Eisbären werden für Bremerhavener Arktis-Forscher immer gefährlicher
In Grönland hat ein Eisbär einen Wissenschaftler angegriffen. Auf solche Fälle bereitet sich das Alfred-Wegener-Institut seit jeher vor – dazu gehört auch ein Schießtraining.
"Wissenschaftler in Grönland von Eisbär angegriffen" – diese Schlagzeile aus vergangenem Juli traf auch beim Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven auf Besorgnis. Zwar war kein AWI-Forscher direkt betroffen, trotzdem soll der Fall dort aufgearbeitet werden, um von ihm zu lernen.
Wie nah die Eisbären den Forschern kommen, zeigt auch ein Bild, das 2020 um die Welt ging – ein Foto, das AWI-Fotografin Esther Horvath nachts von Bord des Forschungseisbrechers "Polarstern" machte: Eine Eisbärin und ein Jungtier erkunden das Camp der Wissenschaftler auf einer Eisscholle.
AWI-Forscher müssen Sicherheitsregeln befolgen
Die Mosaic-Expedition des AWI vor fünf Jahren gilt als die bisher größte Arktis-Expedition aller Zeiten. Ein Jahr lang driftete das Bremerhavener Forschungsschiff "Polarstern" eingefroren durch das Polarmeer, um den Klimawandel zu erforschen. Eisbären-Begegnungen gehören zu den Szenarien, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorher trainierten.
Zu dem aktuellen Fall, bei dem ein Wissenschaftler in Grönland von einem Eisbären angegriffen und verletzt wurde, sollen noch die Hintergründe geklärt werden – zum Beispiel, warum der Forscher offenbar alleine unterwegs war, sagt Dirk Mengedoht, der beim AWI unter anderem für die Sicherheitstrainings zuständig ist. Beim AWI gebe es die Vorgabe, dass die Forscher niemals alleine unterwegs sein sollen, "damit immer mindestens eine Person auf die andere aufpassen kann – eine sogenannte Bärenwache", erklärt Mengedoht.
Eine andere Voraussetzung ist, dass alle ein Gewehr haben. Die dritte, dass sie auch damit umgehen können. Denn – statistisch gesehen – ist eine Person, die mit einem Gewehr nicht umgehen kann, sehr viel gefährlicher ist als ein Eisbär.
Dirk Mengedoht, AWI-Logistiker
Beim AWI gingen bisher alle Eisbär-Begegnungen gut aus
Rund 120 Forschende kann das AWI pro Jahr für die Expeditionen trainieren, zum Beispiel mit einem Schießtraining. Bisher sei bei einer Begegnung kein Forscher oder keine Forscherin des Instituts zu Schaden gekommen – und auch noch kein Bär, betont Mengedoht, der auch selbst schon Eisbären begegnet ist, ihnen aber frühzeitig ausweichen und sich zurückziehen konnte.
Es ist nicht das erste Ziel, dass man mit einer Waffe in die Arktis geht. Das ist ein für einige lästiges Werkzeug, das man bedienen können muss. Wir haben immer Leute, die sich damit nicht wohlfühlen. Wenn sie die Schulung gemacht haben, haben sie die Chance, ihre Gruppe so umzubauen, dass sie Leute mitnehmen, die das können.
Dirk Mengedoht, AWI-Logistiker
Die Kontakte mit den Tieren nähmen zu, auch die gefährlichen, sagt er. Durch den Klimawandel und das schmelzende Meereis verringerten sich ihre angestammten Jagdgründe stetig. Als Allesfresser – wie alle Bären – seien sie aber auch in der Lage, sich umzuorientieren. Sie kämen deshalb immer näher an den Menschen und Siedlungen heran und würden immer mehr die Scheu verlieren, so der Experte vom AWI.
Bis zu 80 AWI-Expeditionen im Jahr
Mengedoht betreut pro Jahr etwa 60 bis 80 Expeditionen des Alfred-Wegener-Instituts. Bis zu 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind dabei regelmäßig im Einsatz. Er kümmert sich um die Planung, die Vorbereitung und auch um AWI-Telefonnummern, die für Notfälle rund um die Uhr geschaltet sind.
Gefahren gibt es bei diesen Expeditionen viele – dazu gehören längst nicht nur Eisbären, sondern etwa auch Erfrierungen und Unfälle mit Schneemobilen. Auch darauf müssen die Forscherinnen und Forscher vorbereitet sein.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 20. August 2024, 12:40 Uhr