Interview
Wie gut sind Bremerhaven und die Küste vor Sturmfluten geschützt?
Das Rekordhochwasser an der Ostsee hat Millionenschäden verursacht. Der Leiter des Hafenbetriebs von Bremenports erklärt, wie sich der Nordwesten gegen Hochwasser wappnet.
Überschwemmte Städte, angespülte Boote und zerstörte Promenaden: Die Bilder von Orten an der Ostseeküste sehen dramatisch aus. Doch könnte ein Hochwasser auch Bremen oder Bremerhaven erwischen? Henry Behrends ist bei Bremenports für den Deichschutz verantwortlich. Er erklärt, was die Nordsee von der Ostsee unterscheidet.
Eine Sturmflut hat diesmal die Ostsee stark getroffen. Teilweise sind Hafenpromenaden und Schiffe zerstört – und das Wasser ist übergelaufen. Wie blicken Sie als Verantwortlicher für Bremerhaven auf diese Bilder?
Natürlich sehe ich das mit großem Interesse, aber auch gleichzeitig mit einer großen Gelassenheit. Die Ostsee ist ein völlig anderes Gewässer als die Nordsee. Alleine schon die Tatsache, dass die Ostsee bei dieser Sturmflut große Probleme mit Ostwind hatte, zeigt schon einen großen Unterschied: Wir haben bei Ostwind eher Niedrigwasser- anstatt Hochwasserprobleme.
Droht uns an der Nordsee dann ein solches Szenario, wenn der Wind genau in die entgegengesetzte Richtung weht? Oder sind wir da besser gewappnet?
Die Deutsche Bucht ist insbesondere bei nordwestlichen Winden für Sturmfluten anfällig. Für eine Sturmflut braucht es einen möglichst lang andauernden Sturm, der dann mit der Tide das Wasser in die jeweiligen Flussmündungen drückt. Für die Weser findet das normalerweise bei Nordwest-Winden statt. Dabei kommt es auf Kleinigkeiten an, bei wie viel Grad der Wind über Stunden weht. Am günstigsten für Sturmfluten ist es, wenn der Wind in sogenannten Kettentiden kommt, das bedeutet, dass der Sturm länger dauert, als die eigentliche Tide und das Wasser auch bei Ebbe nicht raus läuft und das nächste Hochwasser dann wieder oben drauf drückt.
Gibt es denn generell einen Unterschied zwischen dem Deichschutz an der Nordsee- und Ostseeküste?
Die Nordseeküste im Allgemeinen ist gut auf Sturmfluten vorbereitet. Allein durch den Tidenhub leben wir seit Jahrhunderten mit steigendem und fallendem Wasser. Wir haben hier in Bremerhaven ungefähr 3,80 Meter Tidenhub, also den mittleren Unterschied zwischen Ebbe und Flut. In der Ostsee sind es nur einige Zentimeter. Das sind andere Welten. Gleichzeitig musste man an der Nordsee seit Jahrhunderten immer das gesamte tiefe Land schützen, das hinter dem Deich lag.
In Bremerhaven und an der Küste sind die Bemessungsgrenzen immer so gewählt worden, dass wir weit höher liegen als die Sturmflut von 1962. Wir liegen mit unserem Schutz wesentlich höher als das größte jemals gemessene Hochwasser. Wie ich das aus der Presse entnehme, scheint mir das an der Ostsee nicht so zu sein.
Wenn wir den höheren Tidenhub haben, heißt das dann auch, dass die Regionen in der Nordsee potentziell anfälliger für Sturmfluten sind – zum Beispiel, wenn der Meeresspiegel durch den Klimawandel stärker ansteigt?
Wir haben in der gesamten Deutschen Bucht vorwiegend südwestliche Winde. Das liegt an den Tiefdruckgebieten, die wie an einer Perlenschnur hereinkommen. Wenn es bei diesen Winden bleibt, haben wir eigentlich gar kein Problem. Es geht immer darum, wenn es eine Drehung in die nordwestlichen Bereiche gibt. Da sind wir aber gut aufgestellt und ich sehe da kein erhöhtes Risiko.
Der Stand der Wissenschaft wird alle 15 Jahre ausgewertet und dann wird geschaut, ob der Küstenschutz noch dem Stand entspricht. Wobei man hier sagen muss: Es wird ein Wasserstand zur Bemessung genommen, der einen Vorausblick für die nächsten 100 Jahre geben soll. In Bremen und Bremerhaven sind wir dabei, die Küstenlinie auf den neuesten Stand zu bringen. Es ist noch nicht alles umgesetzt, aber fast alles. Und da stehen wir aus meiner Sicht recht gut da.
Stichwort Küstenschutz hier vor Ort: Der Planungsstand für das Geestesperrwerk hat sich in der Vergangenheit immer wieder hingezogen. Wie sicher ist die Bremerhavener Küste bis zum Bau des neuen Sperrwerks?
Die Anlage am Geestesperrwerk und den Randbereichen ist von 1961. Sie ist also vor der höchsten Sturmflut erbaut worden, die wir hier jemals hatten. Und sie ist auch höher als die Sturmflut von 1962. Wir passen dieses Bauwerk jetzt für die hoffentlich nächsten 100 Jahre an.
Es kann auch zu einer theoretisch denkbaren, leichten Überflutung des Sperrwerks kommen. Das wäre aber immer noch nicht so schlimm, weil auch die Geeste selbst Deiche hätte. Wir haben dahinter also noch einen gewissen Auffüllraum.
Henry Behrends, Geschäftsleitung bei bremenports für Hafenbetrieb und Hochwasserschutz
Wir sind auch mit unseren Einsatzkräften in der Lage, an bestimmten brenzligen Punkten sofort einzugreifen und auch noch mal Erhöhungen vorzunehmen. Deshalb sehe ich da keine unmittelbare Gefahr für die Stadt Bremerhaven.
Nach dem Einsturz im vergangenen Jahr ist die Nordmole aktuell nur provisorisch aufgeschüttet. Hat das Auswirkungen auf den Hochwasserschutz?
Nein, das hat keine Auswirkungen. Die Mole hat zwar eine gewisse wellendämmende Wirkung, aber sie ist nicht Bestandteil des Küstenschutzes.