Fragen & Antworten

Bremer Handwerk fordert Gleichstellung von Ausbildung und Studium

Elektrotechnikerin misst Spannungen in einem Schaltschrank (Symbolbild)
Eine Elektrotechnikerin misst Spannungen in einem Schaltschrank – ein Bild, das viele gern öfter sähen. Es mangelt an Elektrotechnikern, künftig vielleicht noch mehr als heute. Bild: dpa | Westend61/Zeljko Dangubic

Das Handwerk schlägt Alarm. Es fehlt an Fachkräften. Die Handwerkskammer Bremen und der Zentralverband des Handwerks machen Vorschläge, wie sich die Probleme lösen ließen.

Wie Bremen, so gehen ganz Deutschland die Handwerker aus. Geburtenschwache Jahrgänge erschweren die Suche nach Auszubildenden. Firmeninhaber aus geburtenstarken Jahrgängen gehen in den Ruhestand. Die Handwerkskammer Bremen fürchtet, dass viele Betriebe daher bald schließen müssen.

Schon jetzt fehlt es dem Handwerk bundesweit an etwa 250.000 Fachkräften, schätzt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Doch das Handwerk hat Ideen dazu entwickelt, wie Politik und Gesellschaft den Gewerken zu mehr Arbeitskräften verhelfen und die Katastrophe abwenden oder zumindest abfedern könnten.

Anlagenmechaniker arbeitet an einer Heizungsanlage (Symbolbild)
Vom Mangel an Anlagemechanikern können viele ein Lied singen, die sich eine neue Heizung zulegen wollen. Bild: dpa | Monika Skolimowska

Wieso sollte es für Handwerksbetriebe in den kommenden Jahren schwieriger werden, Nachfolger zu finden?

Aufgrund der Altersstruktur. Laut der Handwerkskammer Bremen gibt es im Land Bremen rund 3.750 Handwerksbetriebe. In 40 Prozent dieser Betriebe (1.500) sind die Inhaber 55 Jahre alt oder älter. "Da ein Übergabeprozess idealerweise langfristig geplant werden sollte und die Umsetzung meist Zeit benötigt, empfehlen wir, sich ab diesem Alter mit dem Thema Nachfolge zu beschäftigen", sagt dazu Oliver Brandt, Sprecher der Handwerkskammer Bremen. Er fügt hinzu, dass etwa ein Viertel der Bremer Betriebsinhaber sogar bereits über 60 sei.

Damit liegt Bremen im Bundestrend. Bundesweit fehlen Nachfolger für bestehende Handwerksbetriebe. Laut ZDH müssen innerhalb der kommenden fünf Jahre 125.000 Betriebsnachfolgen geregelt werden.

Ein Maler spachtelt eine Wand glatt. (Symbolbild)
Es gibt im Land Bremen wie bundesweit nicht genügend Maler und Lackierer. Bild: dpa | Markus Scholz

In welchen Handwerksberufen mangelt es besonders an Personal?

In nahezu allen Gewerken fehlten Fachkräfte, sagt Andreas Meyer, Geschäftsführer der Handwerkskammer Bremen. Vor dem Hintergrund der Klimaziele des Bundes wie des Landes Bremen und der deshalb anstehenden handwerklichen Arbeiten wiege der sich weiter verschärfende Fachkräftemangel besonders schwer etwa bei Anlagenmechanikern für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik, bei Elektronikern sowie bei Malern und Lackierern. Meyer betont, dass Frauen in diesen Gewerken ebenso fehlten und gesucht würden wie Männer.

Wie viel Geld kann man im Handwerk verdienen?

Das hängt stark davon ab, wie weit man es bringt. Als Unternehmer mit eigenem Betrieb kann man im Handwerk unter Umständen ein Vermögen verdienen. Auszubildende steigen laut Handwerkskammer derzeit im Land Bremen, je nach Gewerk, bei etwa 800 bis 860 Euro monatlich ein. Zum Abschluss ihrer drei- bis dreieinhalbjährigen Ausbildung verdienen sie zwischen 1.050 und 1.650 Euro.

Handwerksgesellen und -meister werden im Land Bremen entweder nach den geltenden Tarifen ihrer Branchen oder nach den individuellen Vergütungssystemen ihrer Betriebe bezahlt, sagt Meyer. Hierzu lägen der Kammer keine repräsentativen Informationen vor.

