Interview
Machen Spanier überhaupt Siesta – und wie gesund ist das wirklich?
Im Gespräch mit Bremen Zwei erklärt ein Wissenschaftsjournalist, was eine Siesta bringen würde – und wann wir sie sinnvoll einsetzen können.
Draußen arbeiten auf dem Bau oder als Landschaftsgärtnerin bei 30 Grad? Aus Sicht des Verbands der Amtsärzte sind diese Arbeitsbedingungen auf Dauer nicht zumutbar. Und durch den Klimawandel wird es Arbeitstage bei diesen Temperaturen in Zukunft immer öfter geben. Die Ärzte schlagen deshalb vor, dass in Deutschland eine lange Mittagspause, eine "Siesta", eingeführt werden könnte.
In Spanien gibt es diese Siesta schon: Früh aufstehen, morgens arbeiten, mittags eine lange Pause im Kühlen machen. Aber wie sinnvoll ist diese Siesta aus wissenschaftlicher Sicht? Diese Fragen hat Bremen Zwei Stefan Troendle aus der SWR-Wissenschaftsredaktion gestellt.
Herr Troendle, ist eine Siesta aus wissenschaftlicher Sicht gesund?
Absolut, es gibt sogar mehrere Studien: Eine aus Griechenland und eine aus der Schweiz. Und beide besagen in etwa dasselbe: Das bringt etwas, wenn man es richtig macht. Richtig bedeutet, dass man es nicht täglich machen sollte. Zwei bis drei mal pro Woche wäre optimal. Das senkt das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, es dient dem Stressabbau. Aber wenn man sich täglich hinlegt oder hinlegen muss, deutet das darauf hin, dass die Schlafqualität schlecht ist. Und das könnte möglicherweise auch durch eine chronische Erkrankung ausgelöst sein.
Wie wirkt die Hitze denn auf Leistungsfähigkeit?
In zwei Worten: Sie sinkt. Wir können uns schlechter konzentrieren, wir sind erschlagen, wir können nachts schlechter schlafen. Auch deswegen ist eine Pause absolut sinnvoll. Aber man sollte daran denken, diese Pause dann zu machen, wenn es am heißesten ist. Und das ist nicht unbedingt um 12 Uhr Mittags, sondern eher Nachmittags.
Wir reden ja immer davon, dass in Spanien und Italien alle Siesta machen würden. Wir das dort denn überhaupt immer noch gelebt?
In Teilen. Das machen die, die es sich leisten können. Es gibt ja viele schlecht bezahlte Jobs wie Hausmeisterin oder Verkäufer. Das sind Menschen, die aus Kostengründen weit draußen wohnen müssen. Die haben also gar keine Gelegenheit, mal eben nach Hause zu fahren und Pause zu machen. Das Modell 10 bis 13 Uhr und 16:30 bis 20 Uhr ist gelebte Realität, übrigens auch im Winter. Das hat aber nicht mit reichlichem Mittagessen zu tun: Die meisten holen sich nur einen kleinen Snack, ruhen sich dann einfach aus und essen Abends richtig.
Im Zusammenhang mit steigenden Temperaturen wird auch die Idee von Kühlräumen diskutiert, zum Beispiel Kirchen zu öffnen, damit sich die Leute dort abkühlen können. Brauchen wir Kühlräume?
So schlecht ist die Idee nicht. Es gibt zum Beispiel auch Luft-Umwälzanlagen, die nachhaltiger sind als zum Beispiel ein Klimaanlage. Bei neuen Gebäuden zum Beispiel konsequent Ruheräume einzurichten wäre sehr sinnvoll. Allen Arbeitgebern, die das jetzt für sinnlos halten, kann man sagen: Das steigert aber die Produktivität. Bei einem Handwerk auf dem Bau müsste man da natürlich anders heran gehen, vielleicht mit gekühlten Containern. Auch wenn es die Mentalität bei gewissen Berufen gibt "einen starken Mann erschüttert nichts" – ab einer gewissen Außentemperatur aber schon!
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 19. Juli 2023, 6:40 Uhr