommen.
CDU: Unterkunft-Betreiber wollen hohe Profite machen
Die Hostel-Betreiber aus dem Viertel sind längst nicht die einzigen Vermieter, die vom Senat Preise weit oberhalb des üblichen Marktniveaus verlangen. Das ehemalige Monteur-Hotel "Hansahof" in Hemelingen etwa hat der Senat ebenfalls gepachtet. Der Vermieter nimmt 51 Euro pro Quadratmeter.
"51 Euro den Quadratmeter in Hemelingen – das hat mit sozialer Marktwirtschaft gar nichts mehr zu tun", findet Eckhoff. Die Elmshorner Betreiberfirma Signature Hotels reagiert nicht auf unsere Frage, warum sie eine derart hohe Miete verlangt.
Flüchtlingsunterbringung ist in gewissen Kreisen mittlerweile zum lukrativen Geschäftsmodell geworden, wie die CDU beobachtet hat. Als Beispiel nennt Eckhoff den Neubau der Hamburger Firma Neiro Property in der Bahnhofsvorstadt. Für rund acht Millionen Euro hat das Sozialressort das gut 2.000 Quadratmeter große Gebäude ein Jahrzehnt lang angemietet, um dort ein Übergangswohnheim einzurichten. "Die Pachteinnahmen für die ersten zehn Jahre finanzieren die gesamten Baukosten für das Objekt, das ist unseriös", sagt Eckhoff.
Sozialressort will Vertrag mit Hostel vorzeitig auflösen
Der Hamburger Eigentümer Neiro Property dagegen spricht von fairen Verhandlungen mit dem Senat. Die Miete sei gerechtfertigt. "Grundsätzlich errechnet sich der Mietpreis aus den Investitionskosten, berücksichtigt die Mietdauer und Konditionen des Werterhalts der Immobilie", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Zumindest im Fall des Townside Hostels scheint auch das Sozialressort Korrekturbedarf zu sehen. Das liegt offenbar daran, dass sich die Behörde bei der Kapazität der Immobilie verkalkuliert hat. Für die 60.000 Euro Miete im Monat sollten rund 80 Geflüchtete untergebracht werden. Nach Vertragsunterzeichnung hat sich allerdings gezeigt, dass der Platz noch nicht einmal für die Hälfte reicht. Die Behörde plant nun nach eigenen Angaben, den Mietvertrag vorzeitig zu beenden.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. Februar 2023, 19:30 Uhr