Interview

Bremer Erziehungsexpertin: "Strafe muss nicht sein"

Von laissez-faire bis autoritär: So sollte Erziehung aussehen

Bild: Radio Bremen

Bettina Hartwich vom Kinderschutzbund Bremen leitet Elternkurse. Im Interview mit buten un binnen spricht sie darüber, wie die Erziehung von Kindern ohne Bestrafungen auskommen kann.

Frau Hartwich, aus Ihrer Erfahrung gesprochen: Muss Strafe sein?

Nein, Strafe muss nicht sein. Kinder, die Bestrafung erfahren, fühlen sich ungerecht behandelt. Das bedeutet, dass sich dann auch die Beziehung zwischen Eltern und Kindern verschlechtert. Kinder brauchen zum Aufwachsen Liebe, Vertrauen und Anerkennung und wenn das in der Erziehung fehlt oder wenn Kinder bestraft werden, fühlen sie sich nicht geliebt und können kein Vertrauen fassen, fühlen sich nicht anerkannt, und das belastet dann die Beziehung.

Aber meistens stellen Eltern ja auch Regeln auf, um miteinander leben zu können. Wie will man das denn einhalten, wenn es keine Sanktionen gibt?

Man muss in dem Fall natürlich auf das Verhalten des Kindes eingehen, aber eben auf das Verhalten des Kindes und nicht das Kind selbst demütigen oder strafen. Es geht darum, mit dem Kind in Beziehung zu bleiben, auch nachzufragen "wie kam es dazu, dass du dich so verhalten hast?" Dann kann man mit dem Kind überlegen: Was könnten die Konsequenzen sein, die man daraus ziehen kann? Damit das Kind auch versteht, was an dem Verhalten verkehrt war. Und vor allen Dingen soll das eine Einsicht beim Kind befördern. Wenn das Kind versteht: "Mein Verhalten war nicht ok – und nicht ich", dann kann das Kind viel leichter Einsicht gewinnen.

Sie sprechen in Ihren Kursen viel mit Eltern. Über welche Probleme und Situationen sprechen sie dort häufig?

Das sind oft sehr alltägliche Situationen: Das tägliche Zähneputzen, Zimmer aufräumen oder auch Computerspielen – und sich dabei nicht an die Regeln zu halten.

Was raten Sie dann den Eltern, wenn zum Beispiel beim Computerspielen eine Zeit abgemacht ist und das Kind länger oder heimlich spielt? Wie geht man da als Eltern vor?

Grundsätzlich sind kleine Heimlichkeiten schon in Ordnung. Die braucht das Kind auch. Eltern brauchen dabei wirklich einen sehr langen Atem und viel Energie, dieses Thema immer wieder zu besprechen. Es geht darum, das Kind von Anfang an dabei zu begleiten, dass das Kind lernt, sich dabei zu begrenzen. Computer und Medien haben einen gewissen sog und eine gewisse Suchtwirkung.

Aber wenn jetzt eine vereinbarte Zeit vom Kind nicht eingehalten wurde, muss ich doch als Eltern schon sagen: "Die Stunde, die wir vereinbart haben, ist rum, jetzt spielst du schon zwei Stunden." Man muss doch sagen: "So geht es nicht."

Genau, aber man muss dann auch mit dem Kind solche Regeln vereinbaren, indem es unterstützt wird, diese Regeln einzuhalten. Wenn ich eine Stunde vereinbare, dann muss ich mit dem Kind auch besprechen: "Wie gelingt es, diese eine Stunde einzuhalten?" Stelle ich mir einen Wecker oder möchte ich erinnert werden? Meistens muss man bei Computerspielen auch noch mal abspeichern: Zählt das mit in die Spielzeit oder nicht?

Wenn das Kind dann eine Vereinbarung bricht und ich dann doch laut werde, weil ich total wütend werde, wie gehe ich damit um?

Wir haben schon geklärt: Körperliche Bestrafung darf nicht sein. Wenn ich aber als Elternteil merke, dass ich richtig sauer geworden bin und ich etwas Unfreundliches gesagt habe, dann kann ich mich natürlich für mein Verhalten anschließend entschuldigen. Das ist auch wichtig. Wir sind den Kindern in dem Moment auch ein Vorbild. Wir möchten auch, dass unsere Kinder sich entschuldigen können, also können wir da mit gutem Beispiel vorangehen.

Das Interview führte János Kereszti, aufgeschrieben wurde es von Niklas Hons.

Autor

  • Moderator Janos Kereszti
    János Kereszti Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. Oktober 2024, 19:30 Uhr