Fragen & Antworten

Bremer Gefängnisse am Limit: Wie schlimm ist die Situation wirklich?

Es ist das Treppenhaus und der Zugang zuden Zellen der Justizvollzugsanstalt in Oslebshausen zu sehen.

Bremer JVA überfüllt: Parlamentarier diskutieren über Platzmangel

Bild: Radio Bremen

Die Gefängnisse in Bremen sind überfüllt. Bestimmte Häftlinge werden gar nicht mehr aufgenommen. Wie voll sind sie wirklich? Und was könnte ihnen mehr Luft verschaffen?

Die Gefängnisse in Bremen und Bremerhaven platzen aus allen Nähten. Deswegen hat das Justizressort jetzt die Notbremse gezogen: Bis Mitte Oktober nimmt die Justizvollzugsanstalt (JVA) Bremen zumindest keine Häftlinge für eine Ersatzfreiheitsstrafe mehr auf. Die bekommt man dann, wenn man etwa eine Geldstrafe nicht bezahlt hat.

Der Rechtsausschuss der Bremischen Bürgerschaft trifft sich jetzt trotz Sommerpause zu einer Sondersitzung, um über die überfüllten Gefängnisse zu sprechen. Wie ist die Lage aktuell? Wir haben die wichtigsten Informationen gesammelt.

Wie voll sind die Gefängnisse im Land Bremen?

Mitte Juni saßen 723 Häftlinge in der JVA Bremen ein. Zu der JVA gehört das Gefängnis in Bremen Oslebshausen, aber auch die "Außenstelle" in Bremerhaven-Lehe. Erstmals seit 15 Jahren wurde damit die Zahl von 700 Häftlingen überschritten, und eben auch die Maximalbelegung von 717 Haftplätzen.

Deswegen ordnete das Justizressort zuletzt an, dass vorerst niemand mehr eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten soll. Anderweitig verurteilte Straftäter sind von dieser Regelung aber nicht betroffen: Mutmaßliche Täter werden weiterhin in Untersuchungshaft genommen.

Braucht Bremen also mehr Haftplätze?

Dass es in der Haftanstalt immer wieder platzmäßig eng wird, ist kein ganz neues Problem. Wichtig zu betonen ist: Wenn man von 717 Plätzen spricht, dann stimmt das nur rechnerisch. Denn eigentlich gilt die JVA schon mit 609 Gefangenen als "voll", also bei einer Belegung von 85 Prozent. Das hängt damit zusammen, dass nicht jede Zelle immer belegt werden kann. In der Frauenabteilung dürfen keine Männer wohnen. In der Jugendabteilung keine Erwachsenen. Untersuchungshäftlinge müssen von den übrigen getrennt werden.

Was jetzt schon Realität ist: Einzelräume werden mit zwei Häftlingen belegt, Doppelräume zum Teil mit drei. Was wiederum zu Konflikten und Gewalt führt.

Blick in eine karge Zelle mit einer blauen Matratze in der JVA Bremen.
Die Zellen in der JVA Bremen sind größtenteils voll. Bild: Radio Bremen | Verena Patel

Könnte man die JVA Oslebshausen nicht einfach vergrößern?

Man kann an das Gefängnis in Oslebshausen nicht einfach anbauen. Im Moment werden die historischen Gebäude aus dem Jahr 1874 eines nach dem anderen saniert. Und während der Renovierung der einzelnen Hafthäuser wohnen die Häftlinge in einem Containerdorf. Das könnte wohl auch später in Betrieb bleiben. Dann hätte die JVA 60 Plätze mehr. 

Ein Vorschlag, um der Bremer JVA mehr Luft zu verschaffen, ist, Häftlinge auch in anderen Bundesländern unterzubringen. Wäre das eine Lösung?

Das Justizressort denkt darüber nach, den Jugendstrafvollzug nach Hameln in Niedersachsen zu verlegen. Allerdings gar nicht so sehr wegen der räumlichen Enge, sondern weil man den jungen Straftätern dort bessere Ausbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten bieten könnte. Bremen und Niedersachsen sind diesbezüglich schon seit längerem im Gespräch. Konkret sind die Pläne allerdings noch nicht: Wenn knapp 60 Jugendhäftlinge in Hameln untergebracht werden sollen, müssen noch finanzielle Fragen geklärt werden. Auch Sachsen-Anhalt denkt darüber nach, bis zu zehn Häftlinge aus Bremen zu übernehmen.

  • Bremens Gefängnis ist überbelegt

    Das Gefängnis in Oslebshausen ist mit aktuell 723 Häftlingen überfüllt. Deswegen soll jetzt das Ersatzfreiheitsstrafrecht bis Oktober nicht vollzogen werden.

Zudem gibt es die Idee des Vorsitzenden vom Rechtsausschuss Marcel Schröder (FDP), die Frauenabteilung aus Bremen nach Vechta zu verlegen. Dazu sagt das Bremer Justizressort: Es gebe gar keine Verhandlungen zu diesem Vorschlag. Und es würde auch wenig Sinn machen, denn gerade mal drei Prozent der Bremer Häftlinge seien weiblich.

Ein Problem kommt hinzu: Wenn Gefangene aus Bremen nicht hier untergebracht werden, dann ist das für deren Angehörigen ein Problem. Weil Kontakte und Besuche nur noch schwer möglich sind. Das stehe einer Resozialisierung im Wege.

Der Betrieb von Gefängnissen ist teuer, ein Haftplatz kostet knapp 200 Euro am Tag. Sollte man also nicht darüber nachdenken, wie man Haft vermeiden kann?

Das wird getan. Allerdings können Mörder, Vergewaltiger oder Schläger nicht einfach freigelassen werden nach einer Verurteilung. So ist man dann stattdessen schnell bei den schon erwähnten Ersatzfreiheitsstrafen, die nun in Bremen erstmal ausgesetzt sind. Immer wieder gibt es Forderungen, sie auch regulär durch andere Maßnahmen zu ersetzen. Häufig handelt es sich bei den Betroffenen um notorische Busnutzer ohne Ticket, Drogenkonsumenten oder Ladendiebe, die eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten oder wollten und dann "ersatzweise" ihre Tagessätze im Gefängnis absitzen müssen.

Nicht nur in Bremen gibt es Programme wie "Schwitzen statt Sitzen", wo Verurteilte ihre Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit wie Gartenarbeit, Hilfsarbeiten in Sozialstationen oder Altenheimen abarbeiten können. In Bremen gibt es inzwischen für verurteilte Wohnungslose zum Beispiel auch die Möglichkeit, sich eine mögliche Wohnungssuche auf die Tage einer Ersatzfreiheitsstrafe anrechnen zu lassen. Denn bei Bagatelldelikten erscheint es auch kriminalpolitisch sinnvoller und letztlich billiger, wenn der Staat nicht auf einer Strafe beharrt, sondern den Gesetzesbrechern eher Hilfe anbietet.

Autor

  • Folkert Lenz
    Folkert Lenz

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm:  Bremen Eins, Nachrichten, 15. Juli 2024, 8 Uhr