Organspendemangel: "Die Leute sind tot an mir vorbeigefahren"
Wie das digitale Organspende-Register Leben retten kann
Das Organspenderegister soll seit einem Jahr helfen, Leben zu retten. In Bremen warten 50 Patienten. Eine Bremerin erzählt, wie sie seit Jahrzehnten mit ihrem Spenderorgan lebt.
Bärbel Fangmann scheint auf den ersten Blick wie eine ganz normale 65-jährige Frau. Sie wohnt allein in Marßel in ihrer Wohnung, auf dem Tisch stehen Tee und Kekse. In den Schränken stehen Bilder der Kinder und Enkelkinder, an den Wänden hängen Tickets vergangener Konzerte.
Wer sich länger mit ihr unterhält, der stellt allerdings schnell fest: Dass Bärbel Fangmann hier immer noch sitzt, grenzt an ein Wunder. Vor 35 Jahren erkrankt sie an primär sklerosierende Cholangitis. Mit anderen Worten: Ihre Gallengänge verändern sich, sind chronisch entzündet.
Schnell ist sie auf eine Spender-Leber angewiesen. Die junge Mutter wirft das völlig aus der Bahn. Sie muss im Krankenhaus aufgepäppelt werden, damit eine Operation überhaupt infrage kommt. "Ich bin dann von einer Überlebenschance von 20 Prozent auf 80 Prozent gekommen", sagt Fangmann.
Organspenderegister seit einem Jahr online
Dass das Thema Organspende heutzutage noch viel zu wenig thematisiert wird, findet Sonja Schäfer. Sie ist die Organspendebeauftragte für Bremen und Bremerhaven. Seit einem Jahr gibt es jetzt ein Organspenderegister. Es ist am 18. März 2024 an den Start gegangen. "Die Idee zu dem Organspenderegister war, dass wir die Menschen eher zu einer Entscheidung für oder gegen Organspende motivieren", erklärt Schäfer.
Wie funktioniert das Organspende-Register?
In das Register können Menschen online eintragen, ob sie ihre Organe spenden wollen – und wenn ja, welche. Auch Kliniken sollten Patientendaten so einfacher abrufen können. Das funktioniere bisher ganz gut, so Schäfer. Aktuell müssen ein paar der kleineren Kliniken noch an das Register angeschlossen werden. Etwa 90 Prozent seien aber bereits am Netz.
Tattoo bekannter als Register

Rund 270.000 Menschen sind bundesweit im Register eingetragen – wie viele sich davon neu für die Organspende registriert haben, lässt sich nicht sagen. Schleppend läuft es bei der Aufklärung über diese neue Möglichkeit, die eigene Wahl festzuhalten, findet Schäfer. Ihr fehlen begleitende Maßnahmen, die darauf aufmerksam machen.
"Das Organspende-Tattoo kennen hingegen ganz viele Menschen." Das Tattoo besteht aus zwei halben Kreisen und einem ganzen Kreis.
In Bremen werden vor allem Nieren gebraucht
In Bremen warten gerade 50 Menschen auf ein Spenderorgan. 40 von ihnen auf eine Niere. Sie ist das am meisten benötigte Organ. In Deutschland warten Menschen im Schnitt acht Jahre auf eine Niere. Oft sind sie auf eine regelmäßige Dialyse angewiesen und dürfen nur eine bestimmte Menge Flüssigkeit zu sich nehmen. Eine neue Niere könnte ihnen das ersparen.
Auf die Nieren folgen sechs benötigte Herzen, drei Lebern und eine Lunge. Wer auf welchem Platz auf die Wartelisten kommt, das entscheiden verschiedene Faktoren – unter anderem, wie dringlich das Organ benötigt wird.
Drei Jahre Wartezeit bis zur Transplantation
Bärbel Fangmann musste drei Jahre warten, bis sie eine neue Leber bekam. Die Jahre der Ungewissheit beschreibt sie als ein Auf und Ab. Viele ihrer Freunde seien im Krankenhaus gestorben. "Die Leute sind tot an mir vorbeigefahren, einfach weil kein Spenderorgan da war. Die letzte war meine Bettnachbarin, die war 16 Jahre alt."
An einem Tag im Januar vor knapp 30 Jahren raten ihr die Ärzte, keine Kekse zu essen – und dann die erlösende Nachricht. Es gibt eine Leber für die junge Mutter. Sie erholt sich sehr schnell von der Transplantation. Trotzdem muss sie auch Jahre später noch aufpassen – bekommt sie zu hohes Fieber, könnte ihr Körper die Leber auch immer noch abstoßen.
Erkrankung kehrt zurück
Fangmann berät inzwischen selbst Menschen, die auf der Warteliste für eine Organspende stehen. Sie ist die Regionalleiterin der Organtransplantierten in Bremen, ist auch auf Messen unterwegs, um aufzuklären.
Aufgeben ist für die 65-Jährige keine Option – auch wenn ihre Erkrankung inzwischen zurückgekehrt ist: "Ich hatte 27 sehr gute Jahre, jetzt schon drei ein wenig schwerere." Inzwischen ist primär sklerosierende Cholangitis behandelbar.
Bärbel Fangmann wünscht sich, dass sich mehr Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen – damit viele Menschen, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind, auch noch viele gute Jahre erleben können.
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Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 5. März 2025, 19:30 Uhr