Warum dieser iranische Kickbox-Profi jetzt in Bremen trainiert
Als der Iraner Majid Abedi als Geflüchteter nach Deutschland kommt, ist für ihn klar: Er will weiter Sport machen – und andere dazu motivieren. Nun leitet er Sport-Kurse in einem Flüchtlingsheim.
Fünf Treppenstufen geht es runter in den Keller des Wohnheims für Flüchtlinge in Bremen Hastedt. Einer der langen Gänge führt zu einer schweren Eisentür. Dahinter liegt ein großer Kellerraum. Der harte Betonboden ist teilweise mit Matten ausgelegt. Zwischen den Heizungsrohren hängen Boxsäcke von der Decke. Ein bisschen Licht scheint durch schmale, flache Kellerfenster. Das meiste kommt von hellen Neonröhren. Majid Abedi trägt eine schwarze Trainingshose und ein schwarzes Sportshirt. Er steht vor einer Gruppe Jugendlicher und streckt mit Schwung die Arme in die Höhe.
Schon zweimal beim Bremer Marathon mitgelaufen
Der 52-Jährige ist Kickboxprofi. Als er vor zwei Jahren nach Deutschland geflohen ist, war für ihn klar, dass er auch hier unbedingt Sport treiben will. "Ich bin ein begeisterter Sportler und direkt als ich hier angekommen bin, habe ich geguckt, wo ich Sport machen kann", erzählt er. Deshalb habe er sich beim Bremer Marathon angemeldet und ist schon zweimal mitgelaufen. Zufällig ist er auf dem Werbeplakat gelandet, groß zu sehen auf dem Foto vom Start – mittendrin zwischen den anderen Läufern.
Aber Abedi wollte sich nicht nur selbst bewegen, sondern auch andere dazu motivieren. Also schlug er vor, Kickboxtraining für Jugendliche und junge Erwachsene im Wohnheim anzubieten.
Diese Energie, die ich habe, möchte ich ganz gern einfach weitergeben an alle, die sich interessieren. Und sie auch aus der Migration und allem, was das mit sich bringt, gedanklich so ein bisschen rausziehen, von den Sorgen und Gedanken wegbringen durch den Sport.
Majid Abedi, Kickboxprofi aus dem Iran
Mit wenigen Möglichkeiten viel rausgeholt
Mit den wenigen Möglichkeiten, die sie haben, haben Wohnheimleiter Roozbeh Bayat und Majid Abedi den Raum für die Fitness- und Boxtrainings eingerichtet. Ein wenig finanzielle Unterstützung bekommen sie vom Landessportbund. Viel ist aber auch Eigeninitiative. Mehrmals die Woche trainiert Majid Abedi dort mit zwölf bis 14 Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auch einige Kinder sind manchmal dabei. Nach dem Aufwärmen und Dehnen übt er mit der Gruppe die Schläge und Tritte auf den Boxsack. Präzise schnellen seine Hände gegen den schwarz-glänzenden Stoff.
Dass Majid Abedi sich direkt von Anfang an engagiert und das Angebot selbst initiiert hat, findet Wohnheimleiter Roozbeh Bayat besonders. Es gibt in dem Wohnheim noch andere Angebote, für Kinder oder einen Gesprächskreis für Frauen. "Aber das sind alles Ehrenamtliche von außerhalb, oder Menschen, die schon länger hier sind", sagt Roozbeh Bayat.
Das ist schon außergewöhnlich, dass jemand erst so kurz hier ist und von selbst so etwas anbietet.
Roozbeh Bayat, Wohnheimleiter
Bei Weltmeisterschaften dabei
Als 14-Jähriger hat Majid Abedi mit dem Kickboxen angefangen. Dabei holte er nicht nur nationale Titel und Trophäen: Für sein Heimatland, den Iran, berichtet er, habe er die Asiameisterschaften gewonnen und auch an Weltmeisterschaften teilgenommen. Über 25 Jahre hat er als Kickboxtrainer gearbeitet und im Iran mehrere Kampfsportstudios geleitet. Seine Familie lebt noch im Iran. Sein 20-jähriger Sohn ist dort erfolgreicher Kickboxer.
Sport ist für Majid Abedi ein zentraler Bestandteil seines Lebens, hilft ihm, körperlich und mental gesund zu bleiben: "Sport ist für mich eine Erfüllung, beruhigt mich auch. So wie andere vielleicht Zigaretten rauchen, ist das bei mir der Sport, der mich runterbringt und mich erfüllt", erzählt er. Das vermittelt er auch den Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Im Sommer trainieren sie draußen im Park, im Winter in der Halle im Keller des Wohnheims.
Das Angebot ist für alle Menschen mit Flüchtlingsstatus, die sonst nicht die finanziellen Möglichkeiten für einen Sportkurs haben. Viele der Jugendlichen haben traumatische Erlebnisse hinter sich und mit ihrer neuen Situation nach der Flucht zu kämpfen. Sie nehmen bei dem Training viel mit, davon ist Majid Abedi überzeugt. Sport generell sei gut für Körper und Psyche. Speziell das Kickboxen hilft den geflüchteten Jugendlichen, ihre Emotionen zu regulieren.
In diesem Sport ist es so, dass Jugendliche ihren Frust, ihren Alltagsfrust, Sorgen, Ängste entleeren können. Sie sind einfach gechillter und gelassener gehen sie dann nach Hause.
Majid Abedi, Kickboxprofi aus dem Iran
Von solchen Angeboten könnten auch andere Kinder und Jugendliche in Bremen profitieren. Ehrenamtliche Trainer fehlen aber. Bundesweit ist die Zahl der Vereine zwischen 2011 und 2022 um fünf Prozent gesunken, in Bremen sogar um 15 Prozent. Ein Grund sind fehlende und marode Sporthallen – ein anderer der Mangel an Übungsleitern.
Auch Kickboxer Majid Abedi würde gern noch mehr Kurse und Trainings auch für andere Kinder und Jugendliche in Bremen anbieten. "Wenn man mir eine Mannschaft, einen Verein oder eine Möglichkeit zu trainieren gibt, dann bin ich immer mit ganzem Herzen dabei und sehr motiviert, mit den Kindern und Jugendlichen zu trainieren", sagt er. Die Mitarbeiter im Wohnheim sind mit dem Landessportbund in Kontakt. Sie versuchen, Majid Abedi an Bremer Sportvereine anzubinden. Damit er dort seinen Traum weiterleben kann, das Kickboxen und seine Leidenschaft für den Sport an möglichst viele Kinder und Jugendliche weiterzugeben.
Mehr Engagement in Bremen und umzu:
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 21. Dezember 2024, 13.40 Uhr