Interview

Bremer Glücksforscherin: "Das Leben ist eine einzige Suche"

Eine Frau riecht an einer Sonnenblume

Weltglückstag: "Das Leben ist eine einzige Suche"

Bild: dpa | Westend61 | ANTHONY PHOTOGRAPHY

Deutschland liegt unter den glücklichsten Ländern weltweit auf Platz 16. Aber: Kann man Glück lernen? Das hat eine Glücksforscherin zum Tag des Glücks Bremen Eins verraten.

Der 20. März ist von den Vereinten Nationen zum Weltglückstag ausgerufen worden. Einer UN-Studie zufolge liegen die glücklichsten Länder in Skandinavien – sie finden sich alle in den Top Ten wieder, Deutschland landet immerhin auf dem 16. Platz. Und fürs Glücklichsein lässt sich einiges tun, sagt Glücksforscherin Professor Dr. Hilke Brockmann von der Constructor University Bremen.

Kann man Glücklichsein lernen?

Man kann zumindest die Umstände, in denen man glücklich ist, ein bisschen manipulieren. Das mache ich regelmäßig.

Wie macht man das?

Zum Beispiel, indem man sich erreichbare Ziele setzt, die man auch schafft. Ich habe heute Morgen beispielsweise vor dem Frühstück Yoga gemacht, das schaffe ich oft nicht, und das hat mich gleich auch gepusht. Indem man sich Höhepunkte im Alltag setzt, die auch leicht zu erreichen sind, indem man sich an die guten Sachen erinnert und indem man öfter rausgeht.

Glück hat ja offenbar häufig was mit anderen Menschen zu tun, wir Menschen sind ja soziale Wesen. Ist das tatsächlich so? Empfindet man Glück in erster Linie im Zusammenhang mit anderen Leuten?

Ja, ganz stark. Wir sind wohl eines der sozialsten Tiere auf diesem Planeten und wir brauchen den anderen. Schon allein, um uns fortzupflanzen und deshalb machen uns andere – in vielen Hinsichten – sehr glücklich.

Es gibt ja viele Menschen, die davon ausgehen, dass sie glücklich wären, wenn sie viel Geld verdienen würden oder einen bestimmten Job hätten. Sind das tatsächlich Dinge, die Menschen brauchen, um glücklich zu sein?

Naja, eine gewisse materielle Grundsicherung ist irgendwie ganz unabdingbar. Die Voraussetzung, um ein glückliches, selbstbestimmtes und auch kontrollierbares Leben zu führen. Aber das ist es eben nicht nur allein. Und das ist, glaube ich, einer der großen Einblicke, die die Glücksforschung produziert hat: dass es wirklich so eine Balance aus verschiedenen Bereichen geben muss.

Glück hat ja viel mit Natur zu tun. Andererseits leben ja viele, viele Menschen in der Stadt. Wie kriegt man das hin in der Stadt, in der soviel grau ist, Glück zu empfinden?

In der Tat hat sich die Stadtentwicklungsforschung auch dem Glück genähert und festgestellt, dass grüne Flächen und blaue Flächen die Menschen glücklicher machen. Und da kann man doch einges tun, indem man Parks anlegt, indem man aufforstet, indem man auch vertikal begrünt und künstliche Wasserflächen anlegt.

Gesundheit ist auch so ein Thema. Viele Menschen meinen ja, Glück kann man nur empfinden, wenn man gleichzeitig auch gesund ist. Spielt das eine Rolle?

Also, die Gesundheit spielt eine Rolle, aber die Gesundheit ist auch nicht eindeutig festgelegt. Interessanterweise sind ja ältere Leute, die in der Tat oft gesundheitlich eingeschränkter sind, durchaus glücklicher als mittelalte Leute, die oft gesünder sind.

Also: Zur Gesundheit kann man eben auch eine verschiedene Position haben. Aber selbstverständlich spielt die Gesundheit eine ganz zentrale Rolle. Sie gehört zu einer Art materiellen Grundversorgung oder Voraussetzung, um überhaupt aktiv das Leben zu gestalten.

Eine Frau lacht in die Kamera
Laut Glücksforscherin Hilke Brockmann ist es wichtig, sich realistische Ziele zu setzen. Bild: dpa | Sina Schuldt

Wann kommt der Zeitpunkt im Leben, an dem man sagen kann, da sind Menschen in der Tendenz eher glücklich?

Also; die Midlife-Crisis beginnt jedenfalls nicht mit Anfang 40, sondern eher mit Anfang 50 – da haben die Leute so einen Tiefpunkt. Erstaunlicherweise global. Da gibt es natürlich viel Forschung zu und auch unterschiedliche Positionen, aber es ist ein ziemlich robuster Befund. Man ist im jüngeren Erwachsenenalter sehr glücklich und eben im jüngeren älteren Alter, also so um die 60 oder wenn man in den Ruhestand eintritt.

Es wird einem ja suggeriert, man muss unbedingt glücklich sein. Aber: Dieses ständige Hinterherjagen hinter dem Glück und das Nichterreichen, ein ums andere Mal enttäuscht zu werden, macht das nicht eher unglücklich?

Ich hatte ja eingangs schon gesagt, man muss sich auch realistische Ziele setzen, die man auch erreichen kann. Natürlich, wenn Ziele nie erreicht wir man unglücklich. Deshalb ist es wichtig, was man sich vornimmt und mit wem man sich auch vergleicht. Wir sind ja auch am sozialen Umfeld sehr orientiert. Öfter ist es sinnvoll, sich mal nach unten zu vergleichen. Es gibt Leute, denen es wirklich schlechter geht als einem selbst und das relativiert auch dann die eigene Situation.

Auf der anderen Seite: Das Streben nach Glück ist natürlich auch ein Ansporn, sich Umgebung, Zustände, Situationen zu suchen, wo man sich glücklich empfinden kann. Insofern: Das Leben ist eine einzige Suche.

Autorin

  • Britta Uphoff
    Britta Uphoff

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 20. März 2023, 9:12 Uhr