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Alzheimer aufschieben? Bremer Neurologe erwartet große Fortschritte

Demenzerkrankungen im mittleren Alter: Wie geht man damit um?

Bild: dpa | Christin Klose

Heute ist Welt-Alzheimer-Tag. Oft heißt es, dass man gegen die Krankheit nichts machen kann. Ein Bremer Arzt sagt, wieso er das anders sieht und was ihm Hoffnung macht.

Rund 55 Millionen Menschen sind weltweit von Demenz betroffen, darunter rund 1,8 Millionen in Deutschland und 14.000 im Land Bremen. Das teilt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft mit. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Ursache einer Demenz. Um auf die oft dramatische Lage der Betroffenen und ihrer Angehörigen aufmerksam zu machen, rufen die Weltgesundheitsorganisation und Alzheimer's Disease International seit 1994 jedes Jahr am 21. September zum Welt-Alzheimer-Tag auf.

Auch wenn die hohen Fallzahlen der Erkrankten besorgniserregend klingen, gibt es Hoffnung im Kampf gegen die Krankheit, durch die Betroffene unter anderem ihr Gedächtnis verlieren. Der Bremer Neurologe Thomas Duning und die Alzheimer Gesellschaft erklären den Stand der Forschung und geben Tipps, wie sich Angehörige verhalten sollten.

Thomas Duning, Chefarzt der Neurologie im Klinikum Bremen-Ost, zu Gast im Studio von buten un binnen.
Der Bremer Neurologe Thomas Duning hofft, dass in Deutschland bald Medikamente gegen Alzheimer auf den Markt kommen, die es in den USA schon gibt. Bild: Radio Bremen

Was unterscheidet Alzheimer von Demenz?

"Demenz ist ein Überbegriff für im Alltag relevante kognitive Einschränkungen", erklärt Thomas Duning, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Bremen-Ost. Für eine Demenz könne es mehrere Gründe geben, etwa Durchblutungsstörungen oder Entzündungen des Gehirns – oder eben die Alzheimer-Krankheit. "Die Alzheimer-Krankheit ist der häufigste Grund", so Duning. Er fügt hinzu: "Demenz ist gar keine Krankheit, sondern ein Symptom-Komplex. Da muss man Diagnostik betreiben, um die Gründe aufzuspüren."

Wie diagnostizieren, also bestimmen Ärzte Alzheimer?

Hierzu sei ein Bild des Gehirns erforderlich, ein MRT (Magnetresonanztomographie), sagt Duning. Außerdem seien ein paar Blutwerte für die Diagnose erforderlich. Zusätzlich überprüfe man die Kognition, also die Fähigkeiten des Gehirns. "Unter anderem testet man die Gedächtnisleistung", so Duning.

Doch auch über sogenannte Biomarker bestimme man neuerdings Alzheimer. "Es gibt Biomarker, anhand derer man sehr gut vorhersagen kann, ob die Alzheimer-Krankheit hinter einer Demenz steckt oder nicht", sagt Duning. Um diese Biomarker bestimmen zu können, benötige man einige Milliliter vom Nervenwasser des Patienten. "Man piekst dazu in den Rücken", so Duning weiter. Die Klinik für Neurologie am Klinikum Bremen-Ost sei unter anderem auf diese Diagnostik spezialisiert, mache das in der Tagesklinik bei täglich rund 15 Patientinnen und Patienten.

Magnetresonanz-Aufnahme eines Alzheimer geschädigten Gehirns
Zur Diagnose von Alzheimer gehört auch ein MRT. Unser Bild zeigt ein geschädigtes Gehirn. Bild: Imago | Panthermedia

Kann man einer Alzheimer-Erkrankung vorbeugen?

Ja, sagt Duning. Zwar bekomme jeder irgendwann Alzheimer-Ablagerungen im Gehirn: "Das gehört zum gesunden Altern dazu." Zum Verständnis: Unter Alzheimer-Ablagerungen versteht ihr Entdecker, Alois Alzheimer, "senile Plaques", das sind Ablagerungen von Proteinen in der grauen Hirnsubstanz.

Ob man deswegen aber Symptome der Alzheimer-Krankheit entwickelt oder erkrankt, hänge davon ab, ob das Gehirn diesen Vorgang kompensieren kann, sagt Duning: "Mit einer Krankheit allein wird das Gehirn in der Regel fertig. Wenn aber Durchblutungsstörungen hinzu kommen oder immer wieder Gehirnerschütterungen, dann kommen die Krankheitssymptome." Um die sogenannte Kompensations-Reserve des Gehirns zu schützen, sei es wichtig, nicht zu rauchen und den Blutdruck, die Blutfette und den Blutzucker richtig einzustellen. "Das sind die vier größten Durchblutungs-Störungsfaktoren", so Duning.

