Interview
Welche Folgen hat der MSC-Deal in Hamburg für Bremen und Bremerhaven?
Die weltgrößte Containerreederei MSC will beim Hamburger Hafenlogistiker HHLA einsteigen. Sollte es zu dem Deal kommen, hätte das Konsequenzen für Bremen und Bremerhaven.
Dem Hamburger Hafen stehen große Veränderungen bevor. In der vergangenen Woche teilten die weltweit größte Container-Reederei MSC und der Senat mit, dass das Schweizer Unternehmen beim Hamburger Hafenlogistiker HHLA einsteigen will. Der in Genf ansässige Konzern und die Hansestadt unterzeichneten einen verbindlichen Vorvertrag zur Gründung einer strategischen Partnerschaft.
Sowohl bei Reederei-Konkurrenten in Hamburg als auch in Bremen und Bremerhaven sorgte die Ankündigung für Unruhe. Im Interview erklärt Jochen Tholen, Ökonom und Hafenexperte von der Universität Bremen, warum es Kritik an dem Deal gibt und was für Konsequenzen der Abschluss für Bremen und Bremerhaven hätte.
Herr Tholen, ist das für Hamburg ein gutes Geschäft?
Das kommt darauf an. Zunächst muss man sagen, dass MSC, die 50 Prozent der HHLA übernehmen will, bis 2031 rund eine Million Standardcontainer an die Elbe verlagern will. Für Hamburg wäre das natürlich eine tolle Sache. Zugleich aber haben wichtige Akteure wie Hapag-Lloyd oder Thomas Eckelmann, der Mehrheitseigner des Eurokai-Konzerns, starken Protest gegen diesen verbindlichen Vorvertrag angemeldet.
Auch die HHLA-Belegschaft hat zuletzt massiv protestiert, weil sie einen großen Ausverkauf fürchtet. Ist die Sorge berechtigt?
Ja, ich denke schon. Es haben ja auch nicht nur HHLA-Mitarbeiter protestiert, sondern auch Mitarbeiter anderer Firmen, unter anderem von Eurokai. Es ist eben ein sehr, sehr unsicheres Geschäft mit vielen offenen Enden und Fäden.
Es kann etwa durchaus sein, dass Hapag-Lloyd rund 20 bis 30 Prozent der Ladung, die bisher in Hamburg umgeschlagen wurde, künftig woanders umschlägt. Das hat Rolf Habben Jansen, Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd, zumindest angedroht – und das ist schon eine Ansage.
Von dem Deal wusste im Vorfeld niemand, auch der Bremer Senat nicht. Hat der Hamburger Senat da Foul gespielt?
Es war zumindest eine überraschende Bombe. Und gezündet wurde sie ausgerechnet nur einen Tag vor der 13. Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen, wo die Crème de la Crème aus dem maritimen Bereich versammelt war.
Was bedeutet der Deal für die langersehnte, aber bislang noch nicht umgesetzte Hafenkooperation zwischen Bremen, Hamburg und Wilhelmshaven?
Es gibt da zwei Antworten. Die eine ist, dass die nationale Hafenstrategie, die Ende des Jahres veröffentlicht werden soll, umgeschrieben werden muss. Vielleicht funktioniert sie auch gar nicht.
Andererseits muss man sagen, dass Bremen sich im Moment weigert, mit Hamburg zusammenzugehen. Die beiden Häfen sollten ja kooperieren, vielleicht sogar fusionieren. Bremen hat da aber ziemlich abgeblockt aufgrund der Erfahrungen, die vor 40 Jahren gemacht worden sind beim Zusammengehen der Reedereien Norddeutscher Lloyd und Hapag.
MSC betreibt zusammen mit Eurogate ein Terminal in Bremerhaven, der erst vor Kurzem verlängerte Vertrag läuft bis 2048. Glauben Sie, dass MSC nun trotzdem Schiffe abziehen wird, um Hamburg zu bedienen?
Davon bin ich felsenfest überzeugt. Bisher schlägt MSC in Bremerhaven rund eine Million Standardcontainer um. Ich denke aber nicht, dass Bremerhaven bei dem im Moment schrumpfenden Welthandel im Hinblick auf die MSC-Umschlagszahlen ungeschoren davonkommt.
Andererseits kann es durchaus sein, dass Hapag-Lloyd einen Teil seiner Dienste – etwa den Amerika-Dienst, der vor ein paar Jahren von Bremerhaven nach Hamburg verlagert wurde – wieder zurückverlagert.
Würde das den Verlust für Bremerhaven kompensieren?
Ich denke schon, ja.
Das Gespräch führte Felix Krömer. Aufgezeichnet wurde es von Helge Hommers.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. September 2023, 19:30 Uhr