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"Hamburg-Standard": Ein Vorbild für den Wohnungsbau in Bremen?

Um den Wohnungsbau zu beschleunigen, setzt Hamburg auf einen neues Konzept. Es soll das Bauen billiger machen. Das Bremer Bauressort sieht darin eine "Orientierungshilfe".
Kurz nachdem vergangene Woche der neue sogenannte Hamburg-Standard vorgestellt wurde, forderte die Bremer Handelskammer eine vergleichbare Novelle der Baustandards auch für Bremen. Um bis zu 40 Prozent, so das Versprechen aus Hamburg, ließen sich die Kosten im Wohnungsbau reduzieren – und zwar durch "bedarfsgerechtere Standards, effizientere Planungs- und Managementprozesse sowie schnellere Genehmigungen".
Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Karen Pein (SPD), feiert den "Hamburg-Standard" als "lang ersehnten Durchbruch zur Senkung der Baukosten in Deutschland". Und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kündigt eine schnelle Umsetzung an. Konkret will Hamburg das neue Konzept zunächst im Wilhelmsburger Rathausviertel testen, wo 1.900 neue Wohnungen entstehen sollen.
Ob Bremen sich am "Hamburg-Standard" orientieren sollte, um zügig für mehr Wohnungen zu sorgen, erklärt buten un binnen.
Was genau ist der "Hamburg-Standard", und wer hat ihn aus welchen Gründen entwickelt?
Beim sogenannten Hamburg-Standard handelt es sich um ein Bündel aus Maßnahmen, die darauf abzielen, Baukosten zu senken. So soll der Wohnungsbau angekurbelt und der Wohnungsmangel verringert werden. Entwickelt wurde das neue Konzept von der Initiative kostenreduziertes Bauen.
Die Initiative setzt sich dem Hamburger Senat zufolge aus rund 200 Fachleuten zusammen, die etwa 100 Institutionen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand angehören. Ein Jahr lang habe die Initiative rechtliche und bauliche Standards ebenso hinterfragt wie Planungs-, Verwaltungs- und Bauprozesse. Dabei hat sie drei Felder identifiziert, bei denen Handlungsbedarf besteht: "Kostenreduzierende Baustandards", "Optimierte Prozesse und Planung" sowie "Schnellere Verfahren".
Was kann man sich konkret unter diesen Handlungsfeldern vorstellen?
Beim Handlungsfeld Kostenreduzierende Baustandards geht es um einfachere Vorgaben an die Baukonstruktion und die Gebäudetechnik. "Verzichtbare Anforderungen" sollen wegfallen, so die Initiative. Beispielhaft nennt sie den Verzicht auf Trittschalldämmung auf vorgelagerten Balkonen oder den Verzicht auf Tiefgaragen – dort, wo sie nicht benötigt werden.
Das Handlungsfeld Optimierte Prozesse und Planung soll privaten Bauherren helfen, den Planungs- und Bauprozess effizienter zu gestalten. So sollen etwa durch frühzeitige Projektpartnerschaften Bauzeiten verkürzt und unnötige Planungsschleifen verhindert werden.
Im Handlungsfeld Schnellere Verfahren geht es der Initiative zufolge um Maßnahmen, die die Genehmigungs- und Planungsverfahren von Neu- und Umbauvorhaben durch die öffentliche Hand effizienter machen sollen. Wichtig sei dabei ein digitales Werkzeug, das darstellt, wie sich sich verschiedene Varianten der Bauplanung mit Blick auf die Kosten auswirken. Eine "Projektuhr" solle dazu dienen, den Zeit- und Kostenstatus eines Projektes sichtbar und bewusst zu machen.

Was sagt der Bremer Senat zum "Hamburg-Standard" und der Handelskammer-Forderung, hier Vergleichbares einzuführen?
