Fragen & Antworten
Mehr Rechte für Väter – wie hilft das den Trennungskindern?
Wer ein Kind gezeugt hat, muss auch rechtlich gesehen dessen Vater werden können. Was das für Trennungskinder bedeutet und wo deren Probleme wirklich liegen, erklären zwei Bremer Experten.
Biologische Väter müssen eine von einem anderen Mann übernommene rechtliche Vaterschaft anfechten können. Eine rechtliche Möglichkeit dafür zu schaffen, ist nun Aufgabe der Bundesregierung. So hat das Bundesverfassungsgericht im April 2024 im Fall eines Mannes aus Sachsen-Anhalt entschieden. Er war mit der Mutter seines heute dreijährigen Sohnes nicht verheiratet und die Beziehung zerbrach kurz nach der Geburt. Der neue Partner der Mutter erkannte die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter an und wurde damit rechtlicher Vater. Das Gericht kann sich sogar mehr als zwei rechtliche Elternteile vorstellen. Der Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt das jedoch ab. Er will bei zwei rechtlichen Elternteilen bleiben.
Welchen Einfluss das Urteil auf die Situation von Trennungskindern hat, erklären Christine Böttger und Matthias Westerholt, Verfahrensbeistände für Kinder in Bremen.
Was wird sich für Trennungskinder durch eine Stärkung von Rechten leiblicher Väter verbessern?
Laut Matthias Westerholt, Fachanwalt für Familienrecht in Bremen, führen mehr rechtlich Verantwortliche für die betroffenen Kinder eher zu Verwirrung: "Ich glaube, es wird sich für die Kinder eher etwas verschlechtern, wenn ein zweiter Vater ins Spiel kommt. Das kann zu einem Kompetenzgerangel führen. Das Kind weiß dann nicht, wer zuständig ist und das bringt Verwirrung."
Westerholt arbeitet auch als Verfahrensbeistand. Er vertritt die Interessen des Kindes in einem gerichtlichen Streit um Sorge- oder Umgangsrecht. Er kritisiert, dass immer noch vor allem die sich trennenden Eltern, ihre Rechtsansprüche und Nöte in den Blick genommen würden, die Interessen der Kinder eher untergingen. "Es gibt eine sehr elternzentrierte Sicht auf das Thema", sagt der Rechtsanwalt. "Natürlich ist der Fall, der vor dem Bundesverfassungsgericht gelandet ist, ganz mies gelaufen für den Vater. Solche Fälle sind ungerecht für die Eltern, über allem steht aber das Kindeswohlprinzip."
Auf allen Ebenen gibt es viel Verständnis für die Eltern und ihre Gefühle. Das Kind gerät dabei oft aus dem Blick.
Matthias Westerholt, Fachanwalt für Familienrecht in Bremen
Wie viele Trennungskinder gibt es im Land Bremen?
Wie viele Kinder von Trennung betroffen sind, daran kann man sich über Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung Mikrozensus annähern. Nach einem Erstergebnis für 2023 leben demnach im Land Bremen 41.000 Kinder in Familien alleinerziehender Elternteile. Das ist gut ein Viertel aller im Land Bremen in Familien lebenden Kindern. In dieser Zahl sind auch Volljährige eingerechnet, die aber noch im Elternhaus leben. Zieht man sie ab, so verbleiben 26.000 minderjährige Kinder und Jugendliche, die bei alleinerziehenden Elternteilen leben. Wie das Statistische Landesamt Bremen mitteilt, können die Zahlen aus diesem Erstergebnis noch geringfügig abweichen, wenn die Statistiker die abschließende Berechnung gemacht haben.
Wie lässt sich das wirkliche Interesse eines Kindes in einem Sorgerechts- oder Umgangsrechtsprozess feststellen?
