Beratung für Sexarbeiterinnen: Wie geht es in Bremerhaven weiter?

Wie geht es weiter mit der Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen?

Bild: Radio Bremen

Die Beratungsstelle Marie unterstützt Sexarbeiterinnen beim Ausstieg aus der Branche. Jetzt steckt sie in Geldnot. Im Sommer läuft die Finanzierung über den Bund aus.

Katrin Hill und Nicole Klech von der Beratungsstelle sind oft in der Lessingstraße, dem Rotlichtberzirk Bremerhavens, unterwegs. Dort verkaufen vor allem junge Frauen aus Osteuropa Sex. Hier verteilen die Beraterinnen Kondome und ihre Visitenkarten. Sie bieten ihre Hilfe an, wenn Frauen aussteigen wollen, ihr Geld anders verdienen wollen, als mit Sexverkauf. Doch der Ausstieg bringt viele Frauen erstmal in existenzielle Nöte.

Viele Frauen, gerade wenn sie in der Lessingstraße arbeiten und sich für den Ausstieg entscheiden, starten bei Null. Es kann sein, dass sie dann auch der Obdachlosigkeit zum Opfer fallen, finanzielle Probleme haben. Da gibt's mehrere Hürden, die in der Summe eine riesige bilden, die dann viele Frauen davon abhalten.

Ein Porträt von Sexarbeiterinnen-Beraterin Nicole Klech
Nicole Klech, Beraterin bei Marie
Ein Haus in der Bremerhavener Lessingstraße
Die Lessingstraße ist Bremerhavens Rotlichtviertel.Vor allem junge Frauen aus Osteuropa verkaufen hier Sex. Bild: Radio Bremen

Es ist manchmal ein jahrelanger Prozess, bis der Umstieg gelingt. Das Projekt Marie ist ein Bundes-Modellprojekt, das sich darauf spezialisiert hat. Konkret: Realistische Erwerbs-Möglichkeiten ausloten, Qualifizierungsangebote vermitteln, Wohnungssuche und die psycho-soziale Begleitung. Seit dem Start ist der Umstieg bei zwölf Frauen gelungen, zehn weitere sind in Beratung.

Ausstieg aus der Zwangsprostitution

Eine dieser Frauen ist Alexandra, ihr Name wurde von der Redaktion geändert. Sie arbeitet inzwischen in einem anderen Beruf, hat eine eigene Wohnung und kann sich selbst versorgen: "Endlich habe ich ein eigenes Leben. Ohne diese Hilfe hätte ich das nie geschafft. Es müsste viel mehr solcher Hilfsangebote wie Marie geben."

Alexandra ist über viele Jahre von ihrem Ex-Mann zur Prostitution gezwungen worden. Sie erzählt von ihrer Verzweiflung, bis sie den Mut hatte, die Polizei einzuschalten. Obwohl ihr Ex-Mann ihr angedroht habe, sie umzubringen, wenn sie aussteigt.

Endlich habe ich mich getraut, zur Polizei zu gehen, dann war ich im Frauenhaus, wusste erstmal gar nicht, wie es für mich weitergehen kann. Monatelang habe ich mich nicht getraut rauszugehen, aus Angst, dass er mich findet.

Alexandra, ehemalige Zwangsprostituierte

Ausbeutung durch vorgetäuschte Liebe

Dass junge Frauen von ihren Partnern ausgebeutet werden, ist kein Einzelfall. Es funktioniert nach der sogenannten "Loverboy-Methode", erklärt Beraterin Katrin Hill: "Vor allem junge Frauen werden in den Heimatländern unter Vortäuschung von Liebesbeziehungen angeworben, und es wird ihnen versprochen, dass sie es nur für zwei bis drei Monate machen müssen. Dann werden sie entweder herumgereicht oder in starke Abhängigkeitsverhältnisse getrieben."

Alexandra hat viele Frauen in Bordellen und Clubs kennengelernt. Die Motive für Sexarbeit seien unterschiedlich: "Es gibt Frauen, die machen es gerne. Es gibt Frauen, die machen es für die Familie, um Geld zu verdienen. Aber Frauen, die gezwungen werden, können nicht einfach raus, einfach weil sie niemanden kennen, der ihnen hilft, und sie haben Angst, weil der Partner sie bedroht."

Förderung der Beratungsstelle gefährdet

Die beiden Beraterinnen Katrin Hell und Nicole Klech packen Tüten für Sexarbeiterinnen
Die Beraterinnen Katrin Hell (links) und Nicole Kleche hoffen auf eine Fortsetzung des Projekts. Bild: Radio Bremen

Das Projekt Marie kooperiert mit dem Bremer Verein Nitribitt und dem BBMeZ - der Beratung für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution der Inneren Mission. Das Bremerhavener Projekt der AWO wird drei Jahre lang über das Bundesfamilienministerium und den europäischen Sozialfond gefördert. Darüber können Aussteigerinnen für den Übergang bis zu einem Jahr auch ein Existenzgeld bekommen. Im Sommer ist damit Schluss, und eine Anschlussfinanzierung noch nicht in Sicht.

Obwohl die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag sich darauf verständigt hatten. Dort heißt es: "Die Koalition wird die Beratungsstelle Marie für Prostituierte in Bremerhaven und das Beratungsangebot in Bremen sichern. Wir stellen sicher, dass in Bremerhaven die Beratungsstelle Marie für Prostituierte, die aktuell über Gelder eines Bundesmodellprojektes finanziert wird, weiterhin bestehen bleibt und werden diese deshalb auskömmlich finanzieren."

Eine wichtige Institution für Betroffene

Doch bisher gibt es keine Zusage. Weder aus Bremen, noch aus Bremerhaven. "Erhalten wir keine Mittel, würde das Projekt einfach auslaufen. Das würde bedeuten, Bremerhaven hätte erneut keine Beratungsstelle", kritisiert Katrin Hill. Für Alexandra wäre das ein Verlust, denn sie kommt weiter regelmäßig in die Beratungsstelle um sich auf ihrem Weg begleiten zu lassen. Denn ihre Zeit als Zwangsprostituierte hat Spuren hinterlassen.

Ich werde psychisch nie mehr ganz gesund werden. Diese Angstzustände, die bleiben. Dass ich nachts nicht ruhig schlafen kann, dass ich mich auf der Straße jede Sekunde umdrehe, ob jemand hinter mir herkommt. Es ist ein Trauma.

Alexandra, ehemalige Zwangsprostituierte

Noch sind die Haushaltsverhandlungen nicht abgeschlossen. Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz sieht die Kommune in Bremerhaven in der Verantwortung, unterstützt aber weiterhin das Ausstiegsprogramm von Nitribitt eV. in der Stadtgemeinde Bremen.

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Autorin

  • Marianne Strauch
    Marianne Strauch

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 13. Februar 2024, 19:30 Uhr