Fragen & Antworten

So hart muss die Bremische Evangelische Kirche jetzt sparen

Bild: dpa | Sina Schuldt

Dem Bremischen Kirchentag stehen wichtige Entscheidungen bevor. Die BEK will in den nächsten acht Jahren 30 Prozent ihres Haushalts einsparen. Doch wie?

So wie die gesamte deutsche Evangelische Kirche will auch die Bremische Evangelische Kirche (BEK) in den kommenden Jahren sparen. 20 Prozent ihres Haushaltsvolumens sollen es bis 2025 sein, 30 Prozent bis 2030. Doch wie kommt es, dass die Kirche jetzt einen harten Sparkurs einschlagen soll? Und welche Angebote sind davon betroffen? buten un binnen hat mit Experten und Gemeinden gesprochen.

Woran liegt es, dass die BEK jetzt sparen muss?

Klar ist, dass die Mitgliederzahlen in den vergangenen Jahren stets zurückgegangen sind. Hatte die BEK Ende 2013 noch um die 214.200 Mitglieder, waren es im Juli 2022 nur etwa 167.500. Dazu tragen mehrere Faktoren bei: Vor allem die Alterung der Gesellschaft, weswegen mehr Menschen versterben als geboren werden. Auch die Einwanderung kann dies nicht ausgleichen, da viele Migranten nicht der evangelischen Kirche angehören.

BEK-Mitgliederzahlen in den vergangenen Jahren

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Die Austritte spielen ebenfalls seit Jahren eine Rolle. 2021 haben im Land Bremen fast 2.200 Menschen die Kirche verlassen. Zum Teil hängt dies mit dem Generationswandel zusammen, wie Religionswissenschaftlerin Petra Klug bestätigt. Die Denkweisen und Gesetze entsprächen teilweise nicht mehr den religiösen Vorschriften. Zum Beispiel, wenn es um Homosexualität gehe.

Die Fragen von heute sind nicht mehr unbedingt durch Rückgriff auf ein altes Buch oder alte Dogmen zu lösen.

Petra Klug, Religionswissenschaftlerin

Ein- und Austritte bei der BEK

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Der soziale Druck der Kirche anzugehören habe ebenfalls abgenommen. Zum anderen hätten die Missbrauchsskandale vor allem in der katholischen Kirche ein Licht auf die Problematik der kirchlichen Hierarchien geworfen. Hierarchien, die solche Straftaten jahrelang vertuschen konnten. "Es ist Misstrauen in eine solche Institution entstanden", so Klug.

Wie finanziert sich die BEK momentan?

Die BEK finanziert sich durch Kirchensteuern. Daher bedeuten weniger Mitglieder weniger Einnahmen.

Wie könnten die Sparmaßnahmen konkret aussehen?

Unterschiedlich. Ein erster Bericht soll am Mittwoch dem Kirchentag vorgestellt werden. Zum einen will sich die BEK von 30 Prozent ihrer Gebäude trennen, das ist schon längst bekannt. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, unter anderem die Lage, der Zustand des Gebäudes, der Denkmalschutz, die Anzahl der jeweiligen Gemeindemitglieder. Teilweise könnten sich eventuell die Gemeinden Zentren teilen oder gar fusionieren. Es gebe "einen Trend, dass kleinere Gemeinden sich mit größeren zusammenschließen, wie zum Beispiel in Bremen-Nord", sagt Pastor Ingo Thun.

Auch ist eine Umnutzung mancher Gebäude denkbar, so die BEK-Sprecherin Sabine Hatscher. Hinzu könnten Sparmaßnahmen bei den Personalkosten kommen. Diese sind der größte Posten im Haushalt. "Da kann es sein, dass Pastorenstellen nicht oder nicht ganz wiederbesetzt werden."

Außerdem spart man bereits an den Heizkosten: Gemeindehäuser sollen nur bis 19 Grad aufgeheizt werden, die Kirchen können entweder nicht beheizt – und im Winter nicht benutzt – oder auf eine Temperatur zwischen acht und 16 Grad je nach Veranstaltung gesenkt werden. Die Gemeinden entscheiden, ob sie die Kirchen im Winter stilllegen wollen. Dabei spielen auch Luftfeuchtigkeit und Schimmelgefahr eine Rolle.

Die 65 Kindertagesstätten, die die BEK in Bremen betreibt, sollen nicht von Sparmaßnahmen betroffen sein, zumal sie zu mindestens 90 Prozent von der Stadt finanziert werden, wie das Bildungsressort bestätigt. Nur der Energieverbrauch soll gedrosselt werden, wenn auch nicht so stark wie in anderen Gebäuden. Ob die Diakonie Bremen, die Pflege- sowie Altenheime betreibt, von den Einsparungen betroffen ist, konnte bis zur Textveröffentlichung nicht in Erfahrung gebracht werden.

Welche Entscheidungen wurden bereits umgesetzt?

Die Energiesparmaßnahmen laufen bereits. "Gottesdienste halten wir jetzt im Gemeindehaus und nicht in der Kirche. Man muss sich warm anziehen", sagt eine Mitarbeiterin der Gemeinde in der Neuen Vahr. Auch haben bereits in den vergangenen Jahren mehrere Gemeinden ihre Gebäude veräußert oder umfunktioniert. Die Gemeinde Alt Hastedt hat im Sommer beschlossen, sich ein Zentrum mit der Auferstehungsgemeinde zu teilen und so auf ein Gebäude zu verzichten. Dahinter stecke nicht nur eine Sparlogik, die Kooperation habe bereits 2008 angefangen, allerdings könnten damit jetzt "beträchtliche" Einsparungen erzielt werden, sagt die Pastorin Wibke Winkler.

Es war ein langer Prozess.

Wibke Winkler
Wibke Winkler, Pastorin

Mehrere Gemeinden müssen ebenfalls an Personalkosten sparen. In der Martin-Luther-Gemeinde in Findorff haben die Pastoren und Pastorinnen nach Angaben des Vorsitzenden Jens Schröder auf einen Teil ihrer Vollzeitstellen freiwillig verzichtet, damit man von drei auf zwei Stellen reduzieren konnte, ohne Personal zu entlassen. Pastor Ingo Thun gibt an, jetzt eine Stelle jeweils zur Hälfte in der St. Lukas und der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde innezuhaben.

Wie betrachten die Gemeinden die Lage?

Mit gemischten Gefühlen. Fast alle, die befragt wurden, machen sich Gedanken, wie man in Zukunft haushalten kann, ohne das Angebot an Seelsorge und Aktivitäten einzuschränken. Manche blicken trotzdem zuversichtlich in die Zukunft, andere sehen das Ende der Fahnenstange bei den Personalkürzungen schon erreicht.

Man kann irgendwann nicht mehr entlassen. Wie soll noch gekürzt werden?

Ingo Thun, Pastor

Auch Pastorin Winkler ist zwiegespalten.

Das betrachten wir hin und wieder mit Sorgen. Die Frage ist: Was bleibt, was können wir mit weniger finanziellen Ressourcen anbieten? Andererseits sind manchmal genau die kleineren Grass-Roots-Bewegungen viel kreativer und dynamischer als die großen Apparate.

Wibke Winkler
Wibke Winkler, Pastorin

So reagiert Bremens Evangelische Kirche auf den Mitgliederschwund

Bild: Radio Bremen

Autorin

  • Serena Bilanceri
    Serena Bilanceri Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. November 2022, 19:30 Uhr