Brand in Bremer Jugendzentrum: Anwälte kritisieren Polizeiarbeit

Vierter Verhandlungstag um die mutmaßliche Brandstiftung im Jugendzentrum "Friese": Hat die Polizei Ermittlungen verschleppt und Neonazi-Hintergründe nicht ernst genommen?
Gebrannt hat es im Februar 2020. Angerückt zur Hausdurchsuchung ist die Polizei bei den Verdächtigen aber erst im September 2021. Warum hat das so lange gedauert? An dieser Frage haben sich am vierten Verhandlungstag vor allem die Anwälte Lea Voigt und Nils Dietrich abgearbeitet. Sie vertreten eine Frau, die bei dem mutmaßlichen Anschlag auf die "Friese" verletzt wurde.
Geladen war an diesem Prozesstag die Ermittlungsführerin der Bremer Polizei. Die 61-Jährige ist nach eigenen Angaben eine der erfahrensten Ermittlerinnen der Staatsschutz-Abteilung. In mühsamer "Wühlarbeit" habe sie die Aussagen von Zeugen mit Foto-Datenbanken abgeglichen und so die Tatverdächtigen ermittelt, die sich seit Januar dieses Jahres vor dem Bremer Landgericht verantworten müssen.
Es gibt nicht viele, die sich da so tief eingegraben hätten.
Ermittlungsführerin der Bremer Polizei im Fall "Friese"
Angeklagte haben Verbindungen zu Neonazi-Partei
Die ersten zwei Verdächtigen waren durch Zeugen tatsächlich schnell identifiziert. Sie gehören zum Umfeld der Neonazi-Partei "Die Rechte". Aufkleber dieser Partei waren in der Tatnacht sowohl an einem Plakat an der Außenwand, als auch in den Innenräumen des alternativen Jugendzentrums gefunden worden.
Auf den dritten Verdächtigen kam die Polizei über eine Abfrage der Mobilfunkzellen. Das geschah allerdings erst elf Monate nach der Tat. Dann dauerte es weitere acht Monate, bis es zur Durchsuchung bei den drei Verdächtigen kam.
Ermittlerin wurde von Fall abgezogen
Der zeitliche Verzug habe verschiedene Gründe gehabt, sagte die Kommissarin auf Nachfrage der Nebenkläger. Mangelndes Engagement sei allerdings nicht der Grund gewesen. Vielmehr habe die Personalsituation der Bremer Polizei eine Rolle gespielt.
Mitten in der Ermittlungsarbeit sei sie etwa gegen ihren Willen für mehrere Monate in eine Sonderkommission abberufen worden. Um die Ermittlungen zur Brandstiftung habe sich in dieser Zeit niemand gekümmert. Dadurch seien aber keine Beweise verloren gegangen, betonte die Ermittlerin mehrmals.
Verdächtiger ließ offenbar Handy verschwinden
Die Nebenklage-Anwälte bemängelten allerdings nicht nur die lange Dauer der Ermittlungen, sondern auch die Art und Weise, wie die schließlich erfolgten Hausdurchsuchungen über die Bühne gingen. Vor allem an der Durchsuchung bei einem der Verdächtigen im Landkreis Verden hagelte es Kritik.
Die Polizisten trafen um sieben Uhr morgens auf dem Hof zwar die Eltern des Mannes an, der Beschuldigte selbst aber war schon zur Arbeit gefahren. Als er zurückkehrte, fehlte sein Handy, auf dem ihn die Polizistin kurz zuvor noch erreicht hatte. Das mögliche wichtige Beweisstück hatte der Mann wohl schnell verschwinden lassen, als er Wind von der Aktion bekam.
Anwältin spricht von "Nazi-Schreckenskabinett"
Was die Beamten dann allerdings auf dem Hof fanden, hätte auch eine erfahrene Staatsschutz-Beamtin aufmerken lassen dürfen. Die Wohnung des Verdächtigen glich einem "Nazi-Schreckenskabinett", wie es Nebenklage-Anwältin Lea Voigt ausdrückte.
An den Wänden hingen Reichskriegs- und Hakenkreuzflagge, Hitlerbilder und eine Landkarte mit den deutschen Grenzen von 1939. Im Bücherregal stand eine Ausgabe von "Mein Kampf" ebenso wie das Manifest des verbotenen Neonazi-Netzwerks "Blood & Honour", das zum bewaffneten Kampf aufruft. In der Scheune schließlich fanden die Beamten ein in den Boden geritztes Hakenkreuz mit dem Schriftzug "Danke Uwe", eine Anspielung auf den NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt.
Beamte machten Fotos
Außerdem fand die Polizei das, was sie eigentlich gesucht hatte: Eine Tasche mit Aufklebern, ähnlich denen, die auch auf den Türen der "Friese" geklebt hatten.
Von den Nazi-Devotionalien fertigten die Beamten Fotos an und reisten wieder ab. Beschlagnahmt wurden die Gegenstände nicht. Damit waren offensichtlich auch Vorgesetzte unzufrieden. Denn schon am Tag nach dieser Durchsuchung sei die Beamtin vom Fall abgezogen worden. Die Begründung der Beamtin: "Da war jemand enttäuscht, dass ich keinen 'Gabentisch' bereitet habe für die Presse."
Anklage erhobt die Staatsanwaltschaft 2022
Eine Pressekonferenz gab es an diesem 23. September 2021 also nicht, dafür eine Pressemitteilung, die in ein paar knappen Sätzen über den Ermittlungserfolg und den Bezug der Verdächtigen zur rechtsextremistischen Szene berichtete.
Im Juli 2022 erhob die Staatsanwaltschaft schließlich Anklage. Dass es danach weitere zweieinhalb Jahre bis zum Prozess dauerte, dafür kann die Polizei nichts. Die Gründe hierfür waren laut Landgericht die Corona-Pandemie und die hohe Arbeitsbelastung der Strafjustiz.
Mutmaßliche Brandstiftung in Bremer Jugendzentrum: Angeklagte sagen aus
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Januar 2025, 19:30 Uhr