Fragen & Antworten
Was Faesers Abschiebe-Vorschlag für die Clan-Hochburg Bremen bedeutet
Seit Jahren gilt Bremen als ein Hotspot in Sachen Clan-Kriminalität. Könnte der Vorschlag aus dem Bundesinnenministerium, Clan-Mitglieder leichter abzuschieben, helfen?
Das Bundesinnenministerium schlägt vor, Abschiebungen von Mitgliedern krimineller Clans zu erleichtern. Was soll sich konkret ändern in der Gesetzgebung?
Noch handelt es sich nur um einen Diskussionsentwurf für eine Gesetzesänderung aus dem Innenministerium, der erst einmal mit den Bundesländern und den kommunalen Spitzenverbänden diskutiert werden muss. Das Innenministerium hat auch nochmal klargestellt, dass allein die Zugehörigkeit zu einem Familienclan an sich kein krimineller Akt ist. Es muss demnach nachgewiesen sein, dass diese Ausländer, die eine mögliche Verschärfung dann betrifft, Teil der organisierten Kriminalität sind oder waren. Ist das der Fall, sollen sie abgeschoben werden können – auch dann, wenn sie selbst noch nicht straffällig geworden sind.
Der Vorstoß kam aus den Bundesländern. Bremen war allerdings nicht daran beteiligt. Das Bremer Innenressort befürwortet diese Erweiterung aber grundsätzlich. Aus dem Ressort von Senator Ulrich Mäurer (SPD) heißt es, so könne man präventiv gegen Mitglieder einer Vereinigung tätig werden, die nach ihrem Zweck die öffentliche Sicherheit gefährdet. Aber ob die angedachte Regelung wirklich umsetzbar und auch zielführend ist, ist fraglich – Kritiker sehen in dem Vorhaben die Gefahr, dass gesamte Personengruppen unter Generalverdacht gestellt werden.
Werden Clan-Mitglieder, die straffällig geworden sind, denn im Moment konsequent abgeschoben?
Wie viele Menschen wegen ihrer Tätigkeit in einem Familienclan abgeschoben werden, wertet das Bremer Innenressort nicht aus. Das fällt in der Statistik zusammen mit Zahlen von Extremisten oder Gefährdern. Davon sind 2021 in Bremen 22 Personen, vergangenes Jahr 26 Personen und dieses Jahr bislang 14 Personen abgeschoben worden. Oft sind diese Abschiebungen aber nicht möglich, weil die Betroffenen keine Papiere haben. Und es gilt weiterhin, dass in Länder wie dem Iran oder Syrien wegen der dortigen Gefahrenlage sowieso nicht abgeschoben wird.
Bremen gilt seit vielen Jahren als Clan-Hochburg – trifft das noch immer zu?
Im Land Bremen galten 2022 insgesamt 364 Personen als Tatverdächtige oder Beschuldigte im Clan-Milieu. In Bremen sind das laut Polizei mehrere Familienclans, die oft aus dem libanesisch-kurdischen Umfeld kommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte im September berichtet, dass mehr als zwei Drittel der damals laufenden Ermittlungsverfahren wegen Clan-Kriminalität in Bremen, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen laufen. Damals war die Begründung, dass sich die kriminellen Strukturen hier und an den anderen Orten besonders verfestigt hätten. Faeser sprach damals noch von höherer Polizeipräsenz und auch Videoüberwachung, um das Problem zu lösen.
Wurde das Problem gelöst oder gibt es gar mehr Clan-Kriminalität?
Von 2020 bis 2021 ist die Zahl der Verfahren bundesweit um 17 Prozent gestiegen. Das hat das Bundeskriminalamt vergangenes Jahr erklärt. Der Anstieg kann aber auch damit zusammenhängen, dass insgesamt mehr Taten aufgedeckt werden und anschließend vor Gericht landen. Das hat auch mit den sogenannten EncroChat-Verfahren zu tun. Die resultieren daraus, dass verschlüsselte Chats von Kriminellen geknackt wurden, was zu mehreren Tausend Festnahmen in ganz Europa geführt hat. So wurden auch zahlreiche Straftäter – beispielsweise Drogenhändler – verurteilt, die zu Clan-Familien gehört.
Warum kommt gerade jetzt der Vorschlag von Nancy Faeser? Steigt die Gefahr, die von Clans ausgeht?
Zumindest scheinen sich die Strukturen zu verfestigen. Die Polizei und das Bundeskriminalamt haben zuletzt davor gewarnt, dass sich Clan-Mitglieder und die organisierte Kriminalität insgesamt stärker bewaffnen. Das werde zum Beispiel bei Festnahmen immer öfter festgestellt. Außerdem sollen Clanmitglieder laut dem BKA öfter brutal gegen zum Beispiel Schuldner vorgehen oder, um sich gegenüber anderen Verbrecherbanden zu behaupten.
Insgesamt sei es für die Polizei extrem schwer, im Clan-Umfeld zu ermitteln, weil beispielsweise V-Leute nur schwer eingeschleust werden könnten, da oft nur im Familienumfeld gearbeitet wird. In Bremen gilt aber laut Innenressort eine Null-Toleranz-Strategie. Das heißt, selbst kleine Taten sollen sehr hart bestraft werdeb, zum Beispiel auch Verkehrsvergehen oder Ordnungswidrigkeiten.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 9. August 2023, 6:36 Uhr