Wie Bremen zugleich Armut bekämpfen und Klimapolitik betreiben kann
Wieso ärmere Menschen stärker von der Klimakrise betroffen sind
Hitze, Starkregen, hohe Energiekosten: Die Klimakrise trifft Arme besonders hart. Was Bremen dagegen tun kann – darum geht es bei der 6. Bremer Armutskonferenz. Ein Ausblick.
Schlecht gedämmte Gebäude, wenig Grün, viel versiegelt – so sieht es typischerweise in Quartieren aus, in denen Menschen mit wenig Geld leben. Im Sommer ist es hier zu heiß, im Winter sorgt die Kälte für hohe Heizkosten – Probleme, die sich mit Fortschreiten der Klimakrise verschärfen dürften.
Die 6. Bremer Armutskonferenz des Paritätischen am 3. März geht daher davon aus, dass Politik und Gesellschaft "der Armuts- und Klimakrise gemeinsam begegnen" müssen. Der Sozialwissenschaftler René Böhme vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen sagt dazu: "Die reicheren Menschen in den wohlhabenden Stadtteilen verursachen in der Regel viel mehr Emissionen als die ärmeren in strukturschwachen Regionen. Aber die ärmeren haben stärker unter den Folgen des Klimawandels zu leiden."
Böhme wird bei der Armutskonferenz ebenso referieren wie Gabriele Bolte vom Institut für Public Health der Uni Bremen. Beide wünschen sich eine Klimapolitik, die nicht versucht, Menschen umzuerziehen, sondern die sich stärker als bislang an den sozialen Verhältnissen orientiert, unter denen die Leute leben. Sie schlagen diese Schritte vor:
1 Umdenken bei Fördermaßnahmen
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Bislang, so Böhme, seien die meisten klimapolitischen Fördermaßnahmen so ausgerichtet, dass vor allem wohlhabende Menschen davon profitieren. Beispielhaft nennt er Fördermittel für Haussanierungen – von denen üblicherweise Hausbesitzer profitierten, nicht aber die Mieter. Gleiches gelte im Prinzip für Wärmepumpen.
"Ich sage nicht, dass derartige Förderprogramme falsch sind", betont Böhme. Noch wichtiger aber wären Programme, von den auch ärmere Menschen etwas hätten: "Wir brauchen Fördermaßnahmen, die sich etwa auch an Mieter im Geschosswohnungsbau richten", so Böhme. So könne man etwa aktiv auf Mieterinnen und Mieter zugehen, um sie von Balkonkraftwerken zu überzeugen. Die bereits vorhandenen Fördermaßnahmen dafür müssten allerdings stärker sozial gestaffelt werden. Denn viele ärmere Menschen könnten sich die Eigenanteile nicht leisten.
2 Investitionen in den Wohnungsbau

"Man muss Anreize für Vermieter schaffen, um Wohnungen energetisch zu sanieren – ohne die Kosten dafür auf die Mieter umzulegen", sagt Böhme. Auf diese Weise könnten sowohl Hausbesitzer als auch ihre Mieterinnen und Mieter unmittelbar vom Klimaschutz profitieren. Zugleich müsse der soziale Wohnungsbau gestärkt werden. Wohnungsgesellschaften in öffentlicher Hand, wie etwa die Gewoba, müsse man finanziell stärker dabei unterstützen, auch und gerade ihre Sozialwohnungen auf einen noch höheren energetischen Standard zu bringen, damit die Mieterinnen und Mieter nicht von den Nebenkosten "erschlagen" werden.
Zu diesem Zweck wäre es auch sinnvoll, so viele Mehrfamilienhäuser wie möglich an das Fernwärmenetz anzuschließen. Doch auch die Bewohnerinnen und Bewohnern der vielen kleinen Reihenhäuser, wie es sie etwa in Gröpelingen gibt, dürfe man bei der kommunalen Wärmewende nicht vergessen, mahnt Böhme.
Bislang, so Böhme, planten Energieversorger wie die SWB vor allem nach wirtschaftlichen Kriterien, welche Straßenzüge sie an das Fernwärmenetz anschließen. "Dadurch könnten gerade Eigentümerinnen und Eigentümer in strukturell schwächeren Wohngebieten benachteiligt werden", fürchtet Böhme. Sollte es aus Kostengründen nicht machbar sein, alle Wohngegenden mit Fernwärme zu versorgen, müsse man den Menschen zumindest eine Alternative anbieten.
3 Bessere Verkehrsinfrastruktur

Viele Bremerinnen und Bremer, die in strukturschwächeren Quartieren leben oder arbeiten, seien auf ihre Autos angewiesen, sagt Böhme. Beispielhaft nennt er Arbeiter, die in einem entlegenen Gewerbegebiet im Schichtdienst arbeiteten. Oder auch alleinerziehende Mütter, die am selben Tag Kinder zur Kita bringen, zur Arbeit und wieder nach Hause fahren müssten.
Um auch solche Menschen dazu zu bewegen, das Auto stehen zu lassen, müsse die Politik die vorhandenen Alternativen stärken. Böhme denkt dabei insbesondere an einen leistungsfähigeren öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und an ein besseres Netz aus Fahrradwegen.
4 Hitzeplan

Wie ein politisch sinnvolles Vorgehen mit Blick auf die kommende Klimakrise und Armut aussehen könnte – das lasse sich beispielhaft anhand des im Herbst erschienenen Hitzeaktionsplans Bremens nachvollziehen, sagt die Sozialepidemiologin Gabriele Bolte. Sie hat an dem Hitzeaktionsplan mitgewirkt – und erwartet nun, dass Bremen den Plan in den kommenden Jahren umsetzen und weiterentwickeln wird.
Das Besondere daran aus ihrer Sicht: "Hier wird gesundheitliche Chancengerechtigkeit in allen Maßnahmen mitgedacht." So verfolge der Plan das Ziel, zumindest unter gesundheitlichen Aspekten für Arm und Reich annähernd gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen. In Bezug auf die gesundheitlichen Folgen von Hitze könnten das Maßnahmen für eine höhere Bauqualität im sozialen Wohnungsbau sein oder Programme wie "Housing First", die darauf abzielten, die Lage Wohnungsloser zu verbessern.
"Das ist natürlich erst ein Anfang, aber ein sehr guter", sagt Bolte. Es gebe einen großen Rückhalt für den Hitzeaktionsplan. Die darin beschriebenen Maßnahmen für eine klimaangepasste Stadtentwicklung etwa mithilfe eines sozial ausgewogenen Grünflächen-Managements könnten dabei helfen, Ungleichheiten abzubauen. Eben darin liege die langfristig beste Strategie für die gesamte Bevölkerung, sowohl hinsichtlich der kommenden Klimakrise als auch im Kampf gegen Armut und zur Gesundheitsförderung.
Wohnkosten treiben viele Menschen in Bremen in die Armut
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. März 2025, 19.30 Uhr