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Bremer Lootbox-Vorstoß: Macht virtuelle Beute Computerspieler süchtig?

Zwei junge Menschen spielen mit Gamepads ein Computerspiel.

Bremer Lootbox-Vorstoß: Macht virtuelle Beute Computerspieler süchtig?

Bild: dpa | Zoonar/Przemek Klos

Seit Jahren wird über das Suchtpotenzial von "Lootboxen" beim Gaming debattiert. Jetzt unternimmt der Senat einen Anlauf, die virtuellen Beutekisten zu verbieten. Das müssen Sie wissen.

Bremens Regierungsparteien wollen sich im Bundesrat dafür einsetzen, Menschen bei Computer- und Konsolenspielen stärker vor Abhängigkeiten zu schützen. Im Kern zielt Bremens Bundesrat-Initiative auf eine Regulierung sogenannter Lootboxen ab.

Worum es sich dabei handelt, warum sie für Jugendliche gefährlich sein können und wie die Chancen für den Bremer Vorstoß stehen, beantworten wir hier.

Ein Jugendlicher sitzt vor einem Bildschirm und spielt ein Computerspiel
Sind die käuflich zu erwerbenden Beutekisten in Computerspielen Glücksspiel? Diese Frage beschäftigt seit Jahren Politik und Wissenschaft. Bild: Imago | Schöning

Was ist eine "Lootbox"?

Das Wort "Lootbox" setzt sich aus den englischen Begriffen "loot" für Beute und "box" für Kiste zusammen, es kann also mit "Beutekiste" übersetzt werden. In einem Computerspiel enthält eine Lootbox meist Gegenstände wie Waffen, Rüstung oder andere nützliche Gegenstände ("Items") oder es werden Wartezeiten vermieden, sodass Gamer leichter und schneller im Spiel vorankommen.

Erworben werden können Lootboxen auf verschiedenen Wegen, zum Beispiel indem sie im Spiel gefunden werden, nach gelösten Aufgaben ("Quests“) freigeschaltet werden oder auch einfach gekauft werden. Letzteres geschieht meist mit einer virtuellen Währung. Dieses Geld kann beim Spielen nach und nach gesammelt oder – wenn das den Spielern zu lange dauert – auch durch echtes Geld, also in Euro, gekauft werden.

Sind Lootboxen mit Glücksspiel vergleichbar?

Ja, sagt der Bremer Gücksspielforscher Tobias Hayer. "Sogenannte Beutekisten oder Lootboxen sind glücksspielähnliche Elemente, mit denen gerade junge Leute quasi durch die Hintertür und kaum reguliert an das Glücksspiel herangeführt werden."

Die Forschung zeigt, dass die Häufigkeit des Erwerbs von Lootboxen sowohl mit einem problematischen Computerspielverhalten als auch mit einem problematischen Glücksspielverhalten einhergeht.

Tobias Hayer
Tobias Hayer, Glücksspielforscher an der Uni Bremen

Dafür gibt es Hayer zufolge mehrere Gründe. So fänden sich die für das Glücksspiel prägenden, unsicheren Gewinnwahrscheinlichkeiten auch in vielen bei Computerspielen genutzten Lootboxen wieder. "In Kombination mit ungewissen Gewinnwahrscheinlichkeiten und intransparenten Ausschüttungsquoten häufen sich so mitunter Einsätze an, die von erheblicher Natur sind", sagt Hayer.

Schattige Hände tippen in einem dunklen Raum auf der Tastatur eines Computers.
Glücksspielsucht und Computerspielsucht gehen wissenschaftlichen Studien zufolge oft Hand in Hand. Bild: Radio Bremen

Im Ergebnis bestünde nicht nur bei Glücksspielern, sondern auch bei Computerspielern die Gefahr, sich hoch zu verschulden.

Erschwerend komme beim Einsatz von In-Game-Währungen hinzu, dass sie echte Geldwerte verschleierten. Das leiste der Unübersichtlichkeit der getätigten Einsätze weiteren Vorschub. "Es spricht daher zum jetzigen Zeitpunkt vieles dafür, Lootboxen ähnlich wie echtes Glücksspiel zu regulieren", sagt Hayer.

