Interview
Warum diese Beverstedterin 10.000 Kilometer durch Europa gelaufen ist
Von Zypern bis zum Nordkap, größtenteils zu Fuß: Bei 3 nach 9 erzählt Johanna Geils, warum sie diese Reise gemacht hat – und unterwegs noch nicht einmal ein Zelt dabei hatte.
Rucksack auf und los: So oder so ähnlich ging Johanna Geils wohl an ihr Reiseabenteuer in diesem Jahr heran, das sie in fünf Monaten durch elf Länder führte. Den Großteil davon legte sie zu Fuß zurück – ohne Zelt, nur mit ihrer Hängematte im Gepäck.
Geils wurde 1990 in Beverstedt geboren und hat in Bremen Freizeitpädagogik studiert. Sie ist am liebsten draußen und war unter anderem in Australien und Südamerika unterwegs. In Großbritannien hat sie mehrere Jahre als Ouotdoor Instructor gearbeitet. Und wenn Johanna Geils gerade nicht unterwegs ist, arbeitet sie für Naturparks, Erlebniswelten und Medienunternehmen.
Frau Geils, wie kommt man auf die Idee, so eine Reise zu machen?
Die Lust für so etwas war schon immer da. Ich war schon immer gern draußen und in der Natur. Die konkrete Idee für meine Reise ist mir in England gekommen. Da habe ich als Outdoor-Instructor gearbeitet und bin jeden Tag mit Menschen geklettert und war viel draußen.
Dort gab es auch eine kleine Bush-Craft-Ecke. Die Gäste konnten lernen, wie sie zum Beispiel ohne Streichholz ein Feuer entzünden. Oder wie sie im Wald einen Unterschlupf bauen. Und wenn man jahrelang dabei ist, wenn Menschen ihre Komfortzone verlassen, dann will man das irgendwann auch. Ich wollte wissen: Wie ist das für mich?
Diese Reise war dein großer Traum. Was war das für ein Gefühl, als du endlich aufgebrochen bist?
Die Anfangszeit von so einer Reise ist die härteste Zeit. Für mich war die Angst vor der eigenen Courage überwältigend. Damit habe ich nicht gerechnet. Am ersten Tag hat es nur eine halbe Stunde gedauert, bis ich dachte: Wie zur Hölle soll ich mit meiner Ausrüstung bis nach Norwegen kommen?
Ich bin auf Zypern gestartet inmitten von Ferienhäusern. Und habe mich die ganze Zeit gefragt, was ich hier eigentlich mache. Die erste Nacht habe ich dann direkt am Weg geschlafen. Und Anfang März hatte ich dann auch noch einen Schneesturm. Ich habe mich dann aber relativ schnell an alles gewöhnt.
Fünf Monate zu Fuß durch Europa und alles unter freiem Himmel – wieso ohne Zelt?
Einerseits aus Gewichtgründen. Meine ganze Reise war ein Experiment. Ich wollte schauen, ob ich das ohne Zelt schaffe. Und es ist natürlich beim Laufen viel komfortabler. Gleichzeitig hatte ich aber auch kein großes Reisebudget und wollte Geld sparen. Zusätzlich ist Wildcampen in vielen Europäischen Ländern verboten. Unter freiem Himmel schlafen ist dagegen eine Grauzone. Wenn ich meine Hängematte in Griechenland an einen Olivenbaum gehängt habe, habe ich trotzdem gedacht: Hoffentlich kommt jetzt keiner! Aber wenn man alles sauber hinterlässt, sagt eigentlich niemand was.
Ich muss aber auch sagen: Ich habe mir die Nächte draußen romantischer vorgestellt. Man bekommt alles um sich herum mit. Aber das ist Trainingssache, irgendwann habe ich das nicht mehr gehört. Und morgens war es umso schöner: Vom Sonnenaufgang geweckt zu werden, ist einfach magisch.
Wie ist so eine Reise alleine als Frau?
Das war nicht meine erste Reise alleine. Die Erfahrung sagt mir: Es passiert eher etwas an Orten, wo viele Leute sind. Ich habe beispielsweise mehr schlechte Erlebnisse in Hostels gemacht als in der Natur. Trotzdem: Abends habe ich immer geschaut, ob jemand in der Nähe ist.
Und was war das schönste Erlebnis auf der gesamten Reise?
Vom Soča-Tal in Slowenien hatte ich vor meiner Reise schon vorher Fotos gesehen. Ich war mir aber nicht sicher, ob ich es bis dahin schaffe. Und als ich dann dort stand und den türkisblauen Fluss gesehen habe, liefen mir die Tränen über das Gesicht.
Ich war so erfüllt von Dankbarkeit und habe gewusst: der ganze Schweiß, die Strapazen, die Tränen – das alles hat sich gelohnt für diesen Moment.
Das Interview führte Judith Rakers für 3nach9, verschriftlicht wurde es von Pamina Rosenthal für butenunbinnen.de.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: 3 nach 9, 28. Juni 2024, 22 Uhr, Radio Bremen Fernsehen