Herauszufinden, was im Interesse des Kindes ist, während die Eltern sich streiten, ist gar nicht so leicht. Es ist von Kind zu Kind verschieden, weiß Christine Böttger. Sie arbeitet ebenfalls als Verfahrensbeistand in Bremen und hat sich auch in wissenschaftlicher Arbeit mit Fragen von Kinderschutz und Kindeswohl auseinandergesetzt. "Ich versuche erst einmal, mit einem Kind alleine zu sprechen. Manche wollen auch gar nicht reden. Mit anderen spiele ich erst einmal und dann sprechen wir. In jedem Fall muss ich schauen, was das Kind schon einschätzen kann. Einen Willen zu bilden ist ja ein Prozess und nichts Statisches", so beschreibt Böttger den Beginn ihrer Arbeit mit einem Kind.
Was sind wesentliche Probleme für Trennungskinder?
Das ist in jedem Einzelfall anders. In Fällen, wo beispielsweise auch noch häusliche Gewalt hinzu kommt, liegt es anders als dort, wo Eltern sich "nur" streiten. Dass sie zwischen den streitenden Eltern stehen und deren Probleme auch auf sie abfärben, ist für Trennungskinder sehr belastend, sagen verschiedene Experten. "Es ist absolut schädlich für Kinder, ständig zwischen Elternstreit gefangen zu sein. Das führt zu Dauerstress, der die Entwicklung beeinträchtigen kann", sagt Christine Böttger. Als Beispiele nennt sie unter anderem Probleme in der Schule und mit der Konzentration, aber auch inneren Rückzug, depressive oder aggressive Symptome. "Manche Kinder verweigern den Umgang mit einem Elternteil, weil sie es nicht aushalten, in dem Spannungsfeld zwischen den Eltern zu sein. Wenn ein Kind sich zurückzieht, hat das auch seine Berechtigung. Wir müssen dann ergründen, woran es liegt."
Was nach einer Trennung mit dem Kind passiert, ist ein unglaublich emotional geführtes Thema. Sätze wie 'Ein Kind gehört zur Mutter' oder 'Ein Kind braucht beide Eltern' so pauschal angewandt erschweren aber oft den Kinderschutz.
Christine Böttger, Verfahrensbeistand in Bremen
Welche Ansätze gibt es, diese Probleme zu lösen?
"Was gut für Kinder ist, ist sehr individuell. Für die meisten ist es nach einer Trennung gut, Kontakt zu beiden Eltern zu haben, so will es auch der Gesetzgeber. Man muss aber auf den Einzelfall schauen", sagt Verfahrensbeistand Christine Böttger. Um Stresssituationen durch Elternstreit zu vermeiden, müssen kreative Lösungen her. Zum Beispiel, wenn das Kind vom einen Elternteil zum anderen wechselt. "Streit bei der Übergabe kann man zum Beispiel dadurch vermeiden, indem eine dritte Person das Kind vom einen Elternteil zum anderen bringt, so dass sie sich nicht begegnen müssen." Das könne ein sogenannter Umgangspfleger sein, in anderen Fällen funktioniere es auch über Verwandte. Eine andere Möglichkeit: Sich zum Beispiel bei einem Vätertreff verabreden. "Da sind noch andere Leute und so wird die Situation entschärft."
Rechtsanwalt Westerholt plädiert auch dafür, nicht so sehr an Grundsätzen zu hängen, sondern darauf hinzuwirken, dass alle Regelungen, die zwischen getrennten Eltern getroffen werden, für das Kind möglichst wenig Stress verursachen. "Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein gemeinsames Sorgerecht das Beste sei. Meine Erfahrung ist aber: Entscheidend ist, dass das Kind in Ruhe und Frieden leben kann. Wenn Eltern miteinander streiten, wird das oft über Sorgerechtsfragen ausgetragen. Die Kinder werden instrumentalisiert. Man sollte daher die Prämisse vom gemeinsamen Sorgerecht beiseite schieben und schauen, was das Beste für das Kind ist. Da sehe ich großen Reformbedarf."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. April 2024, 19:30 Uhr