Interview
Bremer Unternehmer: "Würde Bovenschulte 2.500 Euro für Azubi geben"
Ein Bremer Unternehmer kritisiert den Ausbildungsfonds, den der Senat plant: Er brauche keine staatliche Unterstützung, sondern qualifizierte Bewerber.
Demonstrationen auf dem Bremer Marktplatz und eine Petition mit mehr als 2.000 Unterzeichnern: Die Unternehmer in Bremen machen ihrem Ärger über den Plan des Senats, einen Ausbildungsfonds einzuführen, Luft. Denn in den Fonds sollen fast alle Unternehmen im Land einzahlen. Nur wer dann Auszubildende einstellt, bekommt bis zu 2.500 Euro pro Azubi und Jahr ausgezahlt. So will der Senat mehr junge Menschen in Bremen in eine Ausbildung bringen.
Doch wie erlebt ein Unternehmer die Suche nach Auszubildenden wirklich? Und was sagt er zu den Plänen des Senats? Im Interview mit buten un binnen schildert Kai Schulz seine Erfahrungen. Er ist Geschäftsführer eines Bremer Sanitär- und Heizungsunternehmens.
Herr Schulz, wie sieht es in Ihrem Betrieb denn aktuell mit Auszubildenden aus?
Letztes Jahr haben wir drei Auszubildende eingestellt. Davor die Jahre haben wir keine Auszubildenden bekommen. Und auch für den Ausbildungsstart 2023 haben wir trotz zum Beispiel Betriebspraktika, die wir anbieten, und anderem Engagement noch keinen in Aussicht. Dabei brauchen wir normalerweise zwei neue Auszubildende pro Jahr, um im Schnitt immer so fünf bis sechs Auszubildende im Betrieb zu haben. Da komme ich aber nicht hin.
Warum sind Auszubildende denn so wichtig?
Es geht einfach darum: Ich brauche natürlich auch die angehenden Fachkräfte. Und nicht jeder, der die Prüfung besteht, bleibt bei uns. Oder wir sagen: 'Nicht jeden wollen wir übernehmen.' Das ist, warum wir sagen: 'Wir brauchen zwei pro Jahr, damit wir die Chance haben, einen zu behalten.'
Und wir bilden gerne aus. Alleine schon aus Eigeninteresse. Weil wir morgen unseren Betrieb auch aufrecht erhalten wollen. Und natürlich auch irgendwann diesen Betrieb an jemanden übergeben möchten.
Wie erleben Sie die Situation auf dem Ausbildungsmarkt, die Suche nach Auszubildenden?
Also es ist so: Wir haben Bewerber. Aber ich kann Bewerber nicht einstellen, wenn die in mehreren Fächern Zeugnisnoten von Vier und schlechter haben. Das ist unsere persönliche Erfahrung: Die kommen nachher in der Berufsschule nicht mit. Und bei manchen Bewerbern kommen auch noch Sprachprobleme dazu. Und da habe ich das Problem: Wenn ich einen Mitarbeiter habe, bin ich für diesen Mitarbeiter verantwortlich.
Wenn ich eine Sicherheitsunterweisung gebe, ich sag jetzt mal auf der Baustelle: Pass auf, da ist eine Lücke. Oder da liegt ein Brett, wo ein Nagel rausguckt. Oder hier darfst du nicht bohren. Und der versteht mich nicht, und dann passiert dem was.
Kai Schulz, Geschäftsführer eines Ausbildungsbetriebs für Sanitär und Heizung
Dann ist die Berufsgenossenschaft sofort bei mir und sagt: 'Herr Schulz, das hätten Sie wissen müssen. Sie haben ja gemerkt, dass er sie gar nicht verstanden hat.' Und im Laufe der Ausbildung kommen wir natürlich auch mit deutschen Fachausdrücken.
Wir haben dann gesagt: Ok, wir versuchen das mal. Weil die jungen Bewerber einfach menschlich gut passen, weil sie nette Typen waren. Weil sie in die Augen gucken konnten, 'Guten Tag' sagen konnten, pünktlich da waren. Aber: Das bringt nachher nichts. Die Erfahrung hat gezeigt: Die Schule hat nachher Schwierigkeiten, sie vernünftig zu beschulen. Und wir haben Probleme, denen während der Ausbildung praktisch was beizubringen.
Die Idee des Ausbildungsfonds ist es ja unter anderem, dass daraus auch neben der Ausbildung die Auszubildenden unterstützt und gefördert werden, die vielleicht nicht die perfekten Qualifikationen mitbringen. Das Konzept finden Sie also nicht gut?
Ausbildungsreife heißt: Er muss vor der Ausbildung ausbildungsreif sein. Er muss den schulischen Stand haben und den persönlichen Stand haben, um die Ausbildung zu beginnen. Das kann ich nicht nachher machen. Da fängt die Ausbildung ja schon an. Wenn er das während der Ausbildung macht, dann verpasst er schon die ersten Ausbildungssachen, weil er sich erstmal damit beschäftigen muss, das aufzuholen.
Das habe ich Herrn Bovenschulte gesagt: Herr Bovenschulte, was soll ich mit 2.500 Euro? Ich gebe ihnen 2.500 Euro, wenn Sie mir einen ausbildungsreifen Bewerber vor die Tür stellen.
Kai Schulz, Geschäftsführer eines Ausbildungsbetriebs für Sanitär und Heizung
Was bringt mir dieses Geld? Ich habe einen nicht ausbildungsreifen Bewerber, wie soll ich es da schaffen, den mit egal welchem Betrag während der Ausbildung ausbildungsreif zu machen? Das Wort widerspricht sich schon.
Also ist das Problem Ihrer Meinung nach die schlechte Schulbildung?
Ja. Ich finde das überhaupt nicht in Ordnung: Die jungen Menschen haben einen Anspruch darauf, dass sie vernünftig ausgebildet werden. Dass sie eine vernünftige Schulbildung kriegen, egal, von welchem Elternhaus sie kommen. Und das wird in Bremen nicht gemacht.
Auch Migranten, die hierherkommen und hier ihren Lebensmittelpunkt haben und haben möchten, werden nicht gut beschult. Das ist einfach die Erfahrung, die wir jeden Tag haben. Die haben ein oder zwei Mal die Woche eine Stunde oder zwei Stunden Deutsch die Woche. Und mehr nicht.
Was wäre denn Ihre Idee, um die Situation zu verbessern?
Meiner Meinung nach müsste früher mit der Berufsinformation an Schulen begonnen werden. Und wenn ich feststelle: Da sind junge Menschen, die haben Defizite, dann muss ich ein Berufsgrundschuljahr machen, wo ich sage: Ich kann das, was denen an schulischen Fertigkeiten und Kenntnissen fehlt, nachschulen. Um sie eben in diesem einen Jahr noch mal an die Hand zu nehmen und zu sagen: 'Mensch, Peter, Tom oder Abdul, euch fehlt das, das müssen wir bei dir nachschulen. Damit du in eine Ausbildung starten kannst.'
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. Februar 2023, 19:30 Uhr