Bremen sei bereits dabei, den Wohnungsbau zu vereinfachen, erklärt Bauressort-Sprecher Aygün Kilincsoy auf Anfrage. So plane Bremen eine weitere Novelle der Landesbauordnung. Bereits beschlossen habe der Senat im September 2024 "Standardabsenkungen in einzelnen Aufgabenbereichen" bei Sanierungsmaßnahmen. Konkrete Vorschläge hierzu würden derzeit fachpolitisch bewertet, so der Sprecher.
Darüber hinaus habe der Senat in der laufenden Legislatur die "Senatskommission Wohnungsbau" eingerichtet und das Wohnraumförderprogramm des Landes umfassend überarbeitet, betont Kilincsoy. Jetzt wolle man das Thema Baukostensenkung stärker in den Blick nehmen. Die Hamburger Initiative sei hierbei "eine sehr wichtige und vor allem solide Orientierungshilfe für Bremen", sagt der Bauressort-Sprecher.
Sie ermöglicht es auch für Bremen, wichtige Stellschrauben zu identifizieren.
Sprecher des Bremer Bauressorts, Aygün Kilincsoy
Wie groß ist der Bedarf an neuen Wohnungen im Land Bremen?
Aktuelle Zahlen hierzu will das Bauressort nach eigenen Angaben bis Ende März im Zuge seiner Wohnraumbedarfsprognose vorstellen. Erste Zahlen könnte die Senatskommission Wohnungsbau am 25. Februar bei ihrer nächsten Sitzung präsentieren.
Unabhängig von den Ergebnissen der offiziellen Wohnraumbedarfsprognose Bremens ist es kein Geheimnis, dass es insbesondere in der Stadt Bremen an günstigen Wohnungen mangelt, besonders an Sozialwohnungen.
Für das Land Bremen hat das Pestel Institut im Auftrag des Verbändebündnisses Soziales Wohnen ermittelt, dass bis zum Jahr 2030 rund 17.300 Sozialwohnungen benötigen werden. Das sind nach der Studie vom 5. Februar etwa 10.900 mehr, als derzeit in Bremen vorhanden. Zum Bündnis Soziales Wohnen gehören unter anderem der Deutsche Mieterbund, die Caritas und die Bau-Gewerkschaft IG BAU.
Wie bewerten Experten aus dem Baugewerbe den "Hamburg-Standard"?
Der Architekt Dietmar Walberg, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen, sagt: "Die baulichen Standards haben sich in den letzten Jahrzehnten auf ein nicht mehr leistbares Niveau hoch geschaukelt." Hamburg habe dies mit allen am Bau Beteiligten analysiert und lege mit dem "Hamburg-Standard" eine valide Grundlage für die Problembeseitigung. "Bezahlbares Bauen – und damit auch Soziales Wohnen – kann wieder möglich gemacht werden", so Walberg. Er hofft, dass das Hamburger Beispiel bundesweit Schule macht.
Lob kommt auch vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). So sagte ZDB-Rechtsexperte Philipp Mesenburg der "Deutschen Handwerks-Zeitung", dass der "Hamburg-Standard" Mustervertragsklauseln vorsehe, die im Rahmen eines Bauprojektes vereinbart werden könnten. "Wir begrüßen diesen Ansatz und halten ihn auch bundesweit für nachahmenswert", so Mesenburg. Mit dem "Hamburg-Standard" würde so etwas wie ein Werkzeugkasten zur Verfügung gestellt, auf den Vertragsparteien je nach Bedarf zugreifen könnten.
Das heißt, Sie können beispielsweise bei der Ausstattung der Wohnung mit Steckdosen Abstriche machen, beim Schallschutz aber beim höheren Standard bleiben – ganz so, wie es den individuellen Anforderungen entspricht.
Rechtsexperte Philipp Mesenburg vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes in der "Deutschen Handwerks-Zeitung"
Pestel-Studie: Hoher Mangel an Sozialwohnungen in Bremen
Quelle: buten un binnen.