Interview
Senatorin: "Für jedes Kind ein Kitaplatz – das ist meine Aufgabe"
Zu Beginn des Kindergartenjahres fehlen in Bremen 1.330 Kita- und Krippenplätze – genau wie vergangenes Jahr. Senatorin Sascha Aulepp erklärt, was sie dagegen unternehmen will.
Sascha Aulepp (SPD), Bremens Senatorin für Kinder und Bildung, spricht von einer "angespannten Lage" zum Auftakt des Kindergartenjahres 2023/24: Den Zahlen ihrer Behörde zufolge gibt es derzeit in der Stadt Bremen 793 Krippen-Kinder ohne Krippen-Platz sowie 537 Kita-Kinder (Über-Drei-Jährige) ohne Kita-Platz. Das ergibt in der Summe 1.330 unversorgte Kinder.
Dabei könnte die Stadt Bremen, ginge es allein um die Räume, den Eltern dieses Jahr erstmals, zumindest rein rechnerisch und über die ganze Stadt verteilt, ausreichend viele Krippen- und Kita-Plätze anbieten. Doch es fehlt an Personal. Wir haben mit Sascha Aulepp über die Situation in den Kitas gesprochen.
Frau Aulepp, Sie sagen, dass der Ausbau von Kindertageseinrichtungen Priorität habe. Jedes Kind soll einen Kita-Platz bekommen. Bis wann wollen Sie dieses Ziel wie erreichen?
Wir müssen allen Kindern die Möglichkeit geben, vor der Schule eine frühkindliche Bildungseinrichtung zu besuchen. Ein entsprechendes Angebot wollen und müssen wir den Kindern machen, weil es für ihre Entwicklung ganz entscheidend ist. Das wollen wir so schnell wie möglich. Deswegen bauen wir mit Hochdruck an Kitas.
Wir brauchen aber auch die Fachkräfte, die in diesen Einrichtungen mit den Kindern arbeiten, spielen und lernen. Die müssen wir ausbilden. Die grundständige Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern dauert viele Jahre. Deswegen müssen wir kurzfristig auch auf anderes Personal setzen, um allen Kindern ein Angebot machen zu können. Das ist das Ziel dieser Legislaturperiode.
Was für Arbeitskräfte meinen Sie mit "anderes Personal"?
Wir haben Wege in Beschäftigung in Kitas eröffnet, zum Beispiel für spanische Fachkräfte. Wir haben ein Qualifikationsangebot neu aufgelegt für Menschen, die einen ausländischen pädagogischen Berufsabschluss haben, der aber hier nicht anerkennungsfähig ist, sich zu qualifizieren für die Gruppenleitung. Wir haben die Kindertagespfleger-Offensive gestartet, um Menschen für die Kindertagespflege zu qualifizieren. Wir ermöglichen diesen Menschen auch, in unseren Kindertagespflege-Einrichtungen zu arbeiten. Aber zur Entlastung und Unterstützung unseres Fachpersonals brauchen wir auch Menschen, die keinen pädagogischen Berufsabschluss haben, die als Entlastungskräfte oder Kita-Assistenzen in den Einrichtungen arbeiten.
Sie haben bereits angesprochen, dass es nicht nur an Kita-Personal mangelt, sondern auch an Räumen. Welches dieser beiden Probleme ist das größere in Bremen?
Es ist immer gut, wenn es an nichts scheitert. Jetzt müssen wir, obwohl wir Räume haben, für die wir aber noch kein Fachpersonal haben, weitere Räume schaffen, um nicht am Ende dazustehen und zu sagen: Wir haben zwar das Fachpersonal, aber nicht die Räume. Beides muss mit Nachdruck verfolgt werden.
Es fallen deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Stadtteilen ins Auge. So stehen in Blumenthal, Huchting, und der Vahr verhältnismäßig mehr Kinder ohne Kita-Platz da als in Borgfeld oder in Schwachhausen. Woran liegt das?
In manchen Stadtteilen war die Nachfrage der Eltern über Jahre größer. Wir erleben gerade in Stadtteilen wie Gröpelingen oder in Blumenthal, dass die Nachfrage nach Kitaplätzen mit den neuen Angeboten wächst. Wir erreichen jetzt mehr Eltern auch in Gröpelingen und Blumenthal. Das ist gut, aber das erhöht eben auch den Druck.