Werden Lootboxen rechtlich als Glücksspiel eingestuft?

Nein. Zumindest noch nicht in Deutschland. Zwar gibt es seit Jahren in Deutschland und anderen europäischen Ländern eine Debatte über die rechtliche Handhabung von Lootboxen und In-Game-Käufen. "Es gibt bisher aber keine klaren rechtlichen Richtlinien für Lootboxen", sagt Medien-Rechtsanwältin Renate Schmid im Gespräch mit Bremen Zwei.

Der Knackpunkt, um den es sich letzten Endes bei den Lootboxen dreht, ist die Frage, ist das jetzt Glücksspiel? Denn Glücksspiel ist verboten.

Renate Schmid, Medien-Rechtsanwältin

Die Debatte über Lootboxen werde in Deutschland allerdings schon seit einem Jahrzehnt geführt, sagt Schmid. Bisherige Überlegungen, sie in Deutschland in die Kategorie Glücksspiel einzuordnen, seien aber im Sande verlaufen.

2017 erwog beispielsweise die oberste deutsche Glücksspielaufsichtsbehörde, die "Beuteboxen" nach deutschem Recht dem Glücksspiel zuzuordnen – und befragte dazu die Bundesländer. Im Ergebnis und auf Grundlage der Antworten der Bundesländer wurden die Lootboxen nach deutschem Recht nicht als Glücksspiel eingeordnet – anders als in europäischen Nachbarländern wie den Niederlanden oder Belgien.

Wie hoch ist die Chance, das Bremens Initiative Erfolg hat?

Schon 2017 war ein Vorstoß in dieser Sache an den Bundesländern gescheitert. Ob bei der von Bremen unterstützten Bundesrats-Initiative ein anderes Ergebnis erwartet werden darf, ist offen. So waren in Bremen zwar die Regierungsparteien SPD, Grüne und Linke für den Vorstoß, CDU, FDP und Bündnis Deutschland stimmten aber dagegen.

"Es ist ein bisschen der Blick in die Glaskugel", sagt Medienjuristin Schmid. Es könne sein, dass es das dazu kommt. Es könne aber auch sein, dass sich die Auffassung von Lobbyisten durchsetzt.

So streitet beispielsweise auch die US-amerikanische Branchenvereinigung Entertainment Software Association (ESA), hinter der große Gaming-Unternehmen wie Activision Blizzard, Electronic Arts (EA), Take Two Interactive oder Ubisoft stehen, bis heute ab, dass es sich bei Lootboxen um Glücksspiel handelt.

Auch der Verband der deutschen Games-Branche zweifelt am Glücksspiel-Charakter von Lootboxen. Zumal inzwischen oft auch Wahrscheinlichkeiten genannt würden, mit denen virtuelle Gegenstände erhalten werden könnten. "Damit entsprechen Lootboxen Sammelkarten-Spielen, Panini-Sammelbildern oder Überraschungseiern, unterscheiden sich aber deutlich von Glücksspiel-Mechanismen, bei denen der Zufall entscheidet, ob Spielerinnen und Spieler überhaupt einen Gewinn erhalten, wie bei einarmigen Banditen", heißt es in einem Positionspapier des Verbands.

Welche Regulierung von Spielen mit Lootboxen ist schon heute möglich?

Sollten Lootboxen auch weiterhin in Deutschland nicht dem Glücksspiel zugeordnet werden, könnte auf andere Art und Weise Einfluss ausgeübt werden. So gilt schon seit Sommer 2021 ein neues Jugendschutzgesetz, dass auch neue Regelungen zur sogenannten Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, kurz USK, enthält.

"Wenn in einem Spiel In-App-Käufe möglich sind oder Lootboxen möglich sind, dann fließt das inzwischen in die Altersbewertung mit ein", sagt Medienrechtlerin Renate Schmid. Auch dies könne zu einer gewissen Regulierung beitragen. So sei es beispielsweise denkbar, ein Spiel mit Lootboxen nicht mehr als USK 12 zu empfehlen, sondern für eine höhere Altersempfehlung festzulegen. "So kann man ein bisschen die Warnfunktion stärken", sagt Schmid.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 26. Januar 2024, 11:38 Uhr