Zur groben Orientierung: Nach Angaben der Online-Jobbörse Stepstone verdienen Bäckergesellen im Land Bremen rund 2.740 Euro pro Monat, Malergesellen etwa 2.840 Euro monatlich und Dachdeckergesellen ungefähr 3.200 Euro pro Monat. Die genauen Gehälter sind unter anderem abhängig von der Berufserfahrung und dem genauen Aufgabenbereich. Angestellte Handwerksmeister verdienen Stepstone zufolge in der Regel gut 20 bis 30 Prozent mehr als Gesellen.

Azubi-Gehälter für Handwerker im Land Bremen pro Monat

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Wieso fällt es den Betrieben schwer, Azubis zu finden?

Meyer führt es vor allem darauf zurück, dass vielen Schülerinnen und Schülern die Chancen und die Entwicklungsmöglichkeiten, die ihnen das Handwerk biete, nicht bekannt seien. "Auch Eltern beziehungsweise Lehrerinnen und Lehrer verfügen hier oft nicht über umfassende Informationen, um ihre Kinder bei der Berufswahl zu unterstützen", fügt er hinzu.

Zum Hintergrund: Seit Jahren kritisiert das Handwerk bundesweit eine "Über-Akademisierung". Deutschland versuche, zu viele Menschen für ein Studium zu begeistern – zulasten der Ausbildungsberufe, denen auf diese Weise viele pfiffige junge Menschen verloren gingen.

Ein Automechaniker arbeitet an einem Pkw. (Symbolbild)
Der Beruf des Kfz-Mechanikers zählt zu den beliebtesten im Handwerk. Kfz-Mechaniker sind daher nicht so selten wie manch andere Handwerker. Bild: dpa | Shotshop/Addictive Stock

Was kann die Gesellschaft tun, um das Handwerk zu stärken?

"Es ist wichtig, in den Köpfen von Eltern und Lehrern und in der Gesellschaft im Allgemeinen zu verankern, dass eine berufliche Ausbildung im Handwerk eine attraktive und gleichwertige Alternative zur akademischen Bildung sein kann", sagt Kerstin Schraff, Sprecherin des ZDH. Die Aussichten auf einen Job mit Zukunft, auf gute Verdienstmöglichkeiten und auf eine erfolgreiche Selbstständigkeit seien im Handwerk sehr gut.

Was sollte die Politik aus Sicht des Handwerks unternehmen, um den Gewerken zu helfen?

Der ZDH fordert eine sogenannte Bildungswende. "Dazu gehört, die Fokussierung auf den Bildungsweg Abitur mit anschließendem Studium zu verlassen", erklärt Schraff. Andreas Meyer von der Handwerkskammer Bremen fordert in diesem Zusammenhang, dass die Schulen im Land Bremen ihre bestehenden Berufsorientierungsmaßnahmen ausbauen, auch an den Gymnasien. "Um die gesellschaftliche Akzeptanz zu steigern, ist es zwingend, dass der Stellenwert der dualen Ausbildung im Handwerk mit akademischen Bildungsgängen gleichgesetzt wird", so Meyer.

Einig sind sich ZDH und Handwerkskammer Bremen auch darin, dass die Politik die schulische Bildung insgesamt stärken müsse. Das Bildungsniveau der Azubis habe deutlich nachgelassen. So erklärt Schraff: "Nicht wenigen Azubis fehlen einfachste Formen des sozialen Miteinanders, zunehmend müssen die Betriebe mit Lerndefiziten von Schulabsolventinnen und -absolventen umgehen."

In Bremen hätten zudem viele Betriebe festgestellt, dass es den Bewerberinnen und Bewerbern oft an Grundkenntnissen in Mathe und Deutsch fehle, so Meyer. Es sei auch Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass ausbildungswillige junge Menschen über die Qualifikationen verfügen, die man mit ihren Schulabschlüsse verbindet – auch, wenn gute Noten in der Schule für Handwerksbetriebe nicht unbedingt das wichtigste Kriterium für die Wahl eines Bewerbers seien.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. Oktober 2024, 19.30 Uhr