Infografik
Deutschland sucht das Endlager: Kommt der Atommüll nach Bremen?
Theoretisch wäre das möglich, denn unter Bremen liegen große Salzstöcke. Am Vormittag entscheidet sich, ob Bremen als möglicher Standort für ein Endlager in Betracht kommt.
Um zehn Uhr schlägt am Montag die Stunde der Wahrheit. Dann wird die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) in Berlin verkünden, wo das große Endlager entstehen könnte, das die Bundesrepublik Deutschland für hochradioaktiven Atommüll wie Schwermetallen aus Brennelementen sucht. Noch kommen weite Teile des Landes dafür in Betracht. Bundesweit sind rund 300 Landkreise wider Willen im Rennen, darunter auch die Stadt Bremen.
Denn unter Bremen befinden sich mehrere Salzstöcke, in denen sich der Atommüll womöglich einschließen ließe. Und Atommüll gibt es reichlich in Deutschland. Etwa 1.900 hochradioaktiven Castorbehälter werden bis 2022 in den 16 deutschen Zwischenlagern zusammenkommen, teilt eine Sprecherin der BGE mit. Dann, so der Plan, wird die Bundesrepublik aus der Atomenergie aussteigen.
Bis es so weit ist, möchte die BGE den Kandidatenkreis für den Endlager-Standort weiter verkleinern. Nach der Pressekonferenz, bei der die BGE ihren "Zwischenbericht Teilgebiete" vorstellen wird, werden statt 300 nur noch maximal 100 Ortschaften als mögliche Endlager-Orte übrig sein. Die finale Entscheidung darüber, welche Region es trifft, wird der Bund im Jahr 2031 auf der Grundlage einer Empfehlung der BGE treffen. Ob Bremen so lang zittern muss?
"Wohin damit?"
Zumindest hat an der Weser kürzlich ein Artikel mit der Überschrift "Wohin damit?" in der Wochenzeitung "Die Zeit" für Unruhe gesorgt. Denn auf die Frage, wo Deutschlands Atommüll letztlich landen könnte, hat BGE-Geschäftsführer Steffen Kanitz der "Zeit" gesagt: "Wenn wir zum Beispiel unter Bremen eine hervorragend geeignete geologische Formation finden, dann würden wir die auch vorschlagen."
Gegenüber buten un binnen betont Kanitz allerdings, dass er statt von Bremen auch von Berlin, Dortmund oder Hannover hätte sprechen können. Er habe den Namen Bremens als Synonym für eine beliebige deutsche Großstadt gebraucht. "Ich wollte deutlich machen, dass wir nach rein geologischen Gesichtspunkten vorgehen und nicht aufgrund der Siedlungsstruktur", so Kanitz.
Es gelte einen Ort zu finden, an dem die hochradioaktiven Abfälle sicher lagern könnten, bis ihre Radioaktivität abgeklungen sei, bis zu einer Million Jahre. Daher dürfe es an dem betreffenden Ort keine seismischen oder vulkanischen Aktivitäten geben. Auch müsse sich das Gestein des Standorts zur Lagerung von Atommüll eignen. Die Besiedelung einer Region dagegen werde das BGE erst zu einem späteren Zeitpunkt der Standortsuche berücksichtigen und auch nur dann, wenn man geologisch gleichwertige Standorte miteinander vergleichen müsse.
"Es geht darum, dass kein Wasser eindringen kann"
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu derartigen Vergleichen kommen wird, ist ziemlich groß. Das glaubt zumindest Björn Panteleit, Leiter des Geologischen Dienstes für Bremen (GDfB), der den Untergrund des Landes Bremen erforscht. Zwar sei auch er ein wenig erstaunt gewesen, als er Kanitz' Äußerung in der "Zeit" gelesen habe, sagt der Wissenschaftler. Vollkommen abwegig aber sei die Idee von einem Endlager in Bremen nach derzeitigem Wissensstand leider nicht, zumindest nicht unter geologischen Gesichtspunkten.
So sei der Boden Bremens tektonisch nicht aktiv. Wegen tektonischer Aktivitäten schieden dagegen etwa die Eifel, das Vogtland oder die Alpen von vornherein als Endlager-Standorte aus. Davon unberührt eigneten sich allein in Norddeutschland, zumindest auf den ersten Blick betrachtet, gut 100 Orte genauso gut oder schlecht als Endlager wie Bremen: nämlich alle Orte mit großen Salzstrukturen im Untergrund. Dort, in solchen Salzstöcken zwischen rund 300 bis 1.000 Metern Tiefe, könnte ein atomares Endlager theoretisch Platz finden.
"Es geht darum, dass kein Wasser in das Lager eindringen kann. Und natürlich darf auch kein radioaktives Wasser ausschwemmen", erklärt Panteleit. Die Castorbehälter müssten eine Million Jahre komplett eingeschlossen lagern. Außerdem sei wichtig, dass die Wärme, die beim radioaktiven Zerfall entstehe, abgeleitet werden könne. Salz verfüge über die nötigen Wärmeleitfähigkeiten. Das Gleiche gelte allerdings auch für Ton und für Granit. Finde man Ton in der gesamten Bundesrepublik, so träfe man im Süden Deutschlands häufiger auf Granit und im Norden öfter auf Salz. Wie eben im Untergrund Bremens.
Drei große Salzstrukturen unter Bremen
Hier befinden sich, wie sich an einer topografischen Karte des Landes Niedersachsen ablesen lässt, gleich drei große Salzstrukturen. Ihre höchsten Punkte liegen in Tiefen von knapp 150 Metern. Ihren Ausgang nehmen sie in mehreren tausend Metern Tiefe. Ein Salzstock liegt in Burglesum, dem Blockland und Ritterhude, einer zu Teilen in Oberneuland und in Borgfeld, vor allem aber in Lilienthal. Eine Salzmauer aus mehreren ineinander übergehenden Salzstöcken erstreckt sich von Heidkrug über Arsten und Osterholz bis nach Schaphusen.
Zumindest der Salzstock unter Lesum lasse sich allerdings schon jetzt definitiv als Standort für das atomare Endlager ausschließen, sagt Panteleit. Denn dieser Stock sei bereits durch Kavernenspeicher besetzt, in denen Dieselöl und Erdgas als strategische Reserven für Krisenzeiten gelagert würden. Um zu klären, ob die anderen Salzstrukturen unterhalb Bremens ernsthaft als Standorte für ein Endlager geeignet wären, müsste man sie genauer erforschen, sagt der Geologe.
Inwiefern genau das in den kommenden Jahren geschehen wird, dürfte nicht zuletzt davon abhängen, ob Bremens Salzstrukturen auch nach diesem Montag noch auf der Endlager-Kandidaten-Liste der BGE stehen werden. Dagegen spricht derzeit wohl nur der Blick in Nachbarländer, in denen die Suche nach atomaren Endlagern zum Teil weiter fortgeschritten ist als in Deutschland. So haben sich Schweden, Finnland und Tschechien für Granit als Wirtsgestein ihrer Endlager entschieden. Frankreich, Belgien, Ungarn und die Schweiz setzen auf Ton, kein Land bisher auf Salz. Wohl niemand in Bremen wäre traurig, wenn es dabei bliebe.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. September 2020, 19:30 Uhr