Schaden durch Bremer Aktenchaos erheblich höher als befürchtet

Ein Stapel Akten und Papiere ist auf einem Schreibtisch in einem Büro vor einem Regal mit Aktenordnern zu sehen.

Höher als gedacht: Millionenverlust für Bremen durch Aktenchaos

Bild: dpa | Markus Scholz

Der Stadt sind durch nicht bearbeitete Akten im Sozialzentrum Bremen-Vahr mindestens 1,5 Millionen Euro entgangen. Das geht aus dem Abschlussbericht der Innenrevision hervor.

Bislang gingen die Prüfer von einem Schaden von rund 100.000 Euro aus, der durch unbearbeitete Akten und Briefe entstanden ist. Doch nun spricht die Innenrevision von einem Millionenverlust. Zuerst berichtete der "Weser Kurier".

Die Vorwürfe beziehen sich auf einem Zeitraum als noch Grünen-Politikerin Anja Stahmann Sozialsenatorin war. Ihre SPD-Nachfolgerin Claudia Schilling sagt, dass keine Privathaushalte zu Schaden gekommen sind. "Die Unterhaltsberechtigten, die Unterhalt bekommen sollten, haben ihren Unterhalt erhalten. Die Schäden sind auf anderer Ebene entstanden."

Das sind im Wesentlichen Ansprüche, die das Land Bremen nicht gegen andere Jugendhilfeeinrichtungen in den anderen Bundesländern, in anderen Städten geltend gemacht hat.

Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD)

Im Februar waren durch einen Zufallsfund in einem Raum tausende unsortierte Akten und Briefe gefunden worden. Seitdem liefen die Untersuchungen, mit dem Bericht beschäftigt sich nun die Sozialdeputation in der kommenden Woche.

Innenrevision schlägt teils drastische Konsequenzen vor

Grund für das Aktenchaos waren neben dem Personalmangel im Amt und der Arbeitsweise einzelner Personen auch strukturelle Mängel, so die Innenrevision. Im Sozialzentrum gab es keine zentrale Stelle, die Kostenerstattungen auch dann im Blick hatte, wenn einzelne Beschäftigte krank oder aus dem Dienst ausgeschieden waren.

Die Innenrevision schlägt nun teils drastische Konsequenzen vor. So könnte die Jugendhilfe neu aufgestellt oder das Sozial- und Jugendamt getrennt werden.

CDU sieht nur "die Spitze des Eisberges"

Aus der Opposition kommt jede Menge Kritik. CDU-Sozialpolitikerin Sandra Ahrens wirft dem Sozialressort vor, nicht früher gehandelt zu haben: "Wir brauchen nachhaltige Veränderungen. Das, was Sie hier haben, ist die Spitze des Eisberges."

Wir haben eine Akteneinsicht genommen, Überlastanzeigen aus allen sechs Sozialzentren über einen Zeitraum von zehn Jahren. Diese zehn Jahre, die auch in dem Revisionsbericht der eine Rolle spielen, die funken SOS.

CDU-Sozialpolitikerin Sandra Ahrens

Auch die Oppositionsparteien FDP und Bündnis Deutschland (BD) fordern sofortige Konsequenzen.  Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion Bremen, Ole Humpich, sagt: "Es ist absolut inakzeptabel, dass ein derart großer Schaden von 1,5 Mio. Euro entstanden ist, während das Problem über einen längeren Zeitraum unentdeckt blieb." Ein sofortiges Handeln sei dringend erforderlich, um weitere Verluste zu verhindern. Der Bericht der Innenrevision biete dafür vielversprechende Ansätze, so Humpich.

Bündnis Deutschland wirft Sozialzentrum Versagen vor

Für die BD-Bürgerschaftsabgeordnete Meltem Sagiroglu ist der 1,5-Millionen-Euro-Verlust nicht tragbar. "Das Versagen in der Arbeitsorganisation durch die Referatsleitung im Sozialzentrum Bremen-Vahr muss sofortige Konsequenzen haben", sagt sie. Die BD-Fraktion unterstütze auch die Forderung der Innenrevision nach einer Änderung des Personalvertretungsgesetzes.

Zurückhaltende Reaktionen gibt es aus der rot-grün-roten Regierungsfraktion: "Es wäre niemandem geholfen, wenn mit dem Finger auf Beschäftigte gezeigt werden würde", betont Sofia Leonidakis, Vorsitzende der Linksfraktion. Man müsse jenseits von kurzfristigen Lösungen abwägen, welche Reformvorschläge sinnvoll sind.

Tabula rasa in der Amtsstruktur gehört unserer Ansicht nach nicht dazu.

Sofia Leonidakis, Vorsitzende der Linksfraktion, zu möglichen Reformen

Auch die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Sahhanim Görgü-Philipp, sagt, dass "zügig und mit aller gebotenen Sorgfalt" geprüft werden muss, welche Konsequenzen sich aus den Empfehlungen des Berichts ergeben.

Diese Folgen hat das Aktenchaos im Sozialzentrum Bremen-Vahr

Bild: Radio Bremen

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  • Portrait von Pascal Faltermann
    Pascal Faltermann Autor

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau am Morgen, 24. November 2023, 8 Uhr