Landkreistag zum Thema Migration: Wie ist die Lage im Kreis Cuxhaven?
Kommunen beklagen mit Flüchtlingen überfordert zu sein, der Landkreistag tagt zum Thema. Beispiele aus dem Kreis Cuxhaven zeigen Anspannung und Unsicherheiten.
Wie sieht der richtige Kurs aus beim Thema Flüchtlinge, sind die Kommunen schon heillos überfordert? Der Deutsche Landkreistag jedenfalls fordert eine grundlegende Wende beim Thema Migration. Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Kommunen sei erschöpft, heißt es in einem Positionspapier für die Jahrestagung des Verbands, der in Bayern stattfindet. Die strikte Begrenzung der irregulären Migration sei dringend erforderlich. Ein Blick auf die Lage im Landkreis Cuxhaven, einem der flächenmäßig größten Landkreise Deutschlands.
Das Team des Jugendmigrationsdienstes in Cuxhaven vom Paritätischen hilft jungen Flüchtlingen bei der Integration. In einem Dokumentationsfilm des Regisseurs Hermann Böhm für eine örtliche Flüchtlingsinitiative geht es unter anderem darum, mit welchen Angeboten die Stadt versucht, den geflüchteten Menschen zu helfen. So gibt es zum Beispiel Sprach- und Computerkurse – und auch Tanz für Kinder, etwa aus der Ukraine. Wie gut ihnen das tut, erzählt die Trainerin: "Sie sind eine Stunde hier, in der Zeit vergessen sie alles, haben einfach Spaß."
Flüchtlingshelfer nimmt Stimmungswechsel wahr
In jeder Gemeinde im Landkreis Cuxhaven – eines der größten Kreisgebiete in Deutschland – gibt es solche oder ähnliche Angebote für die Flüchtlinge. Viel wird durch ehrenamtliche Arbeit aufgefangen. Aber viele Helferinnen und Helfer kommen an ihre Grenzen, weiß Arwed Bohnacker-Wittenberg, der mehrere Jahre für die Flüchtlingsinitiative Refugium in der Samtgemeinde Beverstedt mitverantworlich war. Bei einigen sei das Engagement geringer geworden. Aus seiner Arbeit weiß er, dass viele Mitglieder langfristig Menschen betreuen. Bekannte würden beispielweise seit 2015 eine eritrerische Familie durchs Leben begleiten und seien damit sehr ausgelastet. Er stellt fest, dass sich die Diskussionsrichtung insgesamt verändert hat.
Vor acht, neun Jahren haben wir eher eine Ausweitung der Flüchtlingshilfe gefordert und lange für einen hauptamtlichen Flüchtlingsbeauftragten in Beverstedt gekämpft. Aber im Moment sind das Themen, die nicht mehr so thematisiert werden, von der Grundstimmung her. Viele sagen, es muss Aufnahmekontingente geben, Deutschland nimmt sowieso schon so viele auf und so weiter.
Arwed Bohnacker-Wittenberg, Flüchtlingshelfer
Pläne für Erstaufnahmeeinrichtung verworfen
Im Vergleich zu den Städten sei die unmittelbare Betroffenheit der Bevölkerung auf dem Land noch eher gering. "Ich glaube schon, dass bei vielen diffuse Ängste da sind, Bedrohungsängste", meint Bohnacker-Wittenberg. Häufig sei es so, dass sich die Haltung der Menschen verändere, wenn sie persönlich Kontakt zu Flüchtlingen hätten und sie kennenlernten, ist seine Erfahrung. Für die Gemeinde werde es aber immer schwieriger, die Angebote aufrechtzuerhalten. "Die Strukturen, das Personal, das Geld und so weiter, das wird natürlich alles knapper bei den Kommunen und das merkt man dann schon auch."
Das Land Niedersachsen hatte ursprünglich eine neue Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 1.000 Menschen in einer ehemaligen Kaserne in Cuxhaven-Altenwalde geplant. Nach Protesten aus der Bevölkerung und einem Brandschlag in der Kaserne wurden die Pläne erstmal wieder verworfen. Die meisten Flüchtlinge im Landkreis Cuxhaven sind derzeit in von den Behörden angemieteten Wohnungen untergebracht.
"Noch können wir die Aufgaben erfüllen"
Aus Sicht des Deutschen Landkreistags fehlt es an einem Gesamtkonzept für eine grundsätzlich andere Migrationspolitik. Die Kommunen drängen demnach auch darauf, dass zusätzliche Kapazitäten für Abschiebehaft geschaffen werden und Asylanträge bei ungeklärter Identität abgelehnt werden können. Von einem Kraftakt spricht auch die Stadt Geestland, eine der größeren Kommunen im Landkreis Cuxhaven. Merlin Hinkelmann ist Sprecher der Stadt, die Flüchtlingslage sei nach wie vor angespannt, sagt er.
Es bindet bei uns in der Stadtverwaltung erhebliche Ressourcen, personelle und finanzielle. Das betrifft unsere Integrationslotsen, aber auch die Kolleginnen und Kollegen, die sich um die Unterbringung der Flüchtlinge kümmern. Die sind mit vollem Einsatz dabei, ohne deren Engagement könnten wir das nicht stemmen. Noch gibt es genügend Wohnraum in Geestland, noch können wir die Aufgaben erfüllen. Aber wir stehen zweifellos vor Herausforderungen und wir wissen nicht, wie sich die Lage entwickelt. Die Aufnahme und die Integration der Geflüchteten bleibt ein Kraftakt. Das ist bekanntlich nicht nur in Geestland so, sondern in vielen Kommunen.
Merlin Hinkelmann, Sprecher der Stadt Geestland
Auch deshalb steht das Thema nun auf der Agenda beim jährlichen Treffen des Deutschen Landkreistages.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 9. September 2024, 7:10 Uhr