Interview
Bremerhavener Forscherin Antje Boetius sorgt sich um die Wissenschaft
Bremerhavener Forscherin Antje Boetius sorgt sich um die Wissenschaft
Vor ihrem beruflichen Wechsel in die USA sieht die Meeresbiologin die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr, auch wegen US-Präsident Trump. Dennoch freut sie sich auf den Schritt.
Die renommierte Wissenschaftlerin wechselt demnächst vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) zum Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) in Kalifornien. Im Interview blickt sie auf die weltweite Lage der Wissenschaft und Forschung unter dem Einfluss von Donald Trump.
Frau Boetius, Wissenschaft zählt nicht gerade zu den Lieblingsthemen von US-Präsident Donald Trump. Bereuen Sie bereits, das Angebot aus den USA angenommen zu haben?
Ich mache mir schon viele Sorgen, wie unsere internationale Wissenschaft nicht nur in der polaren Meeresforschung, sondern weltweit unter diesen schwierigen Voraussetzungen weiterkommen soll. Wir alle, die auf eine bessere Zukunft hoffen, wissen ja, wie wichtig Wissenschaft ist, um neue Ideen zu erzeugen, um uns voranzubringen.
Wenn dann mehrere Staaten ihre Wissenschaft nicht mehr frei arbeiten lassen, sondern alle möglichen Verbote über sie ergießen und Menschen verfolgen, die an Universitäten und Hochschulen lehren, sind das keine guten Zeichen. Das alles beschäftigt mich sehr. Mein Job ist aber anders gebaut, der ist nicht an einer staatlichen Institution. Von daher habe ich dabei weniger Angst um mich als um das Gesamtsystem.
Aber wird ihnen denn nicht mulmig, dass sich private Investoren umorientieren könnten? Vor allem wenn man an den vorauseilenden Gehorsam denkt, mit dem sich etwa Meta-Chef Mark Zuckerberg an die neue Regierung geschmiegt hat?
Na klar, von Weitem gesehen stellt sich genau diese Frage: Wer ist jetzt auf welcher Seite? Es fühlt sich alles so polarisiert an, so als ob es nur schwarz und weiß gäbe. Aber in der Wissenschaft haben wir diese fantastische Situation für Jahrzehnte gehabt, dass es um immer bessere Zusammenarbeit geht, dass immer internationaler und inklusiver gearbeitet wird.
Wir in der Wissenschaft haben uns schon längst vorgenommen, dass Diversität ein hohes Gut ist und die Forschung dadurch besser wird, wenn Menschen aller Herkünfte und Erfahrungen zusammenarbeiten können. Gerade weil die USA so ein Vorbild-Land sind, was ausgezeichnete und innovative Wissenschaft angeht, hat man jetzt das Gefühl, dass wir alle im freien Fall sind. Aber das ist eben nicht so.
Die Menschen, die dort sind, sind die gleichen wie vorher. Wir haben viele Brücken, die halten müssen. Das heißt also: enger zusammenrücken. Sobald ich drüben bin, werde also alle Allianzen, alle Kolleginnen und Kollegen in der Polar- und Meeresforschung eng beieinander halten, damit wir zusammen weiterkommen.
Um noch einmal die Art der Kooperation in Ihrem Forschungsbereich zu verstehen: Da geht es auch um gemeinsame Expeditionen, die schlimmstenfalls zur Debatte stehen könnten, weil Gelder gekürzt werden könnten.
Ja, das fängt an mit der Situation für die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die es ja besonders trifft. Man studiert, um eine Biodiversitätsforscherin zu werden, ein Klimaphysiker, und auf einmal befindet man sich in einer Welt, die diese Themen zum Feind erklärt.
Das bedeutet ja etwas für die Leute. Nicht gelobt, nicht gewertschätzt werden ist in der Wissenschaft etwas Fürchterliches – wie in anderen Berufen auch. Und dann geht es weiter mit den großen Projekten und Programmen: Wir alle haben Kollegen in der Welt, mit denen wir gern zusammenarbeiten und plötzlich fallen welche aus oder dürfen nicht mehr mit uns sprechen, weil sie das Gefühl haben, sie werden aufgespürt und bestraft. Und das geht US-Kollegen so. Das konnte man sich vor ein paar Monaten nicht vorstellen.
Und dann kommen die großen Programme wie unsere Mosaik-Expedition. Da haben Chinesen, Amerikaner, Russen, Europäer, Kanadier und Australier alle zusammengearbeitet. Und jetzt könnte kaum mehr eines dieser Länder einfach auf einem Schiff vertreten sein.
Das beschäftigt uns jetzt alle und auch weit mehr als die Wissenschaft. Ich ändere deswegen auch keinen Plan. Ich freue mich nach wie vor auf diese besondere Chance, Tiefseeforschung in Kalifornien betreiben zu können.
(Die Fragen stellte Katrin Krämer für Bremen Zwei. Aufgeschrieben und redigiert haben es Helge Hommers und Sebastian Krüger.)
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 11. März 2025, 17:39 Uhr