Interview
Albanese wird 50: "Vom Tanzen muss man besessen sein"
Für Roberto Albanese ist Tanz nicht bloß ein Job. Dem Sportblitz erzählt der Erfolgstrainer, wie alles in einer Bremer Disco anfing und warum er nicht aufhören kann.
Feiern wollte Roberto Albanese diesen runden Geburtstag eigentlich gar nicht. Nicht, weil er ein Problem mit der 50 hätte, sondern weil er keine große Sache daraus machen wollte. Nun aber richtet der GGC-Vorsitzende Jens Steinmann an diesem Donnerstagabend eine kleine Feier bei einem Italiener in Bremen-Schwachhausen aus – denn zu feiern gibt es schließlich genug.
Albanese hat den Grün-Gold-Club, seit dieser sich 2002 mit dem TSC Schwarz-Silber Bremen zusammengeschlossen hatte, mit der Lateinformation zu zwölf WM-, fünf EM- und 17 deutschen Meistertiteln in die absolute Weltspitze geführt. Doch begonnen hatte Albanese mit einer eigenen Tanz-Karriere, lange an der Seite seiner heutigen Frau Uta.
Einem breiten Publikum wurde der Bremer mit italienischen Wurzeln dann 2006 und 2010 durch seine Auftritte in der Tanz-Show "Let's Dance" bekannt.
Im Gespräch mit dem Sportblitz blickt Albanese auf sein Leben mit dem Tanz zurück, zu seinen Anfängen in einer Bremer Disco und erzählt, warum er bis heute nicht weiß, warum ihn das Tanzen damals sofort fasziniert hatte.
Roberto Albanese, Sie sind 50 geworden – Bock drauf oder bange?
Bange nicht, aber 50 ist schon ein Abschnitt, bei dem man denkt: 'Krass, dass ich das jetzt schon erreicht habe.' Dass man da jetzt angekommen ist.
Merken sie die 50?
Na ja, man merkt schon, dass man das, was mit 30 gemacht hat, mit 50 so nicht mehr kann. Aber vom Kopf her ist es nicht anders, im Gegenteil. Da ist noch alles so motiviert wie sonst.
Roberto Albanese – 50 Jahre Tanz-Leidenschaft in Bildern
Ist das so?
Ja, man kann das eben nicht halb machen. Entweder, du machst es ganz oder du lässt es irgendwann sein. Natürlich hat man mal Phasen, wo man denkt: 'Jetzt wäre mal mehr Ruhe angesagt.' Inzwischen gebe mir auch mal ein, zwei Tage Ruhe. Das habe ich früher nicht gemacht.
Mit 50 denkt man vielleicht ja auch: Ich habe alles erreicht im Tanzssport, es reicht jetzt. Gab es solche Gedanken?
Ich habe ja einen sehr vielseitigen Beruf. Die Formation ist die eine Seite, aber auf der Einzelschiene bin ich ja genauso motiviert und habe ganz viele tolle Paare, die ich betreue, aufbaue und begleite bei Veranstaltungen oder Trainingscamps. Ich unterrichte auf Wertungsrichterlehrgängen oder Trainerseminaren. Ich mache so viele Dinge, dass mir dieser Mix diese Motivation gibt. Ich glaube, eine Sache alleine würde mir das nicht geben.
Wie hat es mit dem Tanzen eigentlich angefangen?
Ich habe komischerweise immer gerne getanzt, aber ich hatte nie Kontakt zum Turniertanzen. Wenn ich weggegangen bin, habe ich einfach getanzt. Warum ich gerne getanzt habe, wusste ich eigentlich selber nicht. Irgendwann wurde ich der Disko angesprochen, ob ich mir Turniertanz vorstellen könnte. Ich wusste gar nicht, was mich da erwartet. Dann habe ich es gesehen und weiß bis heute nicht, warum ich davon sofort so fasziniert war. Aber so fing es an.
Wann habe Sie gemerkt, dass es ein Beruf werden könnte?
Ich hatte durch Zufall mal jemandem eine Tanzstunde gegeben und gemerkt, dass mir das Spaß macht. Dann ging es ratzfatz, dass ich viele Nachfragen hatte. Ich merkte, dass ich Paare schnell verändern konnte, ohne dass ich eigentlich genau wusste, wieso und weshalb. Es lief alles so nebenher, ohne dass es erstmal einen richtigen Plan hatte.
