Lizenz gepackt: Bremer Muzzicato darf jetzt auch Bundesliga trainieren
Im Bremer Fußball gewann Benedetto Muzzicato als Spieler zehn Titel, doch bei Werder blieb ihm der große Durchbruch verwehrt. Als Trainer macht er nun bewusst einige Dinge anders.
Beim Gespräch mit buten un binnen im Bremer Viertel ist Benedetto Muzzicato gelöst. Die Strapazen der vergangenen 13 Monate sind vorbei, das Ziel erreicht. Am Mittwochabend wurde er vom DFB in Düsseldorf mit der Pro Lizenz ausgezeichnet. Damit dürfte der Bremer jetzt auch als Cheftrainer in der Bundesliga arbeiten.
Dass Muzzicato später einmal Trainer wird, war in seiner Zeit als Spieler zunächst nicht unbedingt zu erwarten. Der heute 44-Jährige war auf dem Platz ein klassischer Freigeist, der im Bremer Fußball ordentlich abräumte. Mit dem FC Oberneuland, Werder Bremen II, dem FC Bremerhaven und dem Bremer SV wurde er viermal Bremer Meister und gewann sechsmal den Bremer Pokal.
"Ich erinnere mich gerne an Benedetto", erzählt Mike Barten, Verbandssportlehrer beim Bremer Fußball-Verband, der Muzzicato in der Saison 2009/10 in Oberneuland trainierte. "Er war Fußballer durch und durch und für das Kreative zuständig. Gegen den Ball hat er nicht so gerne gearbeitet." Auch deswegen blieb ihm der ganz große Durchbruch verwehrt. Mit dem Wissen, was früher schief lief, macht Muzzicato als Trainer nun einige Dinge bewusst anders. "Mir ist entgegengekommen, dass ich als Spieler so schlampig war“, blickt er auf seine Entwicklung.
Ich bin deswegen einmal an den Punkt gekommen, an dem ich mich gefragt habe: 'Junge, was willst du eigentlich? Willst du, wie als Spieler, durch Bremen tingeln und schauen, dass du hier und da mal ein bisschen was verdienst? Oder nimmst du es richtig ernst?'
Benedetto Muzzicato im Gespräch mit buten un binnen
Einstieg bei der U17 vom FC Oberneuland
Der gebürtige Bremerhavener entschied sich für die zweite Variante. Der Weg war steinig, ging aber stetig voran. Im Januar 2014 übernahm er bei der U17 des FC Oberneuland mit seinem Bruder Fabrizio den ersten Trainerjob. Dort lief es so gut, dass wenige Monate später Werder auf ihn aufmerksam wurde und lockte. Muzzicato folgte dem Ruf und wurde am Osterdeich bei der U15 Co-Trainer von Florian Kohfeldt.
"Bei Werder habe ich zum ersten Mal gelernt, wie ich ein Training vorbereite“, berichtet Muzzicato. Ein Jahr später wechselte er zurück nach Oberneuland, um die 1. Mannschaft in der Landesliga zu trainieren. Nach der Meisterschaft mit dem FCO ging es erst zum TB Uphusen in die Oberliga Niedersachsen, ehe er im September 2017 ein Angebot vom BSV Rehden aus der Regionalliga Nord annahm.
Aufstieg in die 3. Liga ermöglicht die Pro Lizenz
Zwei Jahre später lockte die Hauptstadt, genauer: Viktoria Berlin. Mit der Hilfe eines Gesellschafters wollte der Klub sich hinter Hertha BSC und Union als Nummer drei in der Stadt etablieren. In der Saison 2020/21 stieg Muzzicato mit Viktoria in die 3. Liga auf, wo die "Himmelblauen“ aus dem Stadtteil Lichterfelde zwischenzeitlich zu Himmelsstürmern wurden und gar die Tabelle anführten, ehe der sportliche Absturz folgte.
Der große Vorteil für Muzzicato: Weil er es als Trainer in den Profifußball geschafft hatte, erhielt er vom DFB einen der äußerst begehrten Plätze für die Pro Lizenz, die für Trainer ab der 3. Liga vorgeschrieben ist. Mit dem vorzeitigen Ende seiner Zeit in Berlin begann er Ende Februar 2022 den Lehrgang. Für ihn die Chance, als Trainer in Deutschland in den Topbereich vorzustoßen.
Als Spieler hätte er dafür auch das Talent gehabt, doch Muzzicato hielt es nie lange irgendwo aus. Wenn es Probleme gab, zog er rasch weiter zum nächsten Klub. "Ich bin immer den einfachen Weg gegangen. Als Spieler war mein Charakter nicht gut genug, um im Teamsport eine große Karriere zu machen", zeigt er sich selbstkritisch.
Mir war immer wichtig, dass ich selbst gut aussehe, Tricks zeige, meine Tore mache, die Nummer 10 trage und die Standards schieße.
Benedetto Muzzicato
Werder holte ihn nochmal zurück
Im Sommer 2003 gab Werder, wo er einst in der A-Jugend aussortiert wurde, ihm nochmal eine Chance und holte ihn aus Oberneuland zurück. Muzzicato ist damals 24 Jahre alt, soll mit der 1. Mannschaft trainieren, in der 2. Mannschaft spielen und seine Chance suchen.
