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Darum geht es beim Streit um die Bremer Ausbildungsabgabe

"Ärgerlicher Vorgang": Viel Kritik am neuen Bremer Ausbildungsfonds

Bild: dpa | Zoonar/Robert Kneschke

Um die 40 Unternehmer wollen vor der Bürgerschaft gegen den vom Senat beschlossenen Ausbildungsfonds demonstrieren. Worum es in dem Streit geht.

Um etwas gegen die unbesetzten Lehrstellen in Bremen zu tun, hat der Senat beschlossen, einen Ausbildungsfonds einzurichten. Bremer Unternehmen sollen in den Fonds einzahlen. Nur wer ausbildet, bekommt aus dem Topf eine Prämie ausgezahlt. Unternehmer und Unternehmerinnen in Bremen kritisieren das geplante Gesetz scharf und wollen ihren Unmut dem Senat zeigen. Am Mittwoch beschäftigt sich die Bürgerschaft nämlich mit dem Gesetzentwurf.

Am Morgen hat eine Protestaktion auf dem Bremer Marktplatz stattgefunden, organisiert vom Juniorenkreis der Handelskammer Bremen. Außerdem haben Unternehmerverbände und Kammern aus dem Land sich zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen und in den vergangenen Tagen eine Petition gestartet, die inzwischen mehr als 2.600 Menschen unterzeichnet haben. Doch worum geht es bei dem Streit?

Was genau ist der Ausbildungsfonds und wofür soll er gut sein?

Der Senat sucht nach einem Weg, mehr Menschen im Land Bremen in eine Ausbildung zu bringen. Denn im Land gebe es viele junge Menschen ohne Berufsqualifikation, gleichzeitig aber einen Fachkräftemangel. Darum wurde Ende Januar ein "landesweiter Ausbildungsunterstützungsfonds" beschlossen. In ihn einzahlen sollen bis auf wenige Ausnahmen alle Unternehmen in Bremen und Bremerhaven – und zwar zunächst einmal unabhängig davon, ob sie ausbilden oder nicht.

Wer dann einen oder mehrere Auszubildende beschäftigt, kann bis zu 2.500 Euro pro Auszubildendem und Jahr ausgezahlt bekommen. Außerdem soll es durch den Fonds auch weitere unterstützende Maßnahmen für Auszubildende und Unternehmen geben.

Das Aktionsbündnis besteht aus mehr als 20 Verbänden und Kammern, dabei sind auch die Handels- und die Handwerkskammer. Was kritisieren die Unternehmer?

Die Unternehmer meinen, dass das Problem nicht darin liegt, dass es zu wenige Ausbildungsstellen gibt. Stattdessen seien viele der Bewerber und Bewerberinnen nicht geeignet für eine Ausbildung – ihr Bildungsniveau sei zu niedrig. Sie sehen das Problem in der Bildungspolitik und fordern, die schulische Bildung in Bremen zu verbessern.

Es gibt bereits zahlreiche Maßnahmen, Institutionen und privatwirtschaftlich organisierte Initiativen, um die Ausbildungsfähigkeit und -bereitschaft von Jugendlichen massiv zu fördern.

Stefan Offenhäuser von der Handelskammer Bremen ist im Porträt zu sehen.
Stefan Offenhäuser, Pressesprecher der Handelskammer Bremen

Außerdem kritisieren sie, dass alle Unternehmen in den Fonds einzahlen sollen. Das würde vor allem kleine und mittelständische Unternehmen belasten. Viele suchten bereits nach Auszubildenden, fänden aber keine. Da sei eine solche Abgabe eine weitere Belastung. Auch würde es durch die neue Regelung nach Ansicht der Handelskammer noch mehr Bürokratie geben.

Man prüfe derzeit, ob gegen das Gesetz geklagt werden kann, erklärt der Sprecher der Handelskammer Bremen, Stefan Offenhäuser. Der Bremer Staatsrat im Wirtschaftsressort, Kai Stührenberg, sagte kurz nach der Entscheidung des Senats im Interview mit buten un binnen, man habe das Gesetz bereits juristisch geprüft.

Was müssen die Unternehmen für die Abgabe zahlen?

