Pro & Contra
Perspektiven auf die Bremer City: Wie steht es um die Innenstadt?
Fortschritt, Stillstand, Rückschritt? Experten diskutieren aktuell mit Bürgern, wie die City künftig aussehen soll. Grund, den aktuellen Stand von zwei Seiten zu beleuchten.
Pro
Die Entwicklung einer Innenstadt ist eher Marathon, als Sprint. Und es soll Akteure geben, die verlaufen sich auch mal auf dieser Langstrecke. Das ist auch Bremen passiert. Jetzt allerdings stimmt die Richtung und auch das Tempo hat merklich angezogen. Die neue Bremer Innenstadt nimmt immer deutlicher Gestalt an.
Manches noch im Hintergrund, vieles auf Papier, aber es tut sich eine Menge: Die Verträge für das Stadtmusikantenhaus sind unterzeichnet, das Literaturhaus wird kommen. Um den Jahreswechsel herum wird offiziell vorgestellt, wie sich der Domshof verändern soll. Ab 2025 dürfte dann dort gebaut werden.
Ja, da gibt es natürlich einen Haushaltsvorbehalt, aber die Koalition kann es sich nicht erlauben, dieses Projekt weiter zu verschieben.
Frank Schulte, buten un binnen-Regionalchef
Ins ehemalige Gebäude der Bremer Landesbank ziehen nächstes Jahr Studierende der Bremer Universität ein. Der Beschluss, das Parkhaus Mitte abzureißen, steht. Die Planung wird jetzt ausgeschrieben, der immer wieder geforderte Rundlauf in diesem Teil der Innenstadt wird kommen. An der Domsheide hat Bremen strategisch wichtige Häuser eingekauft, zuletzt das Post-Gebäude. Für den Ausbau der Glocke dürfte es 2024 einen Architekten-Wettbewerb geben.
Ach ja, und im Koalitionsvertrag hat sich Rot-Grün-Rot festgelegt, noch in diesem Jahr eine Entscheidung über eine mögliche Verlegung der Straßenbahn aus der Obernstraße zu fällen. Dann herrscht auch hier endlich Klarheit.
Übrigens: Der jetzt angestoßene Bürgerdialog ist keine Bürgerbeteiligung im klassischen Sinne. Die konkreten Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Das ist klar kommuniziert worden, den Entwicklungsprozess wird dieses Verfahren daher nicht langsamer machen.
Natürlich gibt es weiterhin Gefahren, die das Projekt Innenstadt lähmen können. Ganz oben stehen die Finanzen. Das kann den Marathonläufer nochmal ordentlich ausbremsen, aus der Bahn werfen wird es ihn nicht.
Contra
Ernsthaft? Noch eine Runde? Seit Jahren wird geredet über die zunehmende Verödung der Bremer Innenstadt, schlimm! Allein seit 2020 gab es drei Innenstadt-Gipfel. Nur: Ist irgendwas passiert? Eher nicht. Nachdem Investoren, Wirtschaftsvertreter und Politiker beratschlagt haben, werden jetzt – Ende 2023 – die Bürgerinnen und Bürger befragt. Und dann, Applaus, im Frühjahr 2025 soll es Antworten geben, wie es weiter gehen soll. Das dauert alles schon viel zu lange.
Und es wird noch länger dauern. Denn: Wenn wirklich jeder seinen Senf dazugegeben hat, dann gehts erst richtig los. Dann müssen Investoren gefunden, Bauanträge gestellt, all die bürokratischen Hürden genommen werden. Dann müssen die Mittel da sein und die Konjunktur muss passen…naja, Sie verstehen schon.
Als ob Bremen alle Zeit der Welt hätte. Hat die Stadt aber nicht. Im Gegenteil: Es drängt.
Pascal Faltermann, buten un binnen Hörfunk-Reporter
Und es sind schon hinreichend Chancen vermasselt und totgeredet worden. Für das Sparkassenareal am Brill, beim Parkhaus Mitte, beim Ansgarikirchhof gab es Investoren mit Ideen. Allesamt wurden sie vergrault.
Jetzt wird öffentliches Geld in die Hand genommen, auch wenn Bremens Haushaltskassen leer sind. An der Domsheide hat die Stadt Gebäude gekauft, die Haltestellen sollen dort neu angeordnet und die Glocke ausgebaut werden. Die Gesamtstrategie dahinter? Bislang unbekannt. Denn unter anderem ist noch immer nicht entschieden, ob die Straßenbahn in die Martinistraße verlegt wird. Der Abriss des Parkhaus Mitte, die Umgestaltung des Domshof und der ehemaligen Landesbank zum City-Campus – diese Maßnahmen existieren nur auf Papier.
Unterdessen dümpelt der Einzelhandel weiter vor sich hin – zahlreiche Geschäfte sind geschlossen oder in den Shopping-Malls der Peripherie zu finden. Es fehlt an schönen Ecken zum Verweilen, an Orten für Familien, an Läden, die nach 20 Uhr geöffnet haben und an einem klaren Verkehrskonzept.
Man hätte so gerne ein eindeutiges Leitbild für die Zukunft der Innenstadt. Gibt es aber nicht. Stattdessen gibt es wieder mal einen Gesprächskreis. Das ist die Simulation von entschlossener und ideenreicher Politik.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. November 2023, 19:30 Uhr