Welche Tipps gibt es sonst noch?

Auch ist es laut Duning wichtig, möglichst regelmäßig zu schlafen, ab dem 50. Lebensjahr nicht weniger als sechs Stunden pro Nacht. Außerdem sollte jeder, der eine Brille oder ein Hörgerät benötigt, diese ab dem 50. Lebensjahr auch tatsächlich nutzen. Schließlich dürfe man nicht viel Alkohol trinken und sollte seinen Kopf vor Erschütterungen schützen, beim Radfahren einen Helm tragen und auf keinen Fall Boxen.

Ein Mann raucht eine Zigarette
Rauchen erhöht das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Bild: Radio Bremen

Wie lässt sich Alzheimer behandeln?

Zwar heißt es laut dem Experten auch unter Medizinern noch immer oft: "Da kann man nichts machen." Tatsächlich aber gebe es durchaus Möglichkeiten, Alzheimer zu behandeln, sagt der Bremer Neurologe Thomas Duning: "Es gibt zumindest Medikamente, die die Symptome behandeln und die das Fortschreiten der Krankheit entschleunigen." Das sei ziemlich effektiv, wenn man frühzeitig mit der Behandlung beginnt.

Neu sei zudem, dass es einige, in anderen Ländern bereits zugelassene Medikamente gebe, mit denen man den Grund der Krankheit behandeln könne. Duning verweist auf die Wirkstoffe Aducaumab, Lecanemab und Donanemab. In den USA seien sie bereits zugelassen, ebenso in vielen anderen Ländern. "Nur die Europäer tun sich etwas schwer." Allerdings stehe zum Ende des Jahres eine neue Entscheidung an. "Ich bin recht sicher, dass ein solches Präparat auch bei uns irgendwann erhältlich ist", so Duning.

Im Prinzip handele es sich bei diesen Medikamenten um Antikörper, die dem Patienten per Infusion verabreicht werden. "Sie markieren die Alzheimer-Ablagerungen im Gehirn – und das eigene Immunsystem räumt das dann ab. Danach haben auch kranke Leute keine Alzheimer-Ablagerungen mehr im Kopf", erklärt Duning die Wirkungsweise.

Wie gehen Angehörige bestenfalls mit Alzheimer-Kranken um?

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft betont, dass es kaum möglich sei, pauschal Ratschläge zu erteilen. Angehörigen bleibe nichts anderes übrig, als im Alltag auszuprobieren, was am besten hilft. Gleichwohl sagt die Gesellschaft, dass sich unter anderem diese Tipps und Umgangsformen bewährt hätten:

  • Die Krankheit annehmen statt sie zu verleugnen.
  • Wissen über die Krankheit erwerben.
  • Den Kranken beobachten und versuchen, ihn zu verstehen.
  • Sich dem Kranken zuwenden, Sicherheit und Geborgenheit geben, einen gleichbleibenden Tagesablauf sicherstellen.
  • Die Kranken in Alltägliches, das ihnen Spaß macht, einbeziehen.
  • Die Lebensbedingungen anpassen, zum Beispiel Gas- und Elektrogeräte sichern und nachts für eine Beleuchtung sorgen.

Da es sehr belastend sein könne, Alzheimer-Kranke zu begleiten, empfiehlt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft Betroffenen, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Entsprechende Gruppen findet man im Land Bremen beispielsweise beim Pflegestützpunkt Bremen, beim Deutschen Roten Kreuz, der Caritas oder der Bremer Heimstiftung.

Wird sich Alzheimer jemals vollständig heilen lassen?

"Mit dem Begriff Heilung ist man bei degenerativen Krankheiten extrem vorsichtig", sagt Duning. Denn degenerativ bedeute, dass Nervenzellen verloren gegangen sind. Allerdings geht Duning davon aus, dass man Alzheimer künftig häufig in früheren Stadien werde diagnostizieren können, als dies bislang geschehe. Dadurch werde sich die Krankheit im Regelfall zugleich besser behandeln beziehungsweise aufschieben lassen.

Konkret erwartet Duning, dass es innerhalb der kommenden zwei Jahre möglich werde, Alzheimer-Ablagerungen im Gehirn auch im Blut nachzuweisen. Das werde die Diagnostik erheblich verbessern.

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. September 2024, 19.30 Uhr