Roller Derby: Von Krawall, Hormonhighs und Empowerment
Roller Derby: Von Krawall, Hormonhighs und Empowerment
Blaue Flecken, Selbstbestimmung und Spaß am Kräftemessen – die Essenz von Roller Derby, eine Art ruppigem Rugby auf Rollschuhen. Zu Besuch bei einem Bremer Team.
Bunte Rollen flitzen über den Hallenboden – pinke, rote und grüne Farbtupfer. Lilo Reinhold, eine zierliche Person in dunkler Trainingsjacke, nimmt Anlauf. Kurze blonde Haare lugen unter dem Helm hervor, darunter ein Zahnschutz wie beim Boxen, die Füße stecken in Rollschuhen.
Das Gegenüber: Eine Blockade aus drei Spielerinnen. Dann ein Aufprall. Schützer knallen auf Schützer als Reinholds erste Versuche, sich seitlich vorbeizuschieben, scheitern. "Die Übung war jetzt, dass die anderen Spielerinnen bei Anpfiff über die Startlinie rüber rollen und mir direkt entgegenkommen", sagt Reinhold. "Dann steht man echt vor so einer Wand. Und hat gar keine Chance."
Sport und Selbstermächtigung

Roller Derby ist ein Vollkontaktsport, seinen Durchbruch hat er in den 40er-Jahren in den USA. Anfangs als eine Art Wrestling-Show auf Rollschuhen, inklusive Raufereien und Massenkarambolagen. In den 2000ern entdecken insbesondere Anhängerinnen der Frauenbewegung den Sport. Seitdem ist er besonders bei queeren Menschen und Frauenteams beliebt, auch durch Einflüsse aus der Punk- und Riotgirl-Szene. Teil des Sports: Selbstermächtigung und das Aufbrechen von Genderrollen. "Es ist ein Sport, in dem man sich sehr stark fühlen, aber auch zeigen kann", sagt Reinhold vom Bremer Roller-Derby-Team, den Meatgrinders.
Hier kann man selber spüren, wie viel Kraft man eigentlich hat. Mal jemandem vom Track runterhitten und gucken, wie sich das so anfühlt. Oder aber stabil stehen bleiben und merken, dass man nicht direkt umfällt, wenn jemand mit Vollkaracho in einen reinfährt.
Lilo Reinhold, Teammitglied der Meatgrinders
Das Ziel des Spiels
Der Track ist das ovale Spielfeld beim Roller Derby. Dort treten zwei Teams aus jeweils fünf Menschen gegeneinander an. Zu jedem Team gehört eine Jammi-Person – sie hat die Aufgabe, das Oval möglichst schnell abzufahren und die gegnerische Jammi-Person zu überrunden. Die sogenannten Blockis wiederum sollen die Jammi-Personen aufhalten – mit vollem Körpereinsatz.
Gehört ein bisschen Lust auf Prügel auch zum Sport? "Vielleicht", sagt Reinhold und lacht. Reinhold selbst bringt einige Jahre Kampfsporterfahrung mit. Trotzdem gehe es liebevoll untereinander zu. Zweimal die Woche trainieren die Meatgrinders aktuell, alle paar Wochen spielen sie auch gegen andere Teams, zuletzt gegen Essen.
Keine Angst vor dem Fallen
Lorene Sauer ist seit gut zwei Jahren dabei. Für sie war der Sport, in dem es auch mal ruppiger zugeht, anfangs eine Herausforderung. "Ich hatte Angst vorm Fallen. Bis ich die richtigen Schoner hatte, hat es auch nicht gut funktioniert. Mit den richtigen Schonern fällt man weich und es ist nicht schlimm", sagt die 31-Jährige.

Sich Ängsten stellen, sich überwinden – auch das gehört zum Roller Derby. Um Verletzungen zu vermeiden, lernen Neue bei den Meatgrinders Stück für Stück, wie man richtig fällt. Oder wie man auf Rollen seine Position hält – trotz gegnerischem Ansturms.
"Dafür gibt es den Derby Stance", erklärt Reinhold. "Das bedeutet, dass man so ein bisschen wie in einem Squat tief steht, die Bauchmuskeln anspannt, den Oberkörper aufrecht lässt – das hilft schon mal viel, um auf Rollschuhen stabil zu bleiben."
Und der Reiz vom Roller Derby?
Weil der Sport so intensiv ist und so viel gleichzeitig passiert, ist man während des Spiels ganz im Moment, sagt Kačka Bartková. Sie könne während des Trainings alles andere ausblenden, sich ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Die 30-Jährige ist vergangenes Jahr neu eingestiegen und vergleicht Roller Derby spielen mit dem Hormonhigh zu Beginn einer neuen Beziehung.
Es ist aufregend und macht mich glücklich. Der Körper schüttet beim Spielen viel Dopamin und Adrenalin aus. Es gibt immer was Neues zu lernen, und das Team ist einfach total cool und sweet.
Kačka Bartková, Teammitglied der Meatgrinders

Schneehittchen, Loucifer oder Violent Batty – auch wenn die Derbynamen im Team erstmal einschüchternd klingen, ist ihnen Eines ganz besonders wichtig: "Wir achten sehr aufeinander." Roller Derby vereint Kraft und Wumms – aber auch Rücksicht, damit sich alle wohl fühlen können.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Feiertagsvormittag, 20. April 2025, 12:10 Uhr