Das unterscheidet sich von Betrieb zu Betrieb. Die Höhe der Abgabe soll von der sogenannten Arbeitnehmerbruttolohnsumme abhängen. Das ist der Gesamtbetrag, den der Arbeitgeber an seine Beschäftigten zahlt. Multipliziert wird die Summe dann mit dem maximalen Umlagesatz von 0,3 Prozent.

Ein Unternehmen mit einer Arbeitnehmerbruttolohnsumme von einer Million Euro zahlt demnach pro Jahr 3.000 Euro in den Fonds ein. Ein Betrieb mit einem Gesamtbetrag von 500.000 Euro muss 1.500 Euro einzahlen.

Gibt es auch Befürworter – neben dem Senat?

Ja, die Arbeitnehmerkammer sieht den Fonds als richtigen Schritt. Ihrer Ansicht nach gibt es gerade in Bremen viele Menschen, die an einer Ausbildung interessiert sind, aber immer weniger Ausbildungsplätze. "Die Idee des Fonds sorgt für Gerechtigkeit auf dem Ausbildungsmarkt und schafft Anreize für Betriebe", sagt der Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer, Peer Rosenthal. "Wer ausbildet, bekommt einen Teil seiner Kosten erstattet, wer nicht ausbildet, beteiligt sich durch seine Abgabe finanziell an der Ausbildungsleistung der anderen."
Auch der DGB Bremen ist für den Ausbildungsfonds. Ernesto Harder, Landesleitung und Vorsitzender des DGB in Bremen hält die Entscheidung für einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Das setze bundesweit Trends für die Ausbildung der Zukunft.

Wie viele Unternehmen wären von der Regelung betroffen?

Das Bremer Wirtschaftsressort rechnet mit Zahlen vom 30. Juni 2021. 14.510 der Unternehmen würden demnach unter die neue Regelung fallen, die anderen sind bereits in ähnliche Fonds eingebunden, sagte eine Ressortsprecherin. Wie viele Unternehmen sich am Ende von der Abgabe befreien lassen, weil sie weniger als vier sozialversicherungspflichtige Angestellte haben, sei zudem noch völlig offen. Genauso, wie viele vom Fonds profitieren, da sie ausbilden. "Einige würden am Ende mehr bekommen, als sie einzahlen", sagte die Sprecherin.

Wie ist denn die Situation auf dem Bremer Ausbildungsmarkt?

Im November hat die Agentur für Arbeit für das Land Bremen dazu die letzten Zahlen veröffentlicht. Damals waren mehr als 630 Ausbildungsplätze in Bremen und Bremerhaven unbesetzt – mehr als je zuvor. Insgesamt wurden für das aktuelle Ausbildungsjahr rund 6.300 Lehrstellen angeboten, so die Arbeitsagentur.

Gleichzeitig habe es weniger Jugendliche als im Vorjahr gegeben, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch keinen Ausbildungsplatz hatten. Waren im Herbst 2021 noch knapp 400 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz, waren es 2022 nur noch 317.

Sind die Bewerber und Bewerberinnen denn wirklich schlechter als früher?

Das könne man nicht so einfach sagen, meint Jörg Nowag von der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven, die junge Menschen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützt. Schließlich ließe sich das nicht messen. Allerdings sehe man, dass die Fertigkeiten der jungen Menschen sich mit den Generationen verändert haben. Zudem seien einige Berufe in den letzten Jahren anspruchsvoller geworden, da neue Techniken und Inhalte dazugekommen sind.

Außerdem hätten die Jugendlichen heutzutage mehr Auswahl als früher. "Da können sie es sich vielleicht leisten, etwas wählerischer zu sein", gibt Nowag zu bedenken. Zudem seien Jugendliche oft auf bestimmte Berufe fixiert. So wollten viele junge Männer eine Ausbildung als KFZ-Mechatroniker machen und junge Frauen gerne in soziale Berufe gehen. In anderen, weniger beliebten Bereichen hingegen fehlten dann Bewerber und Bewerberinnen, zum Beispiel bei Handwerksberufen im Nahrungsmittelbereich.

"Geht um Unterstützung": Staatsrat verteidigt Bremer Ausbildungsfonds

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 31. Januar 2023, 19:30 Uhr