Spieler aus dem damaligen Team wie Nelson Haedo Valdez oder Simon Rolfes machten Karriere in die Bundesliga, spielten später in der Champions League und der Nationalelf. Muzzicato nicht. Den Sprung ins Bremer Team, das in der Saison das Double holte, verfehlte er. "Werder wollte, dass ich es hinbekomme und zur Überraschung werde“, hadert er. "Sie hätten mir die Chance gegeben, wenn ich richtig gebissen hätte. Das tut am meisten weh, weil ich ja auch ein Werder-Junge bin.“
Flick, Nagelsmann und Glasner schauten vorbei
Eben jenen Biss hat Muzzicato nun als Trainer entwickelt. Der Lehrgang zur Pro Lizenz stellte ihn dabei vor Herausforderungen. Während viele Teilnehmer studiert oder zumindest Abitur hatten, verließ er bereits nach der 9. Klasse die Edith-Stein-Schule in Bremerhaven.
Ich habe das Lernen nie gelernt.
Benedetto Muzzicato
Dies führte dazu, dass ihn Sportpsychologe Werner Mickler einmal verwundert ansprach. Während des Lehrgangs schauten renommierte Trainer wie Hansi Flick, Julian Nagelsmann, Oliver Glasner oder Steffen Baumgart zum Expertentalk vorbei. Während diese referierten, schrieben alle mit – nur Muzzicato nicht.
"Ich habe mich immer etwas weiter vom Tisch weggesetzt, weil ich nicht zugleich zuhören und mitschreiben konnte“, erzählt er. "Ich musste mich für eins entscheiden. Deshalb wollte ich genau zuhören und alles aufnehmen, was ich für wichtig halte.“ Später auf dem Zimmer oder im Zug nahm er sich dann die Zeit, um den Expertentalk zu Papier zu bringen.
Wie reagiert ein Trainer, wenn eine Klublegende ihn kritisiert?
Neben den Präsenzphasen in Freiburg, Berlin oder Köln und ab dem September an der neuen DFB-Akademie in Frankfurt mussten viele Aufgaben Online bearbeitet werden. Während Trainer stets ihren Spielern Feedback geben, bekamen sie im Lehrgang nun selbst regelmäßig welches. Neben Bereichen wie Ernährung, Athletik oder Mannschaftsführung stand auch ein Coaching für den Umgang mit den Medien auf dem Lehrplan.
Muzzicato hatte dabei in einem Rollenspiel vor kurzem als Coach den Hamburger SV übernommen. "Da hieß es dann in einem TV-Interview: 'Herr Muzzicato, es ist der 4. Spieltag und Sie haben die ersten drei Spiele alle verloren. Horst Hrubesch hat bereits gesagt, dass Ihnen das Format für so einen großen Klub fehlt. Wie gehen Sie damit um?‘“ Situationen, in denen ein Trainer die Contenance bewahren, zugleich aber auch Stärke und Selbstsicherheit gegenüber den Fans, der Mannschaft und der Öffentlichkeit ausstrahlen muss.
Muzzicato sollte Eta aus der Reserve locken
Bei Marie-Louise Eta wiederum übernahm Muzzicato selbst die Rolle des Journalisten. Die einstige Werder-Spielerin wurde im Rollenspiel als neue Cheftrainerin bei Dynamo Dresden vorgestellt und sollte mit der Frage, wie der Klub sich denn für eine Frau als Trainerin entscheiden konnte, aus der Reserve gelockt werden. Zum Lehrgang gehörten auch Praktika. Drei Wochen ging es zum Karlsruher SC, um dort von Trainer Christian Eichner zu lernen. Jeweils eine Woche war Muzzicato bei Hannover 96 und Stefan Leitl und Vitesse Arnheim, wo Ex-Barcelona-Profi Philipp Cocu Coach ist. Auch bei der U23 von Werder und Konrad Fünfstück schaute er vorbei.
Dazu ging es mit dem gesamten Lehrgang für einige Tage zum Hospitieren zum FC Liverpool, bei dem beim gemeinsamen Mittagessen auch die Chance bestand, mit Jürgen Klopp und seinem Trainerstab in den Austausch zu kommen.
Tipp für Amateur-Trainer: "Weniger ist mehr"
Vom Level eines Klopp ist Muzzicato noch ein gutes Stück entfernt. Dies gilt auch für viele ambitionierte Amateurtrainer im Land Bremen, die den Sprung nach oben schaffen wollen. "Weniger ist mehr“, rät Muzzicato diesen. Es bringe nichts, die Spieler mit der eigenen Spielidee zu überladen. Stattdessen müsse ein Trainer einschätzen können, welcher Fußball mit den jeweiligen Spielern möglich ist – und sich daran anpassen.
Auch den Bremer Amateurfußball hat Muzzicato noch im Blick. Mehrmals hat er sich in dieser Saison schon vor Ort Spiele des Bremer SV, mit dem er 2014 den Pokal gewann und Bremer Meister wurde, angeschaut. Vom BSV ist er "total begeistert" und hofft, dass sein Ex-Klub den Klassenerhalt in der Regionalliga schafft. "Am Panzenberg", so Muzzicato, "ist es für jeden Gegner schwierig zu bestehen."
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau, 6. April 2023, 16 Uhr