Interview
Werder-Trainerlegende Rehhagel erinnert sich: Völler war trainingsfaul
Schon beim Bundesliga-Start 1963 war Otto Rehhagel dabei, hat als Trainer alles erlebt. Nicht nur mit Werder. An Rudi Völler erinnert sich der 85-Jährige besonders gut.
Die Bundesliga hat gerade ihre 61. Saison begonnen. Otto Rehhagel war vom ersten Spieltag an dabei. Der gebürtige Essener stand im Trikot von Hertha BSC schon am Premierenspieltag am 24. August 1963 auf dem Platz.
Im Interview schwelgt Rehhagel, der gerade 85 Jahre alt geworden ist, in Erinnerungen und teilt das Geheimnis seines Erfolges: "Ich habe immer auf meine Frau gehört."
Rehhagel erklärt, warum er den Wechsel zu Bayern München nicht bereut, welcher Werder-Spieler ihn einst zum Ausrasten brachte und wer der beste Fußballer war, den er je trainiert hat.
Herr Rehhagel, wie kam es damals 1963 zum Wechsel von Rot-Weiss Essen zu Hertha BSC?
Das war der Schritt in die große, weite Welt. Die Ablösesummen waren harmlos, ein paar Mark-Fünfzig, wir haben 1.200 Mark im Monat bekommen. 'Na Kleener, wie fühlst du dir in der Großstadt?', hat Hertha-Kapitän Helmut Faeder nach ein paar Wochen zu mir gesagt. Da war das Eis gebrochen.
Sie mussten ihre Karriere aufgrund einer schweren Knieverletzung beenden und wurden dann Trainer. Die Bayern spielten dabei immer eine wichtige Rolle.
Wenn man Meister in der Bundesliga werden will, muss man das Hinspiel und das Rückspiel gegen Bayern München gewinnen. So war es dann ja auch 1998 mit dem 1. FC Kaiserslautern.
Mussten Sie auch mal laut werden in der Kabine?
Das schreibt die Presse gerne, dass die Spieler in der Halbzeitpause zusammengestaucht werden vom Trainer. Tatsächlich ist es aber so: Man kann nicht in der Halbzeit rumschreien. Man muss sachlich, fachlich sein. Eine ruhige Ansprache wählen.
Ist Ihnen denn trotzdem mal ein Aussetzer passiert?
Wir haben mal ein Spiel gemacht mit Werder Bremen gegen Hannover 96. Gunnar Sauer hatte Freitag verletzungsbedingt abgesagt, dann hat er aber erklärt, ich fahre trotzdem mit, hat sich fit gemeldet und dann auch gespielt. Nach drei Minuten ist er aber raus, da bin in der Halbzeit ausgerastet. Als ich am Abend nach Hause gefahren bin, habe ich zu Beate gesagt: 'Ich glaube, ich habe heute einen Fehler gemacht.' Am Montag in der Mannschaftssitzung habe ich dann gesagt: 'Der Trainer ist zu laut geworden, ich möchte mich bei Gunnar entschuldigen. In der Sache habe ich recht gehabt, aber so, wie ich es gesagt habe, war es nicht in Ordnung.'
Diese Größe muss man allerdings auch erstmal haben.
Das war immer meine Stärke. Sie können alle fragen, meine Spieler werden nichts Böses über mich sagen. Darauf bin ich stolz. Alt und jung gab es bei mir im Übrigen nicht. Je älter man wird, um so klüger wird man.
Was war das Besondere ihres 14-jährigen Gastspiels von 1981 bis 1995 bei Werder Bremen?
Die Rahmenbedingungen waren ideal. Ich konnte nach meinen Vorstellungen und mit der Rückendeckung der Verantwortlichen wirken. Dabei habe ich die Leute aber auch mitgenommen. Manager Willi Lemke zum Beispiel. Mein Eindruck ist, dass dem jeweiligen Trainer mittlerweile in vielen Vereinen zu viel reingequatscht wird.
Zudem habe ich gerade während meiner Bremer Zeit mit meinen Spielern immer Volltreffer gelandet, ich habe den 34-jährigen Manfred Burgsmüller geholt oder auch Klaus Allofs. Rudi Völler war eine Empfehlung von Hermann Nuber aus Offenbach. Später habe ich ihn von 1860 München an die Weser geholt. Ich habe mal im Spaß gesagt, Rudi Völler hat im Hof von Bayern München Fußball gespielt, aber die haben nicht mal das Fenster aufgemacht (lacht).
Völler schwärmt immer noch in höchsten Tönen von Ihnen.
Rudi ist mein Freund. Er selbst war übrigens manchmal kein Trainings-Weltmeister. Ich erinnere mich, dass ich einmal nach dem Abschlusstraining nach Hause zu Beate gekommen bin, und ihr erzählt habe, dass der Rudi heute nicht gut trainiert hat. Das war Dienst nach Vorschrift. Ich glaube, ich werde auf ihn im nächsten Spiel in der Startelf verzichten. Beate hat gesagt: 'Otto, mach' keinen Fehler.‘ Am nächsten Tag hat Rudi natürlich von Anfang an gespielt und das erste Tor geschossen. Es gibt halt Spieler, die sind nicht immer Trainings-Weltmeister, aber dafür im Spiel immer eine Bank.
Wie sind Sie mit Kritik umgegangen, Sie galten als empfindlich?
Mein Präsident in Bremen, der leider verstorbene Dr. Franz Böhmert, hat mal gesagt, in Otto Rehhagels Vertrag kommt rein: 'Wenn Kritik an Herrn Rehhagel aufkommt, verlängert sich der Vertrag automatisch um zwei Jahre.' Der konnte das leicht sagen, weil wir immer Erfolg hatten (lacht).
Warum sind Sie nach 14 Jahren an der Weser 1995 zum FC Bayern gewechselt?
14 Jahre waren eine lange Zeit, ich habe mir gesagt: 'Jetzt musst du etwas anderes machen.' Natürlich hatte ich in München ein anderes Standing als bei Werder Bremen. Wir waren, als wir auseinandergingen, Zweiter und standen fünf Tage vor dem UEFA-Cup-Finale. Natürlich hat mich die Trennung getroffen. Ich habe später Uli Hoeneß getroffen und ihm gesagt: 'Ihr wolltet ja nicht, dass ich deutscher Meister mit euch werde, deshalb bin ich nach Kaiserslautern gegangen.' Im Ernst: Ich bin mit den Bayern absolut im Reinen. Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß sind meine Freunde.
Trotzdem keine verlorene Zeit in München?
Die Zeit bei den Bayern will ich nicht missen, da habe ich auch eine Menge gelernt. Gleichzeitig müssen sich die Bayern auch mal fragen, ob sie immer alles richtig gemacht haben. Die Journalisten in München waren auch nicht glücklich, sie haben von mir nichts erfahren.
Wer war der beste Fußballer, den Sie betreut haben?
Ich hatte das große Glück, mit vielen außergewöhnlichen Fußballern zusammenarbeiten zu dürfen. In besonderer Erinnerung habe ich dabei zum Beispiel Wynton Rufer, der konnte alles. Kopfball, links und rechts schießen, ein raffinierter Hund, blitzgescheit und unglaublich schnell.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 9. August 2023, 7:40 Uhr