Fragen & Antworten

Bremerhavener Klima-Forscher rätseln über neue Studienergebnisse

Junger Eisbär auf dem Eis.
Bild: ArcWatch | Esther Horvath

Das Alfred-Wegener-Institut meldet einen drastischen Rückgang von Presseisrücken in der Arktis. Warum das bedenklich ist – und was die Forscher stutzig macht.

In ihrer neuen Studie warnen die Forscher des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) vor einem deutlichen Rückgang von Presseisrücken in der Arktis. Schuld ist der Klimawandel. Bei ihrer Studie stießen die Forscher aber in einem Bereich vorerst an ihre Grenzen.

Was sind Presseisrücken?

Presseisrücken entstehen, wenn sich Eisschollen durch Wind oder Meeresströmungen gegeneinander schieben und auftürmen. Die über dem Wasser liegenden Teile, die alle paar hundert Meter die Eisfläche durchbrechen, nennt man Segel. Sie sind ein bis zwei Meter hoch. Noch mächtiger sind die Kiele unterhalb der Wasserlinie, die bis zu 30 Meter in die Tiefe ragen und ein unüberwindbares Hindernis für die Schifffahrt darstellen können.

Presseisrücken und zugefrorene, mit Schnee bedeckte Schmelzwassertümpel in der Arktis
Presseisrücken entstehen, wenn sich Eisschollen durch Wind oder Meeresströmungen gegeneinander schieben und auftürmen. Bild: AWI | Stefan Hendricks

Wofür sind Presseisrücken wichtig?

Presseisrücken haben laut AWI verschiedene Funktionen: Wind setzt die Eisschollen über die Segel in Bewegung und treibt sie quer durch die Arktis. Dadurch wird das Wasser vermischt, was wiederum dazu führt, dass mehr Nährstoffe verfügbar sind. Außerdem nutzen Eisbären die Presseisrücken, um in ihrem Schutz zu überwintern und ihre Jungen zur Welt zu bringen. Darüber hinaus leben in den Eisstrukturen verschiedenste Organismen.

Wie sind die Forscher vorgegangen?

Ein Forschungsteam des AWI hat Lasermessungen, die seit 30 Jahren mit Forschungsflugzeugen über dem arktischen Eis durchgeführt werden, neu aufbereitet und ausgewertet. Die Messflüge decken eine Strecke von rund 76.000 Kilometern ab.

Wie stark schwinden die Presseisrücken?

Die Häufigkeit von Presseisrücken nimmt nördlich von Grönland und in der Framstraße im Schnitt um rund zwölf Prozent und ihre Höhe um fünf Prozent pro Jahrzehnt ab. In einigen Bereichen sieht es aber noch schlimmer aus, etwa in der Lincolnsee nördlich von Grönland: Hier nimmt die Häufigkeit um fast 15 Prozent und die Höhe um mehr als 10 Prozent pro Jahrzehnt ab. In einigen Bereichen, wie etwa in der zentralen Arktis, gibt es im Sommer teilweise kein Eis mehr.

Ein Mann sitzt mit Kopfhörern in einem kleinen Flugzeug. Neben ihm steht ein Laptop.
Meereisforscher Thomas Krumpen ist im Forschungsflugzeug "Polar 6" auf dem Weg zu einer Vermessung. Bild: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung | Esther Horvath

Warum ist das Ergebnis besonders?

Eigentlich müsste es immer mehr Presseisrücken geben, erklärt Thomas Krumpen, Meereisforscher am AWI und Hauptautor der Studie: "Ein immer größerer Teil der Arktis besteht aus Eis, das im Sommer schmilzt und nicht älter als ein Jahr wird. Dieses junge, dünne Eis verformt sich leichter und bildet schneller neue Presseisrücken." Dass die Presseisrücken dennoch insgesamt weniger werden, liege am drastischen Schmelzen alter Eisschollen.

Bleiben Fragen offen?

Besonders ein Punkt lässt die Forscher rätseln: Obwohl die Segel der Presseisrücken, die in die Luft ragen, kleiner und weniger geworden sind, hat die Driftgeschwindigkeit des arktischen Eises zugenommen. "Eigentlich sollte das Eis langsamer durch die Arktis driften, wenn die Segelfläche kleiner wird", sagt AWI-Meereisphysikerin Luisa von Albedyll. Es müsse also noch andere Veränderungen im arktischen Eis geben, die das Gegenteil bewirken.

Die Forscherin kann sich zum Beispiel vorstellen, dass die Eisunterseite durch verstärkte Schmelzprozesse glatter ist. Um unter anderem diese offene Frage zu klären, haben die AWI-Forscher ihre Daten in einem öffentlichen Archiv zugänglich gemacht, damit andere Forscher sie nutzen können. 

Rückblick: Deswegen verlässt AWI-Direktorin Antje Boetius Bremerhaven

Bild: Radio Bremen

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Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 6. Januar 2025, 11 Uhr