Fragen & Antworten
Was hilft gegen Dauerstress? Bremer Gesundheitsexperten geben Tipps
Im Beruf, Studium und Alltag erleben wir täglich Stress. Obwohl er auch positiv sein kann, wird er häufiger zur Belastung. Wie findet man einen Ausweg aus dem Stresstunnel?
Ständige Erreichbarkeit, volle To-Do-Listen und der Kopf raucht: Stress ist im Alltag allgegenwärtig. Laut einer Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen aus dem Jahr 2023, berichtet rund die Hälfte der Beschäftigten in Bremen von einem gestiegenen Stresslevel in den letzten drei Jahren. 51 Prozent davon empfinden die Zunahme an Stress als eine (sehr) starke Belastung.
Dabei kann Stress nicht nur die Lebensqualität beeinträchtigen, sondern auch ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Es gibt jedoch Möglichkeiten, diesem Druck entgegenzuwirken. Markus Schnare vom betrieblichen Gesundheitsmanagement der Hochschule Bremen und Persönlichkeitscoach Tina Middendorf erklären, wie Stress überhaupt entsteht und geben Tipps, was dagegen hilft. Dabei sei aber auch wichtig zu erkennen, wann die eigenen Bewältigungsstrategien nicht mehr ausreichen.
Wie entsteht Stress?
Laut Markus Schnare entsteht Stress bei jedem Menschen in unterschiedlichen Situationen. Denn die Bewertung dessen, was wir als Stress empfinden, sei sehr individuell: "Wenn ich eine Spinne sehe und mein Gegenüber frage: Haben Sie Angst? Dann antwortet jeder anders. Für die einen ist das eine Bedrohung, für die anderen nicht."
Genauso sei auch Stress für jeden etwas anderes, denn die Entscheidung, ob etwas als stressig empfunden wird, treffe jeder für sich. Mit negativen Auswirkungen: In solchen Situationen konzentriere man sich auf die Gefahr, wodurch Kreativität und problemlösendes Denken automatisch reduziert würden.
Woher kommt Stress überhaupt?
Sei es die Prüfungsphase, die Nachprüfung oder der Ausbildungsbeginn – die meisten Menschen denken, so Tina Middendorf, dass Stress von außen kommt. Dabei entstehe er immer ins uns selbst. "Wenn wir zum Beispiel einen kleinen Perfektionisten in uns haben, der denkt: 'Ich darf keine Fehler machen! Dann passiert etwas was ganz Schlimmes'", erklärt Middendorf. Vor allem in neuen Situationen sei man oft mit Stress konfrontiert, da dort am häufigsten Fehler passieren.
Schnare betont, dass Stress eigentlich als kurzzeitiges Ereignis definiert wird, solche "Gefahrensituationen" aber heutzutage viel häufiger geworden sind. Als Ursache für den dauerhaft erhöhten Stresspegel identifiziert er beispielsweise die Verdichtung der Freizeit, den Medienkonsum, neue Arbeitsformen, aber auch die aktuellen Krisen in der Welt. "Das verlangt von uns Anpassungsleistungen und das stresst uns. Denn diese Unsicherheiten widersprechen dem menschlichen Grundbedürfnis nach Sicherheit."
Hat Stress auch etwas Positives?
Ja, sagt Schnare. Denn Stress schütze uns vor Gefahren und erhöhe unsere Leistungsfähigkeit. Das Phänomen der heutigen Zeit sei aber eine Art Dauerstress, bei dem man nicht mehr zur Ruhe komme. Stress an sich sei nichts Schlechtes, wenn er wieder weggeht.
Man muss sich das Gehirn wie einen Browser vorstellen. Wenn man da 18 Tabs gleichzeitig offen hat, darf man sich nicht wundern, wenn die Maus nicht mehr funktioniert.
Markus Schnare, Betriebliches Gesundheitsmanagement Hochschule Bremen
Stress könne auch motivieren, so Middendorf, denn er sorge im Körper dafür, dass das Herz schneller schlägt und wir gut mit Sauerstoff versorgt werden. Das steigere die Konzentration.
Negativ wird es eigentlich nur, wenn wir uns zusätzlich innerlich diesen Druck machen. Dann kann das kippen und dann kann Stress auch negativ sein.
Tina Middendorf, Persönlichkeitscoach
Was kann man dagegen machen, wenn der Stress ins Negative kippt?
Schnare fasst es so zusammen: "Achtsamkeit, Reflektieren, Ursachen identifizieren, Rat holen und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten, Probleme zu lösen". Selbstwirksamkeit sei ein entscheidender Faktor. Das heißt, sich zu fragen, wie man ähnliche Probleme schon einmal gelöst hat und sich vor Augen zu führen, wo die eigenen Stärken liegen. Denn die Lösung müsse man immer für sich selbst finden.
Genauso sei es wichtig, sich zu überlegen, was man im positiven Sinne unter Kontrolle hat oder zumindest welche Einflussmöglichkeiten bestehen, so Schnare. Manche Arten von Problemen könne man nicht lösen, sondern nur akzeptieren. Außerdem sollte man vermeiden zu katastrophisieren, sich also noch tiefer in den Stress hineinzusteigern.
Unabhängig von Entspannungstechniken, die zwar auch kurzzeitig entlasten können, empfiehlt er unter anderem, sich Rat aus dem näheren Umfeld zu holen. Denn andere Menschen können oft einen Perspektivwechsel bieten.
Middendorf rät dazu, sich mal bewusst auf die eigene Atmung zu konzentrieren. Genauso helfe es, sich einmal kurz aus der Situation rauszuholen und wahrzunehmen, über was man sich gerade überhaupt Sorgen macht. "Dann kannst du dich nämlich mal kurz selber fragen: Was ist denn jetzt eigentlich das Schlimmste, was passieren könnte? Und wenn das passiert, wäre das wirklich so schlimm? Meistens gibt es nämlich gar nicht dieses krasse Horrorszenario", erklärt Middendorf.
Wann sollte man sich Hilfe holen?
Wenn zum Stress die Erschöpfung hinzukomme und man merkt, dass man den Akku nicht wieder vollständig auffüllen kann, sagt Schnare. Ein entscheidender Punkt sei es, wenn man anfängt, an seinem eigenen Wert zu zweifeln. "Zu denken, ich kann das nicht bewältigen, das nagt an meinem Selbstvertrauen: 'Ich schaff das nicht!' Wenn dadurch das Selbstvertrauen schwindet, kann es zu einer Erkrankung führen", warnt Schnare.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Next, 18. September 2024, 09:01 Uhr