Umstrittene Reform des Kinderfußballs – wie kommt Funino in Bremen an?
Seit Sommer 2022 wird Funino in Bremen bereits getestet. Für die neue Form des Kinderfußballs gibt es durchaus Lob, doch es wird auch von weinenden Kindern berichtet.
Mit seinen Äußerungen sorgte Hans-Joachim Watzke für eifrige Diskussionen. Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund und erste Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) übte Anfang September scharfe Kritik an den Reformen im Kinderfußball.
"Wenn du als Sechs-, Acht- oder Neunjähriger nie das Gefühl hast, was es ist, zu verlieren, dann wirst du auch nie die große Kraft finden, um auch mal zu gewinnen", monierte Watzke. Damit nahm er Bezug auf Funino. Eine Form des Kinderfußballs, die der DFB ab dem Sommer 2024 von der G-Jugend bis zur E-Jugend verpflichtend einführt.
Wie funktioniert Funino?
In Bremen läuft bereits seit dem Sommer 2022 eine zweijährige Testphase. Wie von Watzke angemerkt, gibt es beim Funino nicht mehr den klassischen Ligabetrieb, in dem Woche für Woche durch Siege in der Tabelle geklettert werden kann und am Ende das erfolgreichste Team die Meisterschaft gewinnt.
Stattdessen wird Funino bei Kinderfußball-Festivals in Turnierform praktiziert. Die Teams sind dabei kleiner als üblich. Im Drei-gegen-drei wird auf einem 25 Meter langen und 20 Meter breiten Spielfeld mit jeweils zwei kleinen Toren pro Team gespielt. Auf ein großes Fußballfeld passen somit acht Funino-Felder. Durch die Spielform will der DFB dafür sorgen, dass jede Spielerin oder jeder Spieler mehr Ballkontakte hat und häufiger Erfolgserlebnisse verbuchen kann. Zudem soll verhindert werden, dass den Kindern zu früh bestimmte Positionen wie Verteidiger oder Stürmer zugeteilt werden. Auch Torhüter gibt es nicht.
Die Spieldauer beträgt sieben Minuten pro Partie. Zu jedem Team gehören zwei Rotationsspieler. Nach jedem Tor, spätestens aber alle zwei Minuten, erfolgt ein Spielerwechsel. Der Torabschlüsse dürfen lediglich aus der Schusszone erfolgen, die sechs Meter vor den Toren beginnt. Nach einem eigenen Treffer muss der Rückzug in die eigene Hälfte erfolgen, damit der Gegner sein eigenes Spiel aufziehen kann.
Gewonnen hat, wer nach sieben Minuten mehr Tore erzielt hat. Das Siegerteam rückt ein Feld vor, die Verlierer ein Feld zurück. Genannt wird dies "Champions-League-Format". Dieses soll gewährleisten, dass stets gleichstarke Spieler aufeinandertreffen.
Mehr Kreativität und bessere Entscheidungsfindung?
Ludwig Voß ist von Funino begeistert. "Wir glauben, dass Funino beziehunsgweise die neuen Spielformen im Kinderfußball genau die richtige Entwicklungsperspektive für Kinder in diesem Alter sind", erzählt der Referent für Kinderfußball im Leistungszentrum von Werder Bremen im Gespräch mit buten un binnen. Vor allem lobt er, dass die klassischen Positionen auf dem Spielfeld durch Funino aufgehoben werden.
Die Spielform ist aus seiner Sicht die passende Variante, um Kreativität und Entscheidungsfindung bei den jungen Kickern zu fördern. Zumal Funino in der Praxis tatsächlich gewährleiste, dass alle Kinder auf dem Feld häufiger an den Ball kommen oder dribbeln. Bei der klassischen Variante mit sechs Spielen plus einem Torwart auf den größeren Jugendtoren sei es hingegen so, dass die stärkeren Spieler sich schnell durchsetzen und die noch etwas schwächeren kaum einen Bezug zum Fußball herstellen – und deshalb auch früh mit dem Sport wieder aufhören.
Barten lobt den Turnier-Modus
Mike Barten, Verbandsportlehrer beim Bremer Fußball-Verband, sieht es ähnlich. Auch er verweist darauf, dass es durch Funino zu mehr Pässen und Torabschlüssen komme. Zudem würde der Turnier-Modus dafür sorgen, dass gleichstarke Kinder aufeinandertreffen und alle mehr Einsatzzeit erhalten. Schließlich sei es ansonsten oftmals so gewesen, dass die leistungsschwächeren Kinder nur bei einer hohen Führung für die letzten Minuten mal aufs Feld dürften.
