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Wie Bremen Wohnraum vor dem Verfall und Mieter vor Kälte schützen will

Ein Mann mit Jacke und Schal sitzt auf der Wohnzimmercouch und schaut auf ein Laptop, vorne auf einem Tisch steht ein digitales Thermometer, das 10 Grad anzeigt.

Wie Bremen Wohnraum vor dem Verfall und Mieter vor Kälte schützen will

Bild: Imago | Wolfgang Maria Weber

Um Leerstand und den Verfall von Wohnraum zu verhindern, setzt Bremen auf zwei neue Gesetze. Sie stärken Mieterrechte, nehmen Vermieter in die Pflicht. So wirken sie sich aus.

Rund 700.000 Wohnungen fehlen in Deutschland, sagt der Deutsche Mieterbund. Auch im Land Bremen herrscht Wohnungsmangel und vor allem günstiger Wohnraum ist knapp. Umso trauriger, wenn vorhandene Wohnungen leer stehen oder bewohnte Wohnungen verkommen. Um solchen Missständen zu begegnen, hat Bremens Politik in den letzten Jahren zwei Gesetze auf den Weg gebracht, beziehungsweise erneuert: das Bremische Wohnungsaufsichtsgesetz und das Bremische Wohnraumschutzgesetz. So wirken sich diese Gesetze in der Praxis aus:

Was verbirgt sich hinter dem Wortungetüm "Bremisches Wohnungsaufsichtsgesetz", und wieso hat die Bremische Bürgerschaft dieses Gesetz neu gefasst?

Das Bremische Wohnungsaufsichtsgesetz verpflichtet Vermieter, eine Wohnung in angemessener Weise in Stand zu halten und ihren Pflichten als Vermieter nachzukommen. Im vorigen Herbst und Winter ist es aber wiederholt in Bremen vorgekommen, dass Vermieter, beziehungsweise von ihnen beauftragte Verwalter, Rechnungen über Heizkosten nicht beim Energieversorger beglichen hatten, obwohl sie das erforderliche Geld hierzu von den Mietern erhalten hatten. In der Folge drehte der Energieversorger Swb den Mietern buchstäblich den Gashahn ab. Die Mieter lebten wochenlang in kalten Wohnungen.

Damit sich solche Vorfällen nicht wiederholen, hat die Bremische Bürgerschaft Ende April eine Novelle des Bremischen Wohnungsaufsichtsgesetzes beschlossen. So darf die Wohnaufsicht jetzt Treuhänder einsetzen, die Aufgaben des Vermieters übernehmen, sofern dieser seinen Pflichten nicht nachkommt. Wie Falk Wagner, Sprecher für Stadtentwicklung, Wohnen und Bau der SPD-Fraktion, erklärt, kommen für diese Aufgabe vornehmlich die großen städtischen und privaten Wohnungsverwaltungen im Land Bremen infrage.

Außerdem sind die Energie- und Wasserversorger durch das neu gefasste Gesetz nun dazu verpflichtet, das Ordnungsamt zu informieren, wenn sie Kunden Energie- oder Wassersperren androhen. Auf diese Weise, so die Idee, kann das Ordnungsamt, bei dem in Bremen die Wohnaufsicht angegliedert ist, Energiesperren verhindern: indem es einen Treuhänder einsetzt, der an Stelle des Vermieters dessen Pflichten übernimmt, und sich mit dem Energieversorger kurzschließt.

Ein defekte Klingel an einer Wand, über der handschriftlich "Bitte klopfen" steht.
Eine offenbar schon lange defekte Klingel: Zufall oder Zeichen der Verwahrlosung? Letztgenannte könnte die Wohnaufsicht auf den Plan rufen. Bild: Imago | photothek/Thomas Koehler

Wie bewertet der Mieterschutz die neue Fassung des Bremischen Wohnungsaufsichtsgesetzes?

Kornelia Ahlring, Geschäftsführerin des Mieterverein Bremens, findet sehr erfreulich, dass die Städte Bremen und Bremerhaven nun Treuhänder einsetzen dürfen, ehe es zu Energiesperren kommt. Mit der Gesetzesnovelle würden nicht nur Mieter in ihren Rechten gestärkt. Auch die Wohnaufsicht gewinne durch die Option, Treuhänder einzusetzen, an Möglichkeiten hinzu. "Vorher musste die Wohnungsaufsicht den Vermieter anschreiben, hat ihm eine Frist gesetzt und mit einem Bußgeld gedroht." Dabei sei mitunter viel Zeit verstrichen – Zeit, die die Mieter in besonders schlechten Fällen in kalten Wohnungen verbracht hätten. Ahlring geht davon aus, dass es künftig kaum noch zu solchen Fällen kommen wird.

