Einsatzkräfte in Bremen: "Stimmung ist deutlich aggressiver geworden!"
In Berlin wurden Einsatzkräfte an Silvester verfolgt, angegriffen und verletzt. Helfer in Bremen erlebten das so zwar nicht. Aber auch hier werde der Ton generell rauer.
Das Gute vorweg: Die Zahl der Übergriffe auf Rettungskräfte ist nicht gestiegen. Auch die Zahl der Zwischenfälle insgesamt an diesem Silvester nicht. So in etwa berichteten es Polizei, Feuerwehr und Retter nach dem Jahreswechsel. Und dennoch: Die Stimmung wird aggressiver, der Tonfall rauer und damit gibt es schon einen "gefühlten Anstieg" an Übergriffen. So berichten es der Leiter des Ordnungsamts Bremen, Uwe Papencord, und der Sprecher der Bremer Feuerwehr, Christian Patzelt, auf Anfrage von buten un binnen.
"Insgesamt schwappt das, was in Berlin, Essen, Bonn, Kassel und Hamburg, passiert ist, auch zu uns rüber", sagt Feuerwehrsprecher Patzelt. "Aber dieses Jahr Silvester hat es uns nicht so ereilt, wie es die anderen Großstädte erfahren haben." Das Thema "Angriffe oder Attacken zu Silvester" – das sei jedoch kein neues Phänomen.
Schon vor 30 Jahren sind wir mit Löschfahrzeugen in gewisse Straßenzüge hereingefahren und haben Beschuss erfahren, kleine Streiche betrunkener Menschen. Dass da Feuerwerkskörper Richtung Fahrzeuge geworfen werden, ist kein neues Phänomen. Das ist das betrunkene Silvester-Feier-Volk, das sich vom Alltag unterscheidet.
Christian Patzelt, Feuerwehrsprecher
Aber die Form der Übergriffe in Berlin – das sei schon eine neue Eskalationsstufe, die Sorgen bereite. Die Form der Gewalt ist demnach in Bremen noch nicht so eskaliert. Der Ton aber schon, der Respekt vor Ordnungskräften und Rettern schwindet offenbar. "Die Stimmung auf der Straße ist deutlich aggressiver geworden", bestätigt der Chef des Ordnungsamts. Zusätzlich nimmt die Anzahl der verbalen Auseinandersetzungen zu. "Es kam aber bislang zu keinen nennenswerten physischen Angriffen."
Ton in der Gesellschaft wird rauer: Melden Kräfte das noch?
Doch wo kommt der gefühlte oder reale Anstieg her? Vielleicht, "weil man insgesamt in der Gesellschaft anders miteinander umgeht: Selbst der Ton am Notfalltelefon wird rauer – und auch auf der Straße bei Einsätzen", so Patzelt. Es bliebe die Frage: Melden die Einsatzkräfte verbale oder physische Angriffe oder melden sie sie nicht, weil es für sie ein Stück normal geworden ist?
Je nachdem, mit wem Sie sprechen, wird eine Einsatzkraft auch sagen, "da gewöhnt man sich dran, das war schon immer so". Andere könnten sagen: "Das war bislang noch nicht so".
Christian Patzelt, Feuerwehrsprecher
Und doch bereiten sich Einsatzkräfte zunehmend auf Gewalt und Konfrontation vor. "Sielwall-Kreuzung, Steintorviertel – das ist Partygegend, dort wird zurecht von der Polizei besonders kontrolliert", so der Feuerwehrsprecher. Und doch bleibt manchmal ein mulmiges Gefühl. "Silvester ist Ausnahmesituation, weil Feuerwerkskörper im Spiel sind, deutlich mehr Partygäste auf der Straße, während wir zu Löscheinsätzen fahren. Das ist für uns auch ein gewisser Risikofaktor. Für Maschinisten über Straßenzüge zu fahren, wo links und rechts Feuerwerk hochgeht, ist etwas anderes, als ein normaler Samstag."
Helfer lernen Deeskalation
Und so spielt die Frage der eigenen Sicherheit auch in der Ausbildung eine wachsende Rolle. "Die Stimmung kann sich vor allem dann aufheizen, wenn das Gegenüber uneinsichtig ist und die Maßnahme der Ordnungskräfte nicht akzeptiert", so der Chef des Ordnungsamts, Papencord. "Die Ordnungskräfte sind sensibilisiert. Auch neue Kolleginnen und Kollegen lernen während ihrer Ausbildung, wie sie deeskalierend einwirken und eine Situation beruhigen können."
Die Ereignisse jetzt zu Silvester in anderen Städten schockieren uns total, aber es ist nicht so, dass Feuerwehr und Co. jederzeit mit polizeilichem Geleitschutz zu Einsätzen ausrücken müssen. Insgesamt lässt sich sagen, dass Respekt gegenüber Hilfsorganisationen und Feuerwehr zu vermissen ist.
Christian Patzelt, Feuerwehrsprecher
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. Januar 2023, 19:30 Uhr