Bremens Trainer des Jahres 2024: Werders Tischtennis-Flüsterer

Cristian Tamas rutschte mehr zufällig in die Trainerrolle, fand dort aber seine Berufung. Werder profitiert seit 20 Jahren von seinem besonderen Gespür für Spieler.
Manchmal gibt es Begegnungen, die sich sofort wie ein Wink des Schicksals anfühlen. So erging es Cristian Tamas vor 20 Jahren, als er sich bei Werder Bremen um die Stelle des Cheftrainers der Tischtennis-Mannschaft bewarb.
Werder war 2005 gerade in die Bundesliga aufgestiegen und suchte dringend einen Trainer mit A-Lizenz. Und Tamas, damals 25 Jahre alt, hatte in der Nähe von Detmold die Frauen-Bundesligistinnen des TuS Bad Driburg schon mehrere Jahre erfolgreich betreut. Doch als der Sponsor absprang, kam das Aus. Ein Tiefpunkt, der sich für Tamas aber als wohl wichtigster Wendepunkt seines Lebens entpuppen sollte.
Glückliche Fügung bei Werder

Der gebürtige Rumäne wandte sich an den Deutschen Tischtennis-Verband (DTTB) und erklärte seine schwierige Lage. "Ohne einen neuen Verein hätte ich wohl wieder nach Hause fahren müssen", erzählt Tamas im Gespräch mit buten un binnen. Doch der Verband wollte das junge Trainertalent nicht gehen lassen und stellte den Kontakt zu Werder Bremen her.
Und dieses Gespräch mit Sascha Greber, der bereits einige Jahre als Werders Teammanager arbeitete, beschreiben beide heute als glückliche Fügung in ihrem Leben. "Wir haben uns von Anfang an sehr gut verstanden. Ich bin sehr dankbar, Sascha getroffen zu haben", betont Tamas.
Herz und Seele der Tischtennis-Abteilung

Gemeinsam sind sie seither nicht nur das Herz und die Seele von Werders Tischtennis-Abteilung, sie betreiben auch fast ebenso lange ein Fachgeschäft für Tischtennis-Bedarf. "Wir verbringen mehr Zeit miteinander als mit unseren Familien", sagt Greber mit einem Augenzwinkern. Dass es so gut zwischen ihnen passt, machte es leichter, den langen, oft schwierigen Weg durchzuhalten, den sie mit Werder seit 2005 gegangen sind.
"Wir sind im ersten Jahr direkt wieder abgestiegen und eine feste Trainingsgruppe hatten wir in Bremen damals auch noch nicht", erinnert sich Tamas an die Anfänge. Mühsam, aber mit großem Antrieb bauten sie Bremen Schritt für Schritt zu einem Tischtennis-Standort auf. Überzeugten Spieler und Sparringspartner, ihren Lebensmittelpunkt hierher zu verlegen.
Tamas mit besonderem Gespür für Spieler

"Da steckt viel Arbeit dahinter", sagt Tamas, "und es war auch nicht selbstverständlich, dass Werder das mitträgt und mir so viel Zeit gegeben hat. Normalerweise fängt man als Trainer nach vier Jahren irgendwo neu an." Doch der Verein wusste, warum er an Tamas immer festhielt. Er hat ein besonderes Händchen für Spieler, ein instinktives Gespür dafür, was sie brauchen, um noch besser zu werden. Ein Tischtennis-Flüsterer im besten Sinne.
"Cristian ist ein ganz Großer auf dem Gebiet, in den kleinen Details, Spieler weiterzuentwickeln", erklärt Greber, "und er versteht unheimlich viel von den komplexen Feinheiten des Tischtennis-Sports." Spätestens, als Tamas Werder 2013 furios zur Deutschen Meisterschaft führte, war es für jeden unübersehbar. Dabei hatte er sich selbst mal eine Karriere als Spieler erhofft.
Über Umwege zum Trainerjob

