Interview
Wie Eltern ihren Kindern das Lesen näherbringen können
Lesen macht schlau, doch nicht alle Kinder lesen gerne. Annika Depping vom Literaturhaus Bremen erzählt, wie Leselust geweckt wird – und warum Diversität wichtig ist.
Wie wichtig ist es für Kinder zu lesen?
Lesen ist natürlich super wichtig, da es eine Schlüsselkompetenz für gelingende Bildungsbiografien ist. Lesen regt die Fantasie an und trägt zur Meinungsbildung bei. Und natürlich macht Lesen auch super viel Spaß, etwa, wenn man sein Lieblingsbuch findet.
Aber nicht jedes Kind liest gerne. Wie können Eltern dabei unterstützen?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Vorleserituale sind ganz wichtig und können gut in den Tag eingebaut werden – etwa ganz klassisch als Gute-Nacht-Geschichte, aber auch am Tag verstreut. Man geht dadurch auch immer in Bindung zum Kind, das ist also auch für die Beziehung sinnvoll. Ansonsten hilft es, ein gutes Vorbild zu sein, also etwa selbst ein Buch aufschlagen, anstatt ins Handy zu gucken. Das macht neugierig. Aber man sollte den Druck rausnehmen, wenn Kinder keine Lust haben – und das Buch dann auch mal liegen lassen. Ich denke, Druck erzeugt immer Gegendruck und das hilft auch nicht.
Wie entscheidet das Kind, wann ein Buch zum Lieblingsbuch wird?
Ich glaube, das hat ganz viel mit den Figuren zu tun. Kinder wollen sich mit den Figuren identifizieren, sie wollen sehen: Da ist jemand, der ist ein bisschen so wie ich. Ich erinnere mich daran, dass ich als Kind die Harry-Potter-Bücher geliebt. Das war auch so ein Gefühl in der Generation, ganz viel auch über die Figuren, in denen man sich irgendwie wiederfinden konnte. Auch wenn ich nicht zaubern kann, aber trotzdem stellt man sich das dann vor (lacht).
Wie wichtig ist Diversität in Kinderbüchern?
Ich denke, es ist extrem wichtig, dass wirklich alle Kinder sich wiederfinden können. Dass wir nicht nur Kinderbücher haben, in denen biodeutsche weiße Kinder auftreten. Aber auch Bücher, in denen unterschiedliche Gender vorhanden sind, in denen es auch unterschiedliche Rollenbilder gibt. Zum Beispiel Bücher, in denen auch der Vater zu Hause bleibt und die Mutter arbeiten geht.
Auch solche Bücher sind total wichtig, in denen Beeinträchtigungen vorkommen. All das, was sich in unserer Stadtkultur zeigt. So wie unsere Stadt sich verändert, sollten sich auch die Bücher verändern – damit die Kinder ihre Lebensrealität verändern. Da gibt es auf jeden Fall noch Luft nach oben, aber ich würde aber sagen da passiert was.
Jetzt sind die alten Klassiker wie Pippi Langstrumpf und Jim Knopf in der Diskussion wegen ihrer Sprache. Dürfen wir diese Bücher unseren Kindern noch zumuten?
Ich finde, dass ist eine schwierige Frage. Also ich bin mit Pippi Langstrumpf aufgewachsen. Eine Geschichte von Freundschaft, von einem starken Mädchen, von Toleranz. Aber diese Vaterfigur hat zum Beispiel einen kolonialen Hintergrund. Es gibt aber so viele aktuelle Bücher, die genau die gleichen Stärken haben, die aber nicht die Stolperfallen wie Pippi Langstrumpf mitbringen.
Zum Beispel denke ich da an "Brummps: Sie nannten ihn Ameise" von Dita Zipfel. Da geht es um einen Mistkäfer, der lebt in einem Ameisenbau und der stößt auf ganz viele Probleme. Und auch das ist eine Geschichte von Freundschaft, von Toleranz und von einer sehr starken Figur.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. April 2023, 19:30 Uhr