Das heißt: Bremens Politik hat früher falsch geplant…
Dass wir zunächst die Kitas dort gebaut haben, wo die Eltern sie auch in Anspruch nehmen wollen, ist doch selbstverständlich. Heute haben wir den Anspruch, dass jedes Kind vor der Schule möglichst schon in einer Kita gewesen ist. Kitas werden zu Recht auch als frühkindliche Bildungseinrichtungen gesehen. Wenn man von dem Kind aus denkt, brauchen wir gerade dort besonders viele Plätze, wo die Förderbedarfe groß sind. Das sind oft nicht die Stadtteile, wo die Eltern von sich aus stark nachgefragt haben. Die Politik hat vor einigen Jahren angefangen, umzusteuern. Das dauert aber auch seine Zeit, bis das umgesetzt ist.
In einem Positionspapier schreiben Sie, dass sich in der Stadt Bremen die Zahl der Kinder mit ausländischem Pass im Krippen- und Kita Alter innerhalb von zehn Jahren fast verdreifacht habe. Wie wollen Sie sicherstellen, dass all diese Kinder zu ihrer Einschulung gut genug Deutsch beherrschen, um dem Unterricht zu folgen?
Ein Angebot frühkindlicher Bildung ist für alle Kinder wichtig. Für Kinder, die zu Hause kein Deutsch sprechen und die womöglich auch noch anderweitigen Förderbedarf haben, ist die Kita umso wichtiger. Schon die alltagsintegrierte Sprachförderung in der Kita ist ein wesentlicher Baustein der gesamten Sprachförderung. Aber wichtig ist auch, dass in den betreffenden Kitas auch zusätzliche Sprachförderkräfte mit den Kindern arbeiten – damit diese Kinder später in der Schule dem Unterricht folgen können.
Bremen konkurriert beim pädagogischen Personal mit anderen Bundesländern. Was wollen Sie tun, damit Bremen für Menschen in erzieherischen und pädagogischen Berufen attraktiver wird?
Wichtig ist, dass wir hier vor Ort unsere Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, weil die Menschen, die hier leben und unsere Einrichtungen kennengelernt haben, auch gern bei uns bleiben. Was wir bereits gemacht haben und auch weitermachen, ist, dass wir die Ausbildung attraktiv gestalten. So bieten wir aus Bremischen Mitteln Pauschalleistungen für die Auszubildenden an den Fachschulen, zahlen auch für die grundständigen Ausbildungen. Das machen andere Bundesländer nicht. Und natürlich haben wir in Bremen auch die Situation, dass die Wege gut zu bewältigen sind. Bremen ist ein attraktiver Lebensort. Da haben wir Vorteile gegenüber einigen ländlichen Regionen.
Sie fordern, dass es sowohl Vätern als auch Müttern möglich sein müsse, die Arbeitszeit zu reduzieren, um sich um Kinder zu kümmern. Die FDP wirft Ihnen vor, dass Sie mit dieser Forderung in Richtung freier Wirtschaft von eigenen Fehlern ablenken wollen. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Für mich ist völlig klar, dass jedes Kind ein Angebot frühkindlicher Bildung braucht – und das nicht möglichst nur im letzten Jahr vor der Einschulung. Höchste Priorität hat: Für jedes Kinder ein Kitaplatz – das ist meine Aufgabe. Daran arbeitet meine Behörde, und dafür trage ich die politische Verantwortung. Für die Kinder ist es wichtig, dass sie die Kindertageseinrichtungen besuchen.
Natürlich hat Kindertagesbetreuung auch etwas mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun. Aber Vereinbarkeit von Familie und Beruf heißt nicht, dass die Eltern nur noch für den Beruf Zeit haben, nicht mehr für die Kinder – und die staatliche Kindertagesbetreuung dann den Rest bewältigt. Es muss beiden Eltern möglich sein, jeden Tag in der Woche Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. "Samstags gehört Vati mir", war ein Spruch in den siebziger Jahren für die Fünf-Tage-Woche. Aber ich finde: Papa und Mama gehören sieben Tage in der Woche auch ihren Kindern.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. August 2023, 19.30 Uhr