In seiner Familie war niemand sportaffin, aber sein Heimatort Bistrita, ein 80.000-Einwohner-Städtchen in Siebenbürgen, war eine Tischtennis-Hochburg. Mit sechs Jahren fing Tamas mehr zufällig mit dem Sport an und blieb dabei. Hartes Training, strenge Trainer, doch Tamas hatte Spaß am Tischtennis. In der Schule war Adrian Crisan sein Sitznachbar – der sollte später zu Werders Meisterteam gehören.
Durch Crisan kam Tamas mit 18 Jahren nach Deutschland, spielte mit ihm bei Zweitligist 1. FC Bayreuth. "Da habe ich erstmal gesehen, wie viele gute Tischtennisspieler es gibt", erinnert sich Tamas. Die Konkurrenz war hart. Über Umwege kam er als Sparringspartner zu den Bundesligistinnen von Bad Driburg. Dem Team fehlte der Trainer und mit der Zeit rutschte Tamas in diese Rolle hinein. Auch, weil er selbst in dieser Phase mit Anfang 20 keinen Trainer hatte, der seine Einzelkarriere noch hätte anschieben können.
"Spielern eine Chance geben, die ich nicht hatte"
"Ich war nicht alt genug, um auf mich selbst aufzupassen und mich selbst als Profi nach vorne zu bringen", sagt Tamas rückblickend, "technisch war ich okay, aber es gehört viel dazu, um es als Spieler zu schaffen." So aber entdeckte er seine Berufung als Trainer.
Ich möchte Spielern die Chance geben, die ich nicht gehabt habe. Einen Trainer zu haben in jungen Jahren, der einem den Weg zeigt, wie man als Profi arbeitet. Wie man ein Spielsystem entwickelt. Und es macht Spaß zu sehen, wie sie sich verbessern.
Werder-Trainer Cristian Tamas bei buten un binnen
Mit Greber zusammen hat Tamas bei Werder eine vertrauensvolle, fast familiäre Atmosphäre geschaffen. Und es spricht für sie, dass Spieler oft sehr lange in Bremen bleiben. Wie Kirill Gerassimenko und Marcelo Aguirre. Und wie Mattias Falck, der Vizeweltmeister von 2019. Der 33-jährige Schwede spielt wie sie seine sechste Werder-Saison und er hat gerade seinen Vertrag um weitere zwei Jahre verlängert. Das Verhältnis ist so gut, dass Falck dabei sogar ohne Manager verhandelt hat.
"Cristian hat uns ein ganzes Stück besser gemacht"

Bei Werder fühlte sich Falck auf Anhieb wie zu Hause. "Cristian kümmert sich um jeden, das mag ich sehr an ihm", sagt er. Mal ist Tamas wie der große Bruder, manchmal auch streng, wenn es erforderlich ist. Aber immer authentisch und ehrlich. Die ruhigen Töne sind ihm lieber, aber manchmal kann er auch laut. Vor allem, wenn es darum geht, seine Mannschaft anzufeuern. Sein Engagement geht weit über das Übliche hinaus und endet für Tamas bei Auswärtsspielen am Steuer der nächtlichen Heimfahrten, hunderte Kilometer quer durch Deutschland.
"Cristian arbeitet sehr hart mit uns als Team und hat uns ein ganzes Stück besser gemacht", sagt Falck. In der vergangenen Saison schaffte es Werder in die Play-offs. "Er ist mit so viel Hingabe dabei und will, dass wir uns immer weiterentwickeln." Anders als andere Bundesligisten hat Werder nicht nur einzelne Spieler im Team, sie sind zu einer Gemeinschaft gewachsen. Das fällt auch der Konkurrenz auf.
"Noch nicht am Ende unseres Projekts"
Mit Tamas reden seine Spieler offen über alles, auch, was sie bei Turnieren auf der internationalen Tischtennis-Tour abseits der Bundesliga erlebt haben. Und der Trainer nimmt alles auf, ordnet ein, gibt Feedback. Und bleibt so auch auf dem Laufenden in einem Sport, der sich ständig verändert.
"Wir sind aber auch gefragt, wenn private Entscheidungen im Leben der Spieler anstehen, da werden wir mit einbezogen", erzählt Tamas: "Das Vertrauen haben wir uns aufgebaut. Es gab noch nie einen Spieler, der gerne von Bremen weggegangen ist." Tamas selbst hat das auch nicht vor, denn er hat auch nach 20 Jahren noch viel vor bei Werder. "Wir sind noch nicht am Ende unseres Projekts. Und für diese Herausforderungen, dafür lebt man."
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Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 11. Februar 2025, 18:06 Uhr