Interview
Wie eine Bremer Bildungsexpertin das Ergebnis der Pisa-Studie bewertet
Die deutschen Schüler belegten bei der Bildungsstudie den letzten Platz. Die Leiterin des IQHB, eines kommunalen Instituts zur Qualitätsentwicklung an den Schulen, ordnet es ein.
Die deutschen Schülerinnen und Schüler haben in der internationalen Leistungsstudie Pisa im Jahr 2022 so schlecht abgeschnitten wie noch nie zuvor. Sowohl im Lesen als auch in Mathematik und Naturwissenschaften handle es sich um die niedrigsten Werte, die für Deutschland jemals im Rahmen von Pisa gemessen wurden. Auch international sei die durchschnittliche Leistung drastisch gesunken, teilte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Dienstag in Berlin mit. Es ist das erste Pisa-Zeugnis seit der Corona-Pandemie.
Wie die Situation in Bremen aussieht und wie die Ergebnisse zu deuten sind, erklärt Susanne Kollmann, Direktorin des Instituts für Qualitätsentwicklung im Land Bremen (IQHB).
Was ist denn das größte Problem in Bremen?
Ganz groß ist das Thema Lesen. Viele Studien zeigen, dass sich die Lesefähigkeit positiv auf mathematische oder naturwissenschaftliche Fähigkeiten der Schülerinnen auswirkt. Das ist ja auch selbsterklärend: Wenn ich etwas gar nicht richtig lesen kann, kann ich auch im Mathematikunterricht keine Textaufgaben erfassen. Das hat dann weniger mit den mathematischen Kompetenzen als mit der Lesefähigkeit zu tun.
Gerade bei den Basiskompetenzen im Bereich der Mathematik und der Sprache sehen wir, wie auch im IQB-Bildungstrend für Bremen, den größten Handlungsbedarf. Wir müssen wieder zum Anfang zurückkehren und uns darum kümmern, dass die Schüler und Schülerinnen die Basiskompetenzen erlangen, die Regelstandards erreichen. Lesen und schreiben können sowie die mathematischen Grundfähigkeiten beherrschen – um darauf aufbauend weiter fördern zu können.
Wie aussagekräftig ist das Ergebnis für Bremen und Deutschland?
Über die Messinstrumente kann man streiten. Eben auch, weil sehr unterschiedliche Bildungssysteme miteinander verglichen werden. Da eine einheitliche Struktur zu finden, fällt uns in Deutschland ja schon manchmal mit 16 Bundesländern schwer. Und auf OECD-Ebene kann man sich vorstellen, dass das noch wesentlich komplizierter ist.
Nichtsdestotrotz kann man grob sagen, wie sich die Entwicklung in Deutschland im Vergleich zu den anderen Ländern abbildet. Man sollte immer den Verlauf anschauen, dann kann man auch eine Entwicklung beobachten – die ist leider wieder rückläufig für Deutschland. Die Kompetenzen unserer 15-jährigen Schülerinnen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen haben seit 2018 deutlich abgenommen. Mit diesem Ergebnis muss man dann eben umgehen. Das ist national, aber eben auch auf Länderebene kein erfreuliches Ergebnis. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf in der Bildung.
Also ist der europäische Ländervergleich nicht sehr sinnvoll?
Ich würde die Ergebnisse immer eher als Hinweis nehmen – gerade die von Pisa, weil sie so grob sind. Den Vergleich zwischen den Ländern finde ich immer sehr schwierig, weil wir von ganz verschiedenen Ländern reden. Wir hatten mal ein gutes Beispiel, das waren Währungseinheiten. Es gibt Kinder, die mit dem Euro zurechtkommen, und Kinder, die mit ganz anderen Größen und Maßeinheiten rechnen. Das wird auch nicht immer berücksichtigt. Ebenso wenig wie die Frage: Wer nimmt überhaupt an Pisa teil? Welche Stichprobe wird in den Ländern wie gezogen?
Ich finde den Vergleich von Deutschland mit Schweden oder anderen Ländern immer sehr schwierig. Schweden hat ein anderes Bildungssystem, diese Unterschiede kann man aufzeigen und vermuten, ob es da vielleicht irgendwelche Sachen gibt, die in Schweden besser funktionieren. Aber Schweden ist auch von der Bevölkerungsstruktur ein ganz anderes Land als Deutschland, das Bildungssystem ist anders.
Das war der erste Test seit Corona. Spielt die Pandemie auch eine Rolle?
Ja, sehr wahrscheinlich. Es hat sich aber auch gezeigt, dass es schon vor 2018 bei Pisa insbesondere bei Mathematik und Naturwissenschaften Mängel gab. Der Trend hat sich jetzt fortgesetzt. Ob der durch die Pandemie verstärkt wurde, lässt sich vermuten. Das wird wahrscheinlich so sein.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 5. Dezember 2023, 11 Uhr