Hospizhilfe Bremen gründet Trauergruppe für verstorbene Haustiere
"Wenn ihr Tier stirbt, bricht für viele Menschen die Welt zusammen", sagt die Initiatorin Regina Heygster. Die Hospizhilfe will ihnen Zeit und einen Ort zum Trauern geben.
Frau Heygster, wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Trauergruppe für verstorbene Tiere zu gründen?
Ich hatte eine Freundin, deren Katze verstorben ist und ich bin die Einzige gewesen, die zur Trauerfeier gekommen ist. Das hat mich ein bisschen erschüttert. Meine Freundin hat mir dann sehr viel Schönes aus dem Leben der Katze erzählt und ich habe mich gefragt, warum es nicht auch Trauerarbeit für den Verlust von Tieren gibt.
Ein anderes Beispiel ist meine ehemalige Nachbarin. Sie ist Mitte 80 und lebte mit einer Katze zusammen, so wie andere mit einem Menschen. Als die Katze gestorben ist, brach für diese Frau eine Welt zusammen. Ich habe mit ihr telefoniert, ihr Briefe und Karten geschrieben und gemerkt, wie sie dabei richtig aufgeblüht ist. Wir haben aber auch selbst drei Katzen und einen Hund aus Rumänien. Eine der Katzen hat Krebs und hat mittlerweile von der Operation eine 12 bis 15 cm lange Narbe. Sie musste sieben Tage im Käfig liegen und durfte sich nicht bewegen. Das sind Sachen, die nicht alle Leute hören können. Ich selbst kann das zwar mit meinem Mann teilen, aber das kann nicht jeder und man kann auch nicht erwarten, dass jeder das auffangen kann.
Das ist auch kein Vorwurf an die Gesellschaft oder an die Menschen, die dazu nicht in der Lage sind. Es liegt ja auch an deren Lebensgeschichte. Wenn ich wegen meinem verstorbenen Tier traurig bin, muss ich aber für mich gucken, wo ich meine Kraft her bekomme und dafür kann diese Gruppe ein Ort sein.
Wie wird so eine Sitzung in der Trauergruppe ablaufen?
Man duzt sich und spricht sich mit Vornamen an. Alle können dann in der Runde erzählen, warum sie hier sind. Dabei muss der Todesfall nicht frisch sein, er kann auch etliche Zeit zurückliegen oder aber das Tier liegt gerade im Sterben oder schwer krank sein, wie beispielsweise meine Katze. Die leitende Person hört zu und öffnet mit Fragen den Raum ein Stück, damit sich die Leute trauen, über ihre Trauer zu reden. Dabei muss nichts passieren, aber man darf alles sagen und dann dürfen auch Tränen sein.
Die Gruppe leitet Michaela Höck, sie ist Trauerberaterin, Trauerrednerin und ehemalige Pastorin und leitet die Trauergruppen unserer Hospizhilfe schon seit Ewigkeiten. Von mir kommt zwar die Idee, doch ich bin so ausgebucht, dass ich das leider nicht selbst machen kann. Ich werde die Gruppe aber in Vertretung leiten.
Wie geht unsere Gesellschaft mit der Trauer um Tiere um?
Trauer ist gesellschaftlich nicht akzeptiert. Viele trauern länger als es anerkannt wird und müssen dann schon vorher in den Job zurück. Wir müssen immer passen, alles ist strukturiert, aber wir stellen die Erwartung zu funktionieren auch an uns selbst.
Wenn der Mann, die Frau oder die Eltern sterben, dann trauert man, geht zur Beerdigung, bekommt eine Karte, es wird darüber geredet, aber dann hören die Nachfragen meistens auch schon auf. Man will aber manchmal noch teilen, wie schön es mit der Person war, doch darin ist unsere Gesellschaft nicht so geübt. Das ist bei Trauer um Tiere ähnlich, nur ist es da ein ganz großes Tabu. Viele sagen dann, dass sie von dem Verlust erzählen wollten, aber es keiner wissen wollte. Dann kommen Sätze wie "kauf dir doch ein neues Tier" oder "es gibt doch im Tierheim noch andere Tiere." Solche Aussagen haben viele als grausam erlebt.
Andersherum lassen die Trauernden ihre Trauer auch oft nicht zu. Sie sagen dann, dass es ja viel Schlimmeres gibt oder sie schon Schwereres ertragen haben als den Tod einer Katze, aber dann verkapsel ich meine Trauer durch die Tabuisierung, sodass ich sie mir gar nicht mehr eingestehe.
Bei einer Supervision, die ich geleitet habe, hat mir letztlich ein junger FSJler erzählt, dass sein Hund gestorben ist und keiner im Team wusste davon. Wir haben dann darüber gesprochen, wie wichtig Tiere für uns sind und der junge Mann hat geweint und sich bedankt und gesagt, wie viel ihm das offene Gespräch bedeutet hat.
Spielt die Trauer um Haustiere in einer alternden Gesellschaft eine immer größere Rolle?
Ja, definitiv. Wenn der Partner weggestorben ist, aber das Tier bleibt, ist man nicht ganz allein. Viele sagen, ich komme nach Hause, da lief mir mein Hund mit wedelndem Schwanz entgegen und jetzt komme ich nach Hause und niemand kommt mehr.
Ich kenne eine andere hochaltrige Dame, die trauert um eine Katze, die letztes Jahr gestorben ist. Die Dame ist körperlich schon stark beeinträchtigt und wollte eigentlich kein neues Tier, hat sich jetzt aber doch dazu entschieden, weil sie den Kontakt zu einem Tier vermisst. Man darf nicht unterschätzen, dass Tiere für viele Menschen so nah sind wie für andere Familienmitglieder.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 11. April 2024