Interview

Wird Künstliche Intelligenz die Fotografie zerstören?

Wie Künstliche Intelligenz die Fotografie verändern wird

Bild: this-person-does-not-exist.com

Künstliche Intelligenz kann nicht nur Hausaufgaben und Bewerbungen schreiben. Auch Fotos kann sie erzeugen – täuschend echt. Ein Fotograf gibt Tipps, wie man sie trotzdem erkennt.

Ein Foto wie jedes andere: Eine junge Frau blickt in die Kamera, im Hintergrund sind verschwommen die Umrisse eines Baumes zu sehen. Und doch ist es kein gewöhnliches Foto – denn diese junge Frau, die so freundlich in die Kamera lächelt, gibt es gar nicht. Ebenso wenig den Baum hinter ihr. Eigentlich gibt es noch nicht einmal die Kamera, die das Bild aufgenommen hat. Denn es wurde nicht fotografiert, sondern ist aus Worten entstanden, die in die Eingabemaske einer Künstlichen Intelligenz, auch KI genannt, getippt wurden. So oder mit jedem anderen Motiv ist das heute möglich. Auch die Menschen oben gibt es alle nicht wirklich.

Damit solche Programme schriftliche Anweisungen zu einem Bild umsetzen können, wurden sie zuvor mit Millionen Fotos aus dem Internet gefüttert. So haben sie gelernt, bestimmte Muster zu erkennen – zum Beispiel, dass Menschen eine Nase haben, zwei Augen und einen Mund. Teilweise sind die Bilder nicht von echten Fotos zu unterscheiden. Und das gilt nicht nur für Bilder von Menschen. So weit die Fantasie der Menschen reicht, so zahlreich und unterschiedlich sind auch die erzeugten Bilder.

Wir haben mit dem Fotografen Andreas Herzau über die Chancen, aber auch die Gefahren dieser Technik gesprochen.

Herr Herzau, wenn man sich im Internet umschaut, liest man Schlagzeilen wie "KI wird die Fotografie zerstören". Was sagen Sie dazu – wird sie das wirklich?

Nein. Sie hat sie ja bislang auch nicht zerstört. Seit Jahren benutzen wir Künstliche Intelligenz in der Fotografie. Die Bilder, die jede und jeder macht mit seinem Smartphone sehen deshalb so gut aus, weil da eine Künstliche Intelligenz dahinter liegt, die diese Bilder sozusagen schön macht. Indem mit der Künstlichen Intelligenz festgestellt wird: Wo befindet sich der Mensch, der die Aufnahme macht? Und das helle, das da zu sehen, ist, ist das Schnee? Oder ist das Strand? Das wird im Zweifelsfall über GPS abgeglichen und die KI weiß, dass sie das Bild so oder so zu belichten hat.

Wir arbeiten also schon seit Jahren mit KI. Es stört nur bislang keinen.

Andreas Herzau, Fotograf

Jetzt, wo die Möglichkeit besteht, ein KI-generiertes Bild zu machen – also über Text-zu-Bild-Programme – ändert sich das. Aber auch da würde ich nicht sagen, dass die Fotografie dadurch "zerstört" wird. Es ist einfach eine Erweiterung. Auch des kreativen Felds und des Spielplatzes der künstlerischen Fotografie.

Spielt KI denn in einem bestimmten Bereich der Fotografie eine besonders große Rolle?

In der Stockfotografie, also bei Symbolbildern. Zum Beispiel: Wenn es um das Thema Urlaub geht, soll jemand zu sehen sein, der mit einer Sonnenbrille und Hut am Strand ist. Da gibt es bei der "echten" Fotografie immer das Problem, dass die Persönlichkeitsrechte geklärt sein müssen von den Personen, die zu sehen sind. Wenn ich die Bilder aber künstlich generiere, gibt es ja keine Rechteinhaber mehr auf den Bildern. Insofern werden diese Bilder einfacher in der Herstellung – und natürlich auch günstiger.

Wenn Fotos erzeugt werden, indem jemand eine Beschreibung an eine KI gibt, die daraus dann ein Bild erzeugt. Ist das denn dann noch Fotografie?

Das Ergebnis ist von der Oberfläche her, von der Anmutung her eine Fotografie. Nur, die Herstellung ist natürlich eine andere. Wie genau das diskutiert wird, wird sich noch herausstellen. Aber früher, als man noch analog fotografiert hat und dann die digitale Fotografie aufkam, hat man diese Frage auch nicht gestellt. Dabei nutzen auch diese Kameras Künstliche Intelligenz. Sie können zum Beispiel bei einer Weitwinkel-Aufnahme mit dem Bildbearbeitungsprogramm eine Linsenkorrektur vornehmen, sodass das Bild nicht mehr beult. Und das wird ganz selbstverständlich gemacht, und das hinterfragt auch keiner.

Eine andere Sache ist das bei der Dokumentarfotografie oder auch dem Foto-Journalismus. Da gilt es natürlich, eine sehr klare Abgrenzung zur KI-generierten Fotografie zu definieren.

