Interview

Hier erklärt GDL-Chef Weselsky die Gründe für den Bahn-Streik

Claus Weselsky schaut in die Kamera.

GDL-Chef zum Bahnstreik: Bahn bietet "Schlechtleistung" seit 2 Jahren

Bild: dpa | Carsten Koall

Die Lokführergewerkschaft bereitet vielen Reisenden mal wieder Ärger. Auf Bremen Zwei hat Claus Weselsky erklärt, warum und auf wen die Mitarbeiter der Bahn sauer sind.

Noch bis heute Abend sorgt der Arbeitskampf zwischen der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) und der Deutschen Bahn im Zugverkehr für Probleme. Die Lokführer sind in den Streik getreten – kurz vor dem für heute vereinbarten Verhandlungstermin. Die Antwort der Bahn auf den Streik kam prompt: Sie hat die Tarifgespräche abgesagt.

Warum die Gewerkschaft ausgerechnet jetzt zum Streik aufruft, erklärt der Chef der GDL, Claus Weselsky, im Interview mit Bremen Zwei. Dabei macht er auch seinem Ärger Luft.

Die Bahn hat die zweite Verhandlungsrunde wegen des Warnstreiks abgesagt – das heißt Stillstand bei den Verhandlungen. Haben Sie das beabsichtigt?

Nun, es scheint so, als ob man Herrn Seiler (Anmd. d. Red.: Martin Seiler, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bahn) zum Jagen tragen muss. Nachdem Herr Seiler am Anfang eine Schlichtung wollte und gar nicht erst verhandeln, dann wollte er im Monatsrhytmus verhandeln. Jetzt haben wir am 9. November mit dem ersten und einzigen Verhandlungstermin dazu gebracht, einen Fahrplan zu vereinbaren – nämlich jede Woche zu verhandeln, um bis Weihnachten in vier Verhandlungen die Möglichkeiten auszuloten und verhandlungsfähige Kompromisse zu finden.

Jetzt erleben wir am 9. November beim Angebot der Bahn die klare Aussage, wir verhandeln mit Ihnen nicht über eine Absenkung der Wochenarbeitszeit und Tarifverträge für Fahrdienstleiter. Herr Seiler verweigert uns grundgesetzlich geschützte Rechte und wenn das der Ausgangspunkt ist, dann ist die Ansage: Die Gewerkschaft muss den Druck erhöhen. Und das haben wir getan.

Und jetzt kommts: Herr Seiler geht in den Streik und lehnt die Verhandlungen ab, obwohl auf allen Tariftischen Warnstreiks während der Verhandlungsphase völlig normal sind – für Herrn Seiler nicht.

Aber weshalb heute streiken, anstatt morgen erst einmal zu reden?

Wir sind heute bereit zu reden, wir sind am Verhandlungsort. Die Arbeitgeberseite hat die Verhandlungen abgesagt – mit der kruden Begründung, dass sie, weil wir streiken, nicht weiter verhandeln wollen. Herr Seiler zieht den Zeitstrahl, den wir hatten, immer enger. Er geht immer näher an Weihnachten ran. Es ist ein Schwarzes-Peter-Spiel, dass er aber nicht gewinnen kann, weil er gegen seine eigenen Beschäftigten antritt. Die zeigen ihm im Moment, was sie von dem Management halten, dass sich im Frühjahr 14 Prozent Grundgehalt erhöht und den anderen erklärt: Es reicht nicht.

Die Bahn hat zuletzt elf Prozent mehr Lohn und eine Inflationsprämie von maximal ungefähr 2.850 Euro angeboten. Weshalb reicht Ihnen das nicht?

Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, dass wir fünf Kernforderungen haben. Eine davon ist die Absenkung der Wochenarbeitszeit und die Arbeitgeberseite lehnt ab, über diesen Punkt überhaupt zu verhandeln. Da sind wir plötzlich schon am Ende von Verhandlungen – wenn das Gegenüber ablehnt über so einen Sachverhalt überhaupt zu verhandeln, dann geht es nicht um die Frage "wie" und wo man einen Kompromiss finden kann, sondern um das "ob". Und deshalb sind die Kolleginnen und Kollegen im Arbeitskampf.

Wenn Sie 18 Prozent mehr Lohn fordern, wird das Bahnfahren massiv teurer – und das bei einem Unternehmen, dem Milliarden für zum Beispiel die Modernisierung der Strecken fehlen. Ist Ihnen das egal?

Nein, das ist uns überhaupt nicht egal. Es ist uns aber auch nicht egal, dass die Bahn seit zwei Jahren eine Schlechtleistung bietet, die ihresgleichen sucht: unpünktlich, unzuverlässig. Alle Mails, die ich bekomme beginnen mit dem Satz "Täglich müssen wir das Chaos ertragen, dass die Eisenbahn hier erzeugt. Wir haben keine sicheren Zugverbindungen mehr und jetzt kommen Sie auch noch mit einem Streik."

Unsere Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sind es leid, sich den Hintern aufzureißen, um die Eisenbahn am Laufen zu halten, und zuzuschauen, wie das Management trotzdem nichts gebacken bekommt – das ist doch die Realität. Die Frage, ob Gelder in die Strecke fließen, sind nicht damit verknüpft, ob die Wochenarbeitszeit verkürzt wird. Wir sehen das als einzige Chance für die Zukunft, neue Eisenbahnerinnen und Eisenbahner zu werben und davon zu überzeugen, dass das Schichtsystem besser ist als sie annehmen.

Das Interview führte Tom Grote für Bremen Zwei, Patricia Averesch hat es für butenunbinnen.de aufbereitet.

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Bild: Radio Bremen | Torsten Harms

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 16. November 2023, 7:36 Uhr