So rülpsen und furzen Kühe weniger – und was das fürs Klima bringt
Die Milchwirtschaft hat keine gute Klimabilanz. Das Problem: Kühe stoßen bei der Verdauung Methan aus. Wie sich das ändern kann, will ein Pilotprojekt bei Bremen zeigen.
Abwechslungsreich ist der Speiseplan bisher nicht für Bobby und die anderen rund 130 Milchkühe auf dem Hof von Familie Kück in Gnarrenburg. Es gibt getrocknetes Gras aus eigenem Anbau, ein bisschen Maissilage, dazu Stroh und Kraftfutter – das immer gleiche Menü, Tag für Tag. Daran könnte sich bald etwas ändern. Denn der Hof im Landkreis Rotenburg ist einer von dreien, die das Deutsches Milchkontor (DMK) in Bremen für ein Pilotprojekt ausgewählt hat. Die große Frage: Kann man die Klimabilanz der Milchwirtschaft durch Änderungen beim Futter verbessern?
Bisher gehört die Landwirtschaft zu den größten Emittenten von klimaschädlichen Treibhausgasen – mehr als sieben Prozent beträgt der Anteil in Deutschland. Das Problem bei der Milchwirtschaft: Kühe stoßen bei der Verdauung Methan aus. Und das ist um ein Vielfaches schädlicher als CO2. Wenn also zu viele Kühe zu viel rülpsen und pupsen, dann schadet das dem Klima.
Futtermittel und Haltungsform überdenken
Um 20 Prozent sollen die Emissionen beim DMK, der größten Molkerei-Genossenschaft Deutschlands mit Sitz in Bremen, bis 2030 sinken. Und deshalb wird auf dem Hof Kück in Gnarrenburg bald experimentiert. Verändert es etwas, wenn man dem Futter Algen zusetzt? Oder den Maisanteil erhöht? Bis 2025 soll es Ergebnisse geben. "Wir wollen das gemeinsam stemmen und in diesem Pilotprojekt Erkenntnisse gewinnen, die wir idealerweise dann auf 5.500 Betriebe ausrollen können", sagt Oliver Bartelt, Pressechef beim DMK.
Dass das Futter einen Effekt haben kann, hat eine Studie der Universität Kiel gezeigt. Weidekühe, die eine Mischung aus Klee und heimischen Kräutern fraßen, stießen deutlich weniger Methan aus als die Vergleichsgruppe im Stall. Weidehaltung sei ein guter Beitrag zum Klimaschutz, sagt der Agrarforscher Franz-Theo Gottwald, der das Projekt des DMK wissenschaftlich begleitet. Denn grasende Kühe regen das Pflanzenwachstum an und fördern den Humusaufbau. "Die Kuh ist nicht der Klimakiller", sagt er. "Sie kann ein Teil der Lösung sein."
Futterexperimente sind nur ein Baustein
Bei Wolfgang Kück und seinem Sohn Sven, der den Betrieb bald übernehmen wird, stehen die Kühe ganzjährig im Stall. Weidehaltung war bisher keine Option für die Familie. Dennoch macht sich der Sohn Gedanken über den Klimaschutz. "Wir wollen von Generation zu Generation unsere Flächen und unseren Betrieb so weitergeben, dass die nächste Generation, wenn sie Lust hat, da auch drauf wirtschaften kann", sagt Sven Kück. "Und so sehe ich es beim Klimaschutz genauso."
Deshalb nimmt der Betrieb am Pilotprojekt des DMK teil. Die Futterexperimente sind dabei nur ein Baustein. Auch das Drumherum im Betrieb kann helfen, die Klimabilanz zu verbessern. Photovoltaik hat Familie Kück schon. Die Gülle fährt sie zu einer nahegelegenen Biogas-Anlage. Außerdem probiert sie, die Moorgebiete, auf denen der Hof sitzt, zumindest teilweise wieder zu vernässen. Kann der Wasserspiegel wieder steigen, ohne dass die Familie die Landwirtschaft aufgeben muss? "Bei Mooren können schon kleine Maßnahmen einen großen Effekt auf die Klimabilanz haben", sagt Experte Gottwald.
Nicht mehr nur an Ertrag und Effizienz orientieren
Nun sollen Landwirte Nutzflächen wieder zu Mooren machen, Kühe aus dem Stall wieder raus auf die Weide bringen und auch die Zusammensetzung des Futters überdenken. Die Umstellung auf eine klimafreundlichere Landwirtschaft verlangt den Bauern einiges ab. Schließlich wurden die Betriebe über Jahrzehnte vor allem auf eines getrimmt: Ertrag und Effizienz.
Und ob die Kunden an der Supermarktkasse bereit sind, für mehr Klimaschutz höhere Preise zu bezahlen, garantiert ihnen niemand. Trotz aller Bedenken: Mit dem Projekt des DMK und seinen Pilotbetrieben ist die Frage des Klimaschutzes auch in der konventionellen Milchwirtschaft angekommen. Hier gilt nun: Jeder Rülpser, jeder Pups zählt.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Dezember 2022, 19:30 Uhr