Wie diese Frau das Leben für Frauen und Arbeiter in Bremen verbesserte

Hanna Harder
Hanna Harder enagierte sich mit viel Herz für die Schwächsten der Bremer Gesellschaft. Bild: AWO Bremen

Die Politikerin Hanna Harder war Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, engagierte sich in den verschiedensten sozialen Bereichen – und gründete die Arbeiterwohlfahrt in Bremen.

"Erstmal bin ich meines Jungen Mutter – das ist eine ganze Masse", schreibt Hanna Harder während des Ersten Weltkrieges in einem Brief an ihren Sohn Paul. Er ist ihr einziges Kind und befindet sich an der Kriegsfront. In seinen Briefen von dort hat er sie zuvor gefragt, welche Ämter sie denn mittlerweile alle hat. Ihre Antwort: Jugendpflegerin, Leiterin der hauswirtschaftlichen Beratungsstelle, der Kriegs-Kochkurse, Vorstandsmitglied der Volksspeisung, Vorstandsmitglied im Bund für Mutterschutz und neuerdings auch – auf Bitten von Senator Hildebrand – im nationalen Hilfsdienst. Dann noch ein Dutzend nebensächlicher Posten. "Dazu wünschte ich, dass mein Tag 48 Stunden hätte oder dass ich endlich lernte, 'Nein' sagen zu können."

Hanna Harder

Ein Porträt von Hanna Harder zum Hören

Bild: AWO Bremen

Eine Frau, die sich kümmert

Hanna Harder, ausgebildete Lehrerin, ist eine Frau, die sich kümmert. Wenn es um die Not der Schwächsten in der Gesellschaft geht, kann sie nicht tatenlos zusehen. So setzt sie sich für Hausangestellte ein: Um 1900, als Hanna Anfang 30 ist, sind ein Fünftel aller Frauen im Deutschen Kaiserreich als Dienstmädchen angestellt. Das bedeutet fast immer, dass sie sehr hart arbeiten müssen. Und dabei abhängig sind von ihren Dienstherren, die sie oftmals nicht nur körperlich, sondern auch sexuell ausbeuten.

Hanna Harder stellt sich auf die Seite der Dienstmädchen, berät sie, und wird 1909 Vorsitzende der Gewerkschaft der Hausangestellten. Außerdem setzt sie sich für die Rechte von Müttern ein – insbesondere der alleinerziehenden.

Sie gründet die Arbeiterwohlfahrt in Bremen

"Sie ist dann auch in die SPD eingetreten", sagt Anke Wiebersiek, Pressesprecherin der AWO Bremen. 1919 gründet Marie Juchacz in Berlin den Hauptausschuss der Arbeiterwohlfahrt. Danach bilden sich überall im Land Ortsausschüsse. Hanna Harder gründet gemeinsam mit anderen engagierten Frauen die Arbeiterwohlfahrt in Bremen.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg herrscht im gesamten Deutschen Reich große Not – auch in Bremen. Das betrifft besonders die Arbeiterschicht: Es fehlt an Essen, Wohnraum und Kleidung. Dem wollen Hanna und ihre Mitstreiterinnen von der Arbeiterwohlfahrt vor allem eins entgegensetzen: Hilfe zur Selbsthilfe. In ihrem ersten Ortsausschuss-Bericht schreibt die Aktivistin: "Wir wollen Fürsorge treiben und den so oft üblichen Weg der nur augenblicklichen Hilfe meiden, durch den das Ehrgefühl der Menschen nur abgestumpft wird, die Selbständigkeit und das Verantwortlichkeitsgefühl verloren geht."

Engagiert mit großer Liebe

Darum richten sie zum Beispiel Nähstuben ein, die Hanna Harder leitet. Dort bringen sie anderen Frauen das Nähen für die Heimarbeit bei. Außerdem geben sie gebrauchte Kleider weiter. "Wie strahlen die Kinderaugen und wie stolz streicheln die mageren Kinderhändchen an einem neuen Kleide herunter, wenn wir es ihnen anprobieren, wieviel buchstäblich mit Lumpen bedeckte Leiber sehen wir dabei und der Wunsch, mehr helfen zu können, bleibt immer gleich groß", sagt Hanna Harder über diese Arbeit.

Sie war innerhalb der SPD so etwas wie eine frauenpolitische Sprecherin.

Anke Wiebersiek, Pressesprecherin der AWO Bremen, über Hanna Harders Rolle in der SPD

Die Bremerin engagiert sich "mit großer Liebe", wie sie selbst schreibt, auch in der Jugendfürsorge. Wo immer sie Not lindern kann, packt sie selbst mit an. Doch das allein reicht ihr nicht, sie will auch politisch etwas bewegen: 1919 wird sie Mitglied der Bremer Nationalversammlung, ab 1920 sitzt sie für die SPD in der Bürgerschaft. "In ihren Wortmeldungen ging es auch hauptsächlich um diese Themen – also Jugend, Kinder, Frauen, Mütter – und um die Rechte dieser Menschen. Sie war innerhalb der SPD wohl auch so etwas wie eine frauenpolitische Sprecherin", weiß Anke Wiebersiek.

Wichtig für die Bremer Frauenbewegung

1923 stirbt Hannas Mann Friedrich. Danach bleibt sie noch sieben weitere Jahre sozial und politisch aktiv, bis sie 1930 schließlich ihren Beruf und alle Ämter niederlegt. Offiziell aus gesundheitlichen Gründen – vermutlich aber auch, weil sie sich dem wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten entziehen will.

Nach vier Jahren im Ruhestand, inzwischen 66 Jahre alt, heiratet die engagierte Frau noch einmal. 1936 stirbt sie nach einem Schlaganfall und wird in Bremen-Huchting beerdigt. Bis heute ist Hanna Harder eine der wichtigsten Figuren der frühen Bremer Frauenbewegung.

Autorin

  • Kerstin Burlage
    Kerstin Burlage Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 11.März 2023, 13:40 Uhr