Wie ging es dann weiter?
Ich habe gemerkt, dass ich sehr gut mit Menschen umgehen und sie sehr gut motivieren kann. Anfangs kam das aus der Intuition, später habe ich mich sportpsychologisch weitergebildet. Aber Paare, die zu mir kamen, wurden relativ schnell erfolgreicher. Und das liegt daran, dass ich nicht lange herumrede, sondern die Probleme so direkt auf den Tisch packen kann. Sodass trotzdem für andere nicht sofort eine Welt zusammenbricht. Ich sage, was nicht stimmt, zeige aber auch die Lösung mit auf. Das zeichnet mich in meiner Arbeit aus und darin, wie ich bin.
Sind Sie besessen vom Tanzen?
Wenn man so lange in diesem Sport ist, muss man besessen sein. Sonst funktioniert das nicht. Man muss von allem besessen sein, wo man den maximalen Erfolg haben will.
Wie würden Sie sich selbst als Trainer beschreiben? Sie können laut werden, sind aber auch mal ganz gelassen.
Genau und diese Palette muss man auch anbieten können, wenn man ein Toptrainer sein will. Mal die hochemotionale Maximalstufe genau wie das Rationale und Gelasse, um die Menschen damit abholen zu können. Es hängt ja immer damit zusammen, welches Paar, welche Persönlichkeit mit welchen Bedürfnissen vor dir steht. Man muss alle individuell ansprechen, da gibt es kein Muster X.
Wie schaffen Sie es, Lateinformationen so lange auf diesem hohen Niveau zu halten und sie überhaupt dorthin zu bringen?
In den vergangenen 25, 30 Jahren haben sich die Charaktere im Tanzsport sehr verändert. Früher gab es Tänzer, die man anders antreiben und auch härter anfassen konnte. Heute muss man anders herangehen, um die gleiche Leistung zu bekommen. Heute sind Tänzer sehr viel sensibler und ängstlicher, das ist eine andere Generation im Moment.
Viele plagen Zweifel und Ängste. Schaffe ich das? Keiner geht da ran und sagt: 'Egal, was passiert, ich werde das schon irgendwie schaffen.' Erstmal macht man sich Gedanken, was man nicht hinbekommt. Mein Job ist es, sie davon zu überzeugen, dass sie es hinkriegen. Ich kann mich sehr individuell auf die Charaktere einstellen und sie über einen gewissen Zeitraum da hinbringen, wo ich sie hinhaben will.
Sie haben von Anfang an die Choreografien und die Musik selbst gemacht. Wo kam das her, wenn Sie gar nicht richtig wussten, was Sie da machen?
Ich denke, das war mein Glück. Denn die ersten Versuche waren ja auch nicht so gut und ich musste mir jedes Mal Gedanken machen, warum es nicht gut war und die Leute nicht angesprochen hat. Dadurch habe ich sehr viel gelernt.
Die ersten Musiken habe ich auf einer Kompakt-Anlage geschnitten und sie in einem Tonstudio für ein paar hundert Mark ein bisschen überarbeitet. Damit bin ich in der Oberliga an den Start gegangen, während andere längst hochproduzierte Studiomusik hatten. Die ersten Kleider haben wir bei Pimkie für 50 Mark gekauft und selber überarbeitet, weil wir kein Geld hatten. Aber durch die geringen Mittel musste ich mir immer ein, zwei Gedanken mehr machen, um zu überzeugen.
Gibt es aus der langen Zeit ein besonderes Highlight, wenn Sie zurückblicken? Oder sind es zu viele?
Der erste WM-Titel war sicherlich ein Highlight. Aber ich binde das Wort eigentlich nicht an einen Titel, sondern an den Moment, wenn ich eine begnadete Truppe von verschiedenen Charakteren vor mir habe, die ich zu etwas formen konnte, was sie sich selbst nie hätten vorstellen können. Und ihnen den Weltmeistertitel, den ihnen niemand mehr nehmen kann, mit auf den Weg geben konnte. Das sind für mich die Highlights.
(Das Interview führte Niko Schleicher, aufgezeichnet von Petra Philippsen.)
Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 24. Mai 2023, 18:06 Uhr