Was sagt die Opposition zur Novelle des Bremischen Wohnungsaufsichtsgesetztes?

Die CDU-Fraktion steht "voll dahinter", betont Silke Neumeyer, Fraktionssprecherin für Bau und Tierschutz. "Die Stadt hat bislang zu spät von möglichen Energiesperren erfahren", sagt sie. Jetzt könne die Wohnaufsicht rechtzeitig einschreiten: "Endlich keine frierenden Mieter mehr", hofft Neumeyer.

Ganz anders bewertet die FDP die Gesetzesnovelle. Sie hat dagegen gestimmt. "Wir haben das Gesetzt abgelehnt, da uns der Weg noch nicht überzeugt hat", sagt Tim Abitzsch, Geschäftsführer der Bremer FDP-Fraktion. Zwar erkenne seine Partei den guten Willen an, bei tragischen Einzelschicksalen Abhilfe zu schaffen. Allerdings hätten die Regierungsfraktionen keine Alternativen geprüft. Zudem habe das Gesetz bereits in seiner alten Fassung der Wohnaufsicht weitreichende Möglichkeiten eingeräumt, Mieter zu schützen. Daher, so Abitzsch, habe seine Partei nicht die Notwendigkeit gesehen, "aufgrund einiger spektakulärer Fälle am Ende der Legislatur auf die Schnelle eine Gesetzesänderung durchs Parlament zu bringen, die im Zweifelsfall erheblich in Grundrechte eingreift."

Eine leer stehende Wohnung mit Holzfußboden
Eine leere Wohnung. Laut Bremischem Wohnraumschutzgesetzt dürfen Vermieter Wohnungen nicht länder als sechs Monate leer stehen lassen. Bild: Imago | blickwinkel/R.Rebmann

Das Bremische Wohnaufsichtsgesetz greift nur für Wohnungen, in denen tatsächlich Menschen leben. Was ist mit Wohnraum, der leer steht?

Um Leerstände von Wohnungen weitgehend zu verhindern, hat Bremen im Juli 2021 das Bremische Wohnraumschutzgesetz eingeführt. Es gilt allerdings nur in der Stadt Bremen, nicht in Bremerhaven. Im Kern besagt das Gesetz, dass Wohnungen nicht länger als sechs Monate leer stehen dürfen. Andernfalls droht dem Eigentümer eine Geldbuße. Dieses Gesetz soll zum einen verhindern, dass aus Wohnimmobilien Schrottimmobilien werden, weil sich niemand um sie kümmert. Zum anderen soll das Gesetz der Zweckentfremdung von Wohnungen als Büro oder Ferienwohnung entgegen wirken.

Welche Erfahrungen hat Bremen bislang mit dem Wohnraumnschutzgesetz gemacht?

Zwar hat Stadt Bremen bislang noch kein Bußgeld im Zusammenhang mit dem Wohnraumschutzgesetz verhängt, sagt Arne Sünnemann aus dem Bauressort. Allerdings habe seine Behörde etwa 220 Objekte im Visir, prüfe derzeit die Gründe für die Leerstände. Dass im Zuge dessen noch Strafen verhängt würden, sei sehr wahrscheinlich.

Der SPD-Abgeordnete Falk Wagner spricht im Zusammenhang mit den Leerständen von "ärgerlichen Einzelfällen", die sich allerdings summierten. Um ein Massenphänomen handele es sich aber nicht. Hinter den meisten Leerständen steckten persönliche Geschichten, etwa von Erben eines Hauses, die sich nicht einigen können, wie die Immobilie genutzt werden soll.

Ähnlich sieht es die CDU-Abgeordnete Silvia Neumeyer. Sie hatte kürzlich eine "Kleine Anfrage" an den Senat zu entsprechenden Immobilien gestellt. Mit Blick auf Streitigkeiten von Erben um die Nutzung von Wohnraum sagt sie: "Da kann die Politik nicht viel machen."

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 4. Mai 2023, 13:10 Uhr