Interview
Blitze über Bremen: Kennen Sie die wichtigste Gewitter-Faustformel?
Das Gewitter entlud sich vor allem über den nördlichen Bremer Stadtteilen – und hat viele dort überrascht. Ein Meteorologe mit Infos für alle, für die Gewitter noch ein Rätsel sind.
Regen, Blitze, Donner: Vor allem in den nördlichen Stadtteilen staunten Anwohner am späten Montagabend über die leuchtenden Verästelungen am Himmel. Aus meteorologischer Sicht war das eher eine Kleinigkeit, für Laien aber faszinierend. Zuletzt hat es oft geblitzt in Bremen – häufiger als früher? Und wie ging nochmal der Trick, mit dem sich berechnen lässt, wie weit ein Gewitter entfernt ist? ARD-Wetterexperte Frederik Raff klärt auf.
Auch wenn diese Zahlen aus meteorologischer Sicht nicht allzu beeindruckend sind, lässt sich klar sagen, dass auch kleine Gewitter zumindest punktuell recht giftig und im Aussehen eindrucksvoll sein können.
ARD-Wetterexperte Frederik Raff
Herr Raff, wie heftig war das Gewitter in Bremen aus Ihrer Sicht?
Das war ein recht normales Sommergewitter, das auch kein nennenswertes Unwetterpotenzial hatte. Es war eine sogenannte Einzelzelle, die sich hauptsächlich auf die nördlichen und nordöstlichen Stadtteile begrenzt hat. Laut Radaranalysen sind dort in kurzer Zeit um die zehn Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, die Wetterstation am Flughafen hat aber nicht einmal einen Liter verzeichnet. Auch wenn diese Zahlen aus meteorologischer Sicht nicht allzu beeindruckend sind, lässt sich klar sagen, dass auch kleine Gewitter zumindest punktuell recht giftig und im Aussehen eindrucksvoll sein können. Vor allem in den Abend- und Nachtstunden lassen sich Blitze viel deutlicher erkennen als am Tage.
So beeindruckend sah das Gewitter über Bremen aus:
In letzter Zeit hat es oft gewittert. Erleben wir in Bremen und umzu mehr Gewitter als früher?
Anhand von Daten kann ich das jetzt nicht eindeutig belegen. Zudem gibt es beim Auftreten von Gewittern große Schwankungen. In manchen Jahren erleben wir nur wenige, in anderen Jahren verhältnismäßig viele Gewitter. Was man aber klar sagen kann: Klimawandel bedeutet ein höheres Temperaturniveau und gleichzeitig mehr Feuchte in der Atmosphäre – deshalb müssen wir damit rechnen, dass es häufiger zu Unwetterlagen und damit auch zu Gewittern kommen wird.
Es gibt einen Trick, mit dem sich berechnen lassen soll, wie weit das Gewitter entfernt ist. Ist das eine Bauernregel oder steckt da mehr hinter?
Die Regel kennen viele aus ihrer Kindheit – an der ist auf jeden Fall etwas dran, die Regel hat mit der Schallgeschwindigkeit zu tun.
Und wie geht die Regel?
Wichtig zu wissen ist, dass durch jeden Blitz eine Druckwelle erzeugt wird, die sich mit Schallgeschwindigkeit – das sind circa 330 Meter pro Sekunde – ausbreitet. Wenn man die Sekunden zwischen Blitz und Donner zählt und die verstrichenen Sekunden mit 330 Metern pro Sekunde multipliziert, erhält man den Abstand zum Gewitter in Metern.
Ein Beispiel: Wenn ich einen Blitz sehe und bis zum Donner drei Sekunden zähle, multipliziere ich 3 Sekunden Mal 330 Meter – dann weiß ich: Das Gewitter ist rund 1000 Meter, also einen Kilometer von mir entfernt. Bei sechs Sekunden wären es zwei Kilometer und bei neun Sekunden drei Kilometer Abstand. Man kann also abschätzen, ob sich das Gewitter direkt über einem befindet oder weiter entfernt ist.
Was sollte man beachten, wenn man bei Gewitter draußen unterwegs ist?
Im Optimalfall suche ich mir direkt Schutz – zum Beispiel in einem Auto, das nicht gerade unter einem Baum parkt oder in einem Haus. Wenn das nicht möglich ist, suche ich mir eine freie Fläche, wo keine Bäume oder nichts Erhöhtes in der Nähe steht. Da suche ich mir am besten eine kleine Mulde oder Senke und setze mich da mit geschlossenen Beinen rein – das ist das Beste, was man in diesem Fall machen kann.
Warum sollte man die Beine geschlossen halten?
Für Elektrizität oder Blitze ist die Spannungsdifferenz wichtig: Wenn die Beine gespreizt sind, habe ich zwischen dem linken und rechten Bein eine höhere Spannungsdifferenz. Wenn dann ein Blitz im unmittelbaren Umfeld einschlägt, ermöglicht die sogenannte Schrittspannung, dass Strom durch den Körper fließen kann. Wenn ich die Beine geschlossen halte, mich möglichst klein mache und in der "Häschengrube" abwarte, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich vom Gewitter verschont bleibe.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 13. Juli 2023, 8:20 Uhr