Wie oft haben wir es sonst, dass Kinder gar nicht berücksichtigt werden und nur die Stärkeren auf dem Platz stehen? So entwickelt sich kein Kind. Es ist immer schade, wenn uns dadurch im Breitensport viele Kinder verloren gehen.
Mike Barten, Verbandssportlehrer beim Bremer Fußball-Verband
Vermissen die Kinder das Spiel auf die größeren Jugendtore?
Die Auffassungen von Voß und Barten können Uli Marienfeld und Jan Herbort durchaus teilen – aber nicht vollumfänglich. Marienfeld trainiert seit 40 Jahren Fußball-Mannschaften. Von den ganz Kleinen bis zum Herrenbereich. Derzeit ist er bei der ATS Buntentor für die G-Jugend zuständig. "Funino hat schon seine Berechtigung, weil die Kinder dadurch andere Fähigkeiten erwerben" berichtet der 68-Jährige. "Sie sind mehr am Spiel beteiligt, kommen auf mehr Ballkontakte, agieren kreativer und müssen handlungsschneller sein."
Diese Erfahrungen hat auch Herbort gemacht. Der 22-Jährige trainiert derzeit bei der TSV Wulsdorf die F-Jugend und die G-Jugend. Marienfeld und er haben in der Praxis jedoch auch Probleme mit Funino festgestellt. Marienfeld vetritt die Auffassung, dass durch Funino die Spieler nicht komplett ausgebildet werden. Schließlich würden auch der klassische Torabschluss und das Torwartspiel zum Fußball gehören. Viele Kinder, so Marienfeld, seien enttäuscht, wenn sie nicht ins Tor gehen dürften. "Die Kinder spielen total gerne auf große Tore“, erzählt er. Diese Erfahrung hat auch Herbort schon mehrfach gemacht.
Vor zwei Wochen hätten wir eigentlich ein Turnier gehabt, bei dem auf große Tore gespielt werden sollte. Das wurde dann leider aufgrund des schlechten Wetters abgesagt. Da haben einige Kinder geweint, weil sie sich so sehr darauf gefreut hatten, endlich mal wieder auf große Tore zu spielen. Sie hatten es satt, nur noch Funino zu spielen.
Jan Herbort, Trainer der F-Jugend und G-Jugend bei der TSV Wulsdorf
Mehr Schulungen vom Bremer Fußball-Verband?
Auch Marienfeld passt es nicht, dass bei den Kleinsten nur noch auf Funino gebaut wird. "Beides hat seine Berechtigung. Ausschließlich nur noch eine Spielform zu implementieren, das finde ich nicht okay", betont er. Zumal es auch beim Funino vorkomme, dass schwächere Spieler weniger Ballkontakte hätten. Er ist deshalb froh, dass Klubs gelegentlich auch Turniere auf die klassischen Jugendtore anbieten.
Laut Herbort ist es in der Praxis zudem ein Problem, dass viele Trainer die exakten Funino-Regeln nicht kennen würden und ihre Teams diese in der Folge auf dem Feld auch nicht einhalten. Beispielsweise werde nach einem eigenen Torerfolg nicht wieder hinter die Mittellinie gerückt. Noch schlimmer werde es, wenn dann Väter als Vertretung zwischenzeitlich aushelfen. Hier wünscht er sich, dass der Bremer Fußball-Verband häufiger Schulungen anbietet, damit alle auf einem Stand sind.
Bremen bleibt ab der E-Jugend beim klassischen Format
In Bremen sollen derweil die Pläne des DFB ab Sommer 2024 nicht komplett umgesetzt werden. Dieser wünscht sich, dass deutschlandweit auch in der E-Jugend noch Funino gespielt wird. Der Bremer Fußball-Verband will laut Mike Barten ab der E-Jugend jedoch weiterhin auf das klassische Modell mit sechs Feldspielern, einem Torwart und klassischen Jugendtoren setzen.
Lediglich den Pokal-Wettbewerb wird es nicht mehr geben. Als Alternative für diesen könnten Vereine dann Turniere anbieten, bei denen auf Jugendtore mit nur noch vier Spielern plus Torwart gespielt wird. Durch die geringere Anzahl an Spielern auf dem Feld soll dabei gewährleistet werden, dass jedes Kind auf mehr Ballkontakte kommt. Alternativ könnten die Turniere auch im Funino-Format ausgetragen werden.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen mit Sportblitz, 1. November 2023, 19:30 Uhr