Andreas Herzau, Fotograf

Mittlerweile gibt es auch viele Diskussionen und Gerichtsverfahren, was das Copyright angeht. Denn diese Bilder, die da generiert werden, haben ja sozusagen Millionen von Bildern intus, mit denen sie gelernt haben, wie Bilder konstruiert sind.

Ja, von der Copyright-Diskussion hört man immer wieder. Einerseits, weil Künstler nicht wollen, dass ihre Bilder im Lernprozess der KI für neue Bilder genutzt werden. Aber auch die Frage, wer dann am Ende die Rechte an dem neu erzeugten Bild hat.

Interessanterweise gibt es jetzt ein Gerichtsurteil in den USA, das sagt, dass nur ein Mensch ein Copyright auf Kunst haben kann. Keine Maschine. Wenn ich als Künstler Fotos generiere, dann liegt das Copyright bei mir. Das finde ich interessant, dass der Mensch nach wie vor nicht durch die Maschine ersetzt wird.

Eine mittelalte Frau blickt in die Kamera, bei genauerem Hinsehen lässt sich erkennen, dass die Zähne nicht echt aussehen.
Dieses Bild wurde, wie die Bilder oben im Artikel auch, von einer KI erzeugt. Das lässt sich hier an den Zähnen erkennen. Bild: this-person-does-not-exist.com

Ein Problem ist also die Rechte-Frage, die geklärt werden muss. Heutzutage sind aber natürlich auch Fake News und gefälschte Bilder ein Thema. Wenn jetzt also ein neues Bild erzeugt wurde: Wie kann ich erkennen, ob es von einer KI stammt oder nicht?

Man muss genau hingucken. Die Maschine weiß zum Beispiel nicht, wie ein menschliches Gesicht aussieht. Die hat einfach nur gelernt: Wenn etwas so und so angeordnet ist, ist das ein Porträt. Folglich müssen da Zähne im Mund sein und so weiter. Und wenn man sich die Bilder, die heutzutage generiert werden, anschaut, erkennt man oft an den Zähnen oder dem Zahnfleisch, dass das nicht echt ist. Weil die Maschine nicht ganz genau weiß, wie die Zähne auszusehen haben.

Außerdem gibt es ein paar weitere Merkmale wie zum Beispiel den Hintergrund. Der ist manchmal nicht so ganz plausibel. Da ist zum Beispiel ein Fleck oder etwas, von dem man nicht so genau weiß, warum es da ist. Etwas, worüber man stolpert und ein Fragezeichen bekommt.

Andreas Herzau, Fotograf

Und was zum Beispiel den Journalismus betrifft gibt es auch die Bildverifikation. Das machen nicht alle Medien, weil das teuer ist. Aber wenn bei großen Zeitschriften diese Fragezeichen aufploppen, dann gibt es sogenannte Bildforensiker und -forensikerinnen. Die schauen nach, wie dieses Bild entstanden ist. Oder ob es so stark verändert wurde, dass es nicht mehr authentisch ist.

Würden Sie denn dann sagen, dass es sinnvoll wäre, irgendwann zum Beispiel vorzuschreiben, dass künstlich erzeugte Bilder gekennzeichnet werden müssen?

Solange es sich um Kunst handelt, muss das meiner Meinung nach nicht unbedingt dabeistehen. Denn es ist ja kein dokumentarisches Bild. Es ist schlichtweg erfunden. In dem Moment, in dem es ein Bild ist, das die Anmutung eines dokumentarischen Bildes hat, muss es natürlich dabeistehen. Im Journalismus verbietet sich das grundsätzlich, würde ich sagen. (Ki-generierte Bilder einzusetzen Anm.d.Red.)

Wenn Sie auf die Entwicklung der KI in der Fotografie gucken – macht Ihnen das persönlich Sorgen für ihre Arbeit?

Nein, gar nicht. Ich möchte nicht ausschließen, dass ich das nicht auch irgendwann für irgendwas benutzen werde. Es wäre auch vollkommen falsch, eine Technik per se zu verteufeln. Die Frage ist immer, ob man damit Böses im Schilde führt oder nicht.

Wenn Sie zum Abschluss einmal in die Zukunft schauen: Wie stellen Sie sich Ihre Arbeit als Fotograf in zehn Jahren vor?

Nicht so viel anders als heute. Vielleicht mit der ein oder anderen Erweiterung. Ich bin ja Dokumentarfotograf. Die Realität ist für mich immer der Ausgangspunkt meiner Bilder, auch, wenn ich sie manchmal bearbeite. Das wird sich bei mir nie grundsätzlich verändern. Die Technik wird sich verändern. Vor 20 Jahren habe ich auch noch analog fotografiert. Und heute fotografiere ich digital oder sogar professionell mit dem Telefon. Vielleicht werde ich demnächst mit dem Fahrassistenten meines Autos Fotos machen. Ich denke einfach, die Spielwiese wird erweitert.

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Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. März 2023, 19:30 Uhr