Problemblock in Bremen? "Hier in der Grohner Düne ist es sehr gut"
Die Grohner Düne hat einen schlechten Ruf. In kleinen Schritten versuchen das Quartiersmanagement, die Stadt und der Eigentümer, die Düne aufzuwerten. Es ist eine Mammutaufgabe.
Firyal Alabed und ihr Mann Ghassan Alhamad stehen im zwölften Stock und genießen den Ausblick über den Dächern von Grohn. Sie sehen die Weser, in weiter Ferne die Stahlwerke. Seit 2018 lebt die Familie in der Grohner Düne in Bremen-Vegesack, sie ist geflüchtet aus Syrien.
Ihr Anfang in der Düne war gewöhnungsbedürftig, erzählen sie, regelmäßig seien sie Zeugen von Gewalt und Drogenkonsum gewesen. Aber jetzt sei alles gut. Durch den Flüchtlingsstrom sind viele Familien mit Kindern in die zwei Blöcke gezogen, es haben sich gute Nachbarschaften entwickelt.
Firyal Alabed erzählt: "Hier in der Grohner Düne ist es sehr gut. Ich habe Freunde und die Nachbarn helfen. Sehr gut ist der Bewohnertreff, die Sprachförderung für ältere ausländische Frauen und Männer. Im Sprachcafé lernen wir Deutsch." Ihr Sohn Abdullah ergänzt: "Schön mit den Leuten draußen", aber die ersten zwei Jahre seien schrecklich gewesen.
Ähnlich sieht es Houssam Remmo. Er lebt seit 25 Jahren in der Düne und bekam mit, wie die Gewalt mehr und mehr eskalierte.
Wir hatten hier Clankriminalität, Drogenhandel, Schlägereien, Messerstechereien und das waren keine Einzelfälle. Das war Alltag.
Houssam Remmo, Anwohner
Leerstände, kaputte Aufzüge und Müll
Die Grohner Düne wurde in den 1970er Jahren als Modellprojekt hochgezogen: Unten im Erdgeschoss waren Ladenzeilen mit Supermarkt und Sparkasse, darüber dicht an dicht Wohnungen für 1.500 Menschen. "Urbanität durch Dichte" war das Motto der neuen Wohnform. Sie scheiterte.
Immer wieder wechselten die Eigentümer der zwei Wohnblöcke. Zwangsversteigerungen waren die Folge, die Düne in Grohn verkam zum Spekulationsobjekt. Immer mehr Menschen kamen hier unter, die mit dem eigenen Leben nicht zurecht kamen. Dazu gab es Auseinandersetzungen unterschiedlicher Clan-Familien. Kriminalität, Leerstände, kaputte Aufzüge und stinkender Müll – das Image der Düne wurde immer schlechter.
Die Grohner Düne in Zahlen
Hilfsangebote für den Wohnblock
Als 2014 der jetzige Eigentümer, die Grand City Property übernahm, zog die Stadt Bremen die Reißleine. Mit dem Wohnungskonzern aus Luxemburg wurde ein Kooperationsvertrag geschlossen. Das Ziel: Shisha-Bars und Teestuben sollten aus der Ladenzeile verschwinden, stattdessen sollte es dort Hilfsangebote für die Menschen aus der Düne geben.
Beteiligt an den Gesprächen war Martin Prange (SPD), Beauftragter des Senats für Bremen-Nord: "Ich habe mich seinerzeit mit den Betreibern der Shishabar zusammengesetzt, die in der Grohner Düne auch wohnen (...), und wir haben uns darauf verständigt, dass es der richtige Weg ist, dort entsprechende Hilfsangebote zu etablieren und die sind freiwillig dort rausgegangen."
Die Hilfsangebote gibt es inzwischen. In der Ladenzeile im Erdgeschoss der Düne sind unter anderem das Arbeit- und Lernzentrum "Dünenweg" eingezogen oder der pädagogische Mittagstisch vom SOS-Kinderdorf.
Auch Quartiersmanager Christian Ganske setzt sich dafür ein, dass die Ladenzeile sinnvoll genutzt wird: "Wir versuchen, mit der Ladenzeile dem Bedarf Rechnung zu tragen. Urbanität durch Dichte bedeutet ja auch, dass es sehr zentral ist, was auch zur Stigmatisierung führt. Die Düne ist in ganz Bremen-Nord nicht zu übersehen und hat ein gewisses Image, aber wir haben durch die Ladenzeile Räume, die wir nutzen können."
Probleme treiben die Mieten in die Höhe
Doch es ist nicht so, dass mit den Hilfsangeboten in der Düne alle Probleme behoben sind. So liegt überall auf den Wegen Müll, in den Müllpressen wird oft illegal Müll entsorgt und das treibt die Betriebskosten der Mieter in die Höhe. Die Familie von Firyal Alabed etwa zahlt für ihre 110 Quadratmeter große Wohnung 1.400 Euro warm.
Für Houssam Remmo kommen für seine 78 Quadratmeter-Wohnung 818 Euro warm zusammen. Er zahlt alles selbst, doch wie auch Familie von Firyal Alabed bekommen hier schätzungsweise drei Viertel der Bewohner Unterstützung vom Jobcenter. Angaben dazu macht Grand Proberty nicht, ebenso zu den vielen Nationen, die hier in Bremen-Grohn Tür an Tür leben.
Auch äußert sich Grand City Property nicht zu möglichen Verkaufsverhandlungen mit der städtischen Gewoba. Seit 2022 ist das im Gespräch, doch die Verhandlungen liegen offensichtlich auf Eis. Der Senatsbeauftragte Martin Prange (SPD) sagt dazu, dass die Stadt die Gewoba gern ins Spiel bringen wolle, das Unternehmen aber nicht jeden Preis zahlen könne.
Von daher haben wir das mit großen Hoffnungen gesehen, dass es diese Verkaufsverhandlungen gibt. Dass man dort nicht zu jedem Preis kaufen kann, sondern dass der am Ende sich auch in einem Rahmen bewegen muss, der gegenüber der Öffentlichkeit und dem Steuerzahler gut vertretbar ist, das ist die andere Seite der Medaille und da hat man noch nicht zusammen gefunden.
Martin Prange (SPD), Beauftragter des Senats für Bremen-Nord
Mieter wie die Familie von Firyal Alabed sind auch so zufrieden, sie wollen wie in den vergangenen drei Jahren in Ruhe in der Düne leben. Die Wohnung hoch oben im zwölften Stock wird die Familie aber verlassen müssen, weil zwei ihrer vier Kinder inzwischen ausgezogen sind. Somit ist die Wohnung zu groß und mit 1.400 Euro einfach zu teuer. Nur wo mieten? Dazu gibt es einen Konflikt zwischen Firyal Alabed und ihrem Mann. Sie möchte unbedingt in der Düne bleiben. Er hingegen könnte sich gut vorstellen, in Lesum ein neues Zuhause zu finden.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. September 2024, 19:30 Uhr