Fragen & Antworten
Kiffen am Steuer: Warum der Joint für Autofahrer wohl tabu bleibt
Der Bund will das Kiffen und den Anbau von Cannabis erlauben. Zugleich sucht die Ampel neue THC-Grenzwerte für Autofahrer. Ein Bremer Pharmakologe sagt, worauf es ankommt.
Cannabis wird in Deutschland legal, wenn auch mit einigen Einschränkungen. Nicht, wie ursprünglich geplant, bereits zum Januar, aber zum April 2024. Das bekräftigt die Bremer Bundestagsabgeordnete Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) auf der Website des Deutschen Bundestags. Kappert-Gonther ist die Vorsitzende des Gesundheitsaussschusses, der derzeit über den Gesetzesentwurf berät.
Die Bundesregierung erhofft sich von der Legalisierung der Droge insbesondere eine Entlastung für Polizei und Justiz. Noch ungewiss ist allerdings, welche THC-Grenzwerte (Tetrahydrocannabinol) künftig für das Führen von Kraftfahrzeugen auf deutschen Straßen gelten sollen. THC erzeugt die berauschende Wirkung von Cannabis. Eine Arbeitsgruppe des Verkehrsministeriums möchte hierzu auf wissenschaftlicher Basis bis zum Frühjahr Vorschläge erarbeiten. Der Bremer Pharmakologe Bernd Mühlbauer erklärt, wie sich Cannabis-Konsum am Steuer auswirkt.
Verkehrsunfälle im Land Bremen unter Drogeneinfluss (ohne Alkohol)
Wieviel THC darf man derzeit im Blut haben, um ungeschoren bei Verkehrskontrollen davon zu kommen?
Maximal 1,0 Nanogramm (ng) THC pro Milliliter Blutserum. Das ist im internationalen Vergleich sehr wenig. So sind laut Deutschem Hanfverband in Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland und Luxemburg 2 ng/ml erlaubt, in Großbritannien, Polen und der Schweiz 3 ng/ml, in den Niederlanden und in Portugal sogar 6 ng/ml.
Eine Kommission des Verkehrsministeriums soll derzeit für Deutschland einen neuen THC-Grenzwert festlegen. Worauf könnte es hinauslaufen?
Der ADAC ist sich sicher, dass der gegenwärtige Grenzwert für THC in Deutschland zu niedrig angesetzt ist. Daher hofft der ADAC, dass die Kommission den Grenzwert "angemessen raufsetzen" wird (siehe: https://www.adac.de/news/cannabis-am-steuer/). Der Bremer Pharmakologe Bernd Mühlbauer rechnet allerdings mit keinen wesentlichen Änderungen des aktuellen Grenzwerts, allenfalls mit einer kleinen Korrektur.
Und das sei auch richtig so, findet Mühlbauer. Vor allem deshalb, weil THC individuell sehr unterschiedlich wirke: "Der eine ist bei zehn Nanogramm pro Milliliter breit. Der andere schon bei zwei Nanogramm pro Milliliter." Daher sei Vorsicht geboten. Zumal es, anders etwa als im Falle von bekannten Opioid-Schmerzmitteln, keine wirklich vollständigen und verlässlichen klinischen Studien darüber gebe, wie sich der Konsum von THC auf die Verkehrstüchtigkeit auswirke.
Zur Orientierung: Unmittelbar nach dem Rauchen eines größeren Joints erreicht man Mühlbauer zufolge Werte von etwa 80 bis 90 Nanogramm THC pro Milliliter, in Ausnahmefällen mehr als 100.
Weshalb ist es überhaupt gefährlich, wenn man sich ans Steuer setzt, nachdem man einen Joint geraucht hat?
"Man ist nach einem Joint in seiner Konzentrations- und in seiner Reaktionsfähigkeit eingeschränkt. Und zwar so sehr, dass man nicht Auto fahren sollte", stellt Bernd Mühlbauer klar. So könne es vorkommen, dass ein Fahrer in seinem Rausch die Spur nicht halten kann, weil er sich immer wieder von Nebensächlichkeiten ablenken lässt. Oder dass er andere Verkehrsteilnehmer gar nicht oder zu spät bemerkt, so dass es zu einem Unfall kommt.
Wie gefährlich es konkret werde, wenn man sich nach dem Kiffen ans Steuer setzt, hänge vor allem davon ab, wie viel Zeit zwischen Joint und Fahrtbeginn liegt: "Der Rausch setzt sehr schnell ein. Die Haupt-Rauschwirkung ist typischerweise nach zwei bis sechs Stunden verflogen", so Mühlbauer.
Das bedeute allerdings keinesfalls, dass man sich acht Stunden nach dem Rauchen eines Joints wieder hinter das Steuer setzen und losfahren dürfe. Zwar baue der Körper den Großteil des Wirkstoffs THC (Tetrahydrocannabinol) innerhalb weniger Stunden ab. Um aber nach geltendem Recht fahrtüchtig zu sein, darf man nicht mehr als ein Nanogramm THC pro Milliliter im Blut haben. "Nach einem einmaligen Joint kann es schon einmal 18 Stunden dauern, bis man diesen Wert wieder unterschreitet", sagt Mühlbauer. Vorsichtshalber solle man frühestens 24 Stunden nach dem Kiffen wieder Auto fahren.
Was ist mit Leuten, die regelmäßig kiffen und Joints gewöhnt sind: Können die schneller wieder ans Steuer als andere Menschen?
Im Gegenteil. Wer regelmäßig kifft, sollte gar nicht Auto fahren, sagt Mühlbauer. "Diese Menschen würden sich und andere gefährden."
Auch lasse sich im Blut derjenigen, die viel und regelmäßig Cannabis rauchen, nicht nur das THC nachweisen, sondern auch Abbauprodukte, etwa die THC-Carbonsäure. Je nach Menge könne dies im Streitfall zur Folge haben, dass der Betroffene seinen Führerschein nicht nur für ein paar Wochen verliert, sondern dauerhaft – unabhängig von der Frage, welchen neuen Grenzwert für THC der Bund letztlich festlegen wird.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen mit Sportblitz, 10. Dezember 